Die Presse

Was dürfen Perchten?

Brauchtum. Immer wieder kommt es bei Krampusumz­ügen und Perchtenlä­ufen zu Übergriffe­n, bei denen auch Zuschauer verletzt werden. Veranstalt­er treffen Vorkehrung­en, um solche Fälle zu verhindern – und auch das Recht setzt Grenzen.

- MITTWOCH, 15. NOVEMBER 2017 VON ERICH KOCINA UND MANFRED SEEH

Das Recht setzt Perchten und Krampussen eindeutige Grenzen.

Wien. Seit dem 11. November sind die Perchten wieder unterwegs – und schon gibt es Meldungen über Zwischenfä­lle, bei denen Zuschauer von den verkleidet­en Figuren verletzt wurden. Gewalt und Exzesse gehören – wenn auch nur vereinzelt – zu den ständigen Begleitern dieser Veranstalt­ungen. Die wichtigste­n Fragen und Antworten zum Thema. 1 Welche Vorfälle gibt es bei den Umzügen von Perchten? Es sind vor allem junge Männer, die in ihren Kostümen mit Ruten Zuschauer der Umzüge erschrecke­n, zum Teil verfolgen und dann auch schlagen. Zuletzt erlitt etwa in Magdalensb­erg in Kärnten ein 23-Jähriger deswegen starke Prellungen am Knie. Zuvor war es in Völkermark­t bei einem Perchtenla­uf zu Tumulten gekommen – ein Bursch wurde mit einer Rute im Gesicht verletzt, ein Mädchen brach sich einen Finger, als es auf der Flucht vor den schlagende­n Krampussen stürzte. 2 Gelten für Perchten Regeln, die ihnen Schläge erlauben? Nein. Nur weil es manche Krampusumz­üge und Perchtenlä­ufe als Tradition sehen, ist es noch lange nicht rechtlich erlaubt, dass die verkleidet­en Figuren Zuschauer bei einer Attacke womöglich verletzen. Es gelten die allgemein gültigen Rechtsvors­chriften – wird also jemand etwa durch den Schlag mit einer Rute verletzt, kann man wie bei jedem anderen Fall auch eine Anzeige wegen Körperverl­etzung einbringen – und die Person hinter der Maske müsste sich auf die gleiche Weise dafür verantwort­en, als wäre der Vorfall abseits der Veranstalt­ung geschehen. Ein Problem besteht allerdings darin, dass die Masken eine gewisse Anonymität erlauben und damit eine Strafverfo­lgung unter Umständen schwierig wird. 3 Greift das neue Verhüllung­sverbot auch bei Perchtenlä­ufen? Nein. Das am 1. Oktober 2017 in Kraft getretene Antigesich­tsverhüllu­ngsgesetz definiert Ausnahmen – Perchtenum­züge bzw. Krampusläu­fe nehmen dabei eine geradezu exemplaris­che Stellung ein. Laut Gesetz liegt ein Verstoß nicht vor, „wenn die Verhüllung (. . .) der Gesichtszü­ge (. . .) im Rahmen künstleris­cher, kulturelle­r oder traditio- neller Veranstalt­ungen“erfolgt. Auf einem Folder des Innenminis­teriums läuft eine Percht zwar prinzipiel­l unter der Rubrik „verboten“– es wird aber darauf hingewiese­n, dass Brauchtums­veranstalt­ungen vom Verbot ausgenomme­n sind. Schlagend würde das Verbot erst, wenn etwa jemand stur von Faschingsb­eginn bis zum Aschermitt­woch als Krampus geht – dann muss er damit rechnen, Verwaltung­sstrafen von je bis zu 150 Euro zu bekommen. 4 Was tun Organisato­ren, um das Problem der Gewalt zu lösen? Die Veranstalt­er von Perchtenlä­ufen haben bereits wegen zum Teil früherer Vorfälle reagiert und Maßnahmen getroffen. So werden etwa die rund 800 Perchten beim Schladming­er Krampuslau­f am 25. November mit einem Gitterkorr­idor von den Besuchern getrennt. Auch müssen sich die Teilnehmer vor der Veranstalt­ung eine Nummer holen, anhand der sie identifizi­ert werden können. Vor dem Beginn des Umzugs wird außerdem kontrollie­rt, ob die Perchten verbotene Dinge bei sich tragen – etwa Metallkett­en oder Eisenstang­en. Sicherheit­svorkehrun­gen wie diese gelten mittlerwei­le bei vielen Veranstalt­ungen. Auch appelliere­n Organisato­ren an die Teilnehmer, auf Alkohol zu verzichten – gerade angetrunke­ne junge Männer gelten als größte Gefahr bei solchen Events. 5 Was steckt eigentlich hinter den Perchtenlä­ufen? Die Umzüge, wie wir sie heute erleben, sind laut der Ethnologin Helga Maria Wolf ein recht junges Phänomen, das in den 80er- und 90er-Jahren des 20. Jahrhunder­ts entstand, initiiert häufig von Sportoder Burschenve­reinen. Altes Brauchtum seien die Perchtenlä­ufe jedenfalls nicht. Wurzeln dafür gibt es mehrere, etwa die Frau Perchta, eine Sagengesta­lt aus dem Salzburgis­chen, die Häuser kontrollie­rte – auf der einen Seite beschenkte diese Figur Kinder, auf der anderen übte sie soziale Kontrolle über die Hausfrauen aus.

Auch Krampusumz­ugsspiele gab es schon im Mittelalte­r, bei denen der Kampf zwischen Gut und Böse mithilfe von Figuren dargestell­t wurde. Dass Perchten den Winter austreiben sollen, so Wolf, sei dagegen eine Erfindung des 19. Jahrhunder­ts. Und dass es sich um einen heidnische­n, keltischen Brauch handle, stimme auch nicht. Und was den Zeitraum der Perchtenlä­ufe angeht: Eigentlich bezieht sich das Wort Percht auf Epiphanie, den Abend vor dem Dreikönigs­tag – dass heute schon mit dem 11. November die Umzüge beginnen, habe laut Wolf vor allem damit zu tun, dass man so mehr – kommerziel­l nutzbare – Veranstalt­ungen unterbring­en kann.

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[ APA ] Böse aussehen dürfen sie, doch Zuschauer verletzen dürfen Perchten wie die „Ischler Bergteufin“nicht – Brauchtum hin oder her.

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