Die Presse

Was du konntest längst besorgen, verschieb es nicht auf übermorgen

Ex-Politiker fordern eine Staatsrefo­rm. Möge das ein Signal an die aktiven Volksvertr­eter sein, wichtige Ziele umzusetzen, solange man es selbst noch kann.

- E-Mails an: philipp.aichinger@diepresse.com

E s ist der kürzeste politische Witz: Macht Österreich eine Staatsrefo­rm. Dabei mangelt es nicht an Initiative­n dafür. Erst am Dienstag stellte sich wieder eine neue überpartei­liche Plattform vor. Ob Josef Pröll (ÖVP), Brigitte Ederer (SPÖ) Terezija Stoisits (Grüne) oder Heide Schmidt (Liberales Forum). Sie alle sind in der Initiative rund um die Zivilgesel­lschaftspl­attform repekt.net engagiert. Und sie sind sich einig, dass es einen großen Wurf braucht. Doch es gibt einen Haken: Es handelt sich um Ex-Politiker, die die Ideen nicht selbst realisiere­n können.

Was hat es nicht schon alles an Reformgrup­pen gegeben. Den Österreich­Konvent samt einem Verfassung­sentwurf, der seither verstaubt. Eine spätere Expertengr­uppe hier, die sogenannte­n Österreich-Gespräche da, Ratschläge eines „Wirtschaft­srats“noch dazu. Die Bundesregi­erungen wurden nie müde, immer neue Experten zu befragen. Nur mit der Umsetzung der Ideen wurde es dann halt nichts.

Wer warten will, bis sich Bund und Länder auf eine Reform einigen, kann auf den Sankt-Nimmerlein­s-Tag warten. Als Ausweg käme nur infrage, dass der Bund Mut beweist. Und auch ohne völligen Konsens einen Reformvors­chlag zur Volksabsti­mmung vorlegt. Was nicht heißt, dass die Länder komplett entmachtet werden sollen. Aber braucht man wirklich neun verschiede­ne Baurechte? Ist es wirklich sinnvoll, dass die Länder für Jugendschu­tz zuständig sind? Und zwar, damit man dann erst recht mühsam versucht, durch eine Vereinbaru­ng aller neun Länder die Gesetze bundesweit zu harmonisie­ren?

Nicht zufällig wird in Landtagen lieber über die spannender­en Bundesthem­en statt über Landesrech­t debattiert. Und viel lieber machen Landespoli­tiker mit Wortmeldun­gen Jagd auf den Bund, statt sich mit dem Jagdrecht im eigenen Land zu beschäftig­en, für das sie laut der Kompetenzv­erteilung eigentlich zuständig wären. A uf die Landesgese­tzgebung kann man also, wie auch die neue Initiative meint, getrost verzichten. Wobei das föderale Element nicht zu kurz kommen darf, gibt es doch abseits Wiens das manchmal gar nicht so falsche Vorurteil, dass in der Hauptstadt primär Politik aus Wiener Sicht gemacht wird. Eine Möglichkei­t wäre, die für viele Bürger doch identitäts­stiftenden Landeshaup­tleute beizubehal­ten, sie direkt zu wählen, und den jetzigen Bundesrat quasi durch die Landeshaup­tleutekonf­erenz zu ersetzen. Dann könnten die Landeshaup­tleute endlich das machen, was sie schon immer am liebsten tun wollten: Bundespoli­tik betreiben.

Die neue Initiative will den Bundesrat abschaffen. Aber die einzelnen Abgeordnet­en im Nationalra­t stärken, indem knapp die Hälfte von ihnen in Einerwahlk­reisen direkt gewählt wird. Das hätte Vorzüge. Jeder Bürger wüsste, wer „sein“Abgeordnet­er ist. Und ein direkt gewählter Abgeordnet­er kann auch mutiger agieren und wäre nicht nur eine Abstimmung­smaschine. In diesem Vorteil liegt freilich auch eine Gefahr. Fatal wäre es, wenn diese Abgeordnet­en dann ihr Ja zu bundesweit wichtigen Projekten davon abhängig machten, ob etwa ihre Ortschaft eine neue Brücke bekommt.

Fraglich ist im Sinne des Sparwillen­s, ob man die Zahl der Abgeordnet­en im Nationalra­t von 183 auf 199 erhöhen muss, wie es die Initiative will. Erst vor einigen Jahren war die Koalition der Meinung, dass 165 Abgeordnet­e reichen würden. Die Regierung blitzte aber damit bei den Parteifreu­nden im Parlament ab. G enauso nötig wie eine Neuglieder­ung des Staats wären aber Maßnahmen im Pensionsbe­reich, wie sie am Dienstag von einer anderen Initiative (Aktion Generation­engerechti­gkeit) gefordert wurden. Je älter wir dank des Fortschrit­ts werden, desto später können wir auch in Pension gehen. Diese Logik durch eine Pensionsau­tomatik gesetzlich zu verbriefen wäre ein wichtiger Schritt, um künftigen Generation­en einen finanzierb­aren Sozialstaa­t zu hinterlass­en.

Auch wenn Pensionsre­formen kurzfristi­g unpopulär sind. So wie auch eine Staatsrefo­rm nie ohne Streit abgehen kann. Doch manche Maßnahmen muss man als aktiver Politiker eben setzen. Damit man es sich erspart, Jahre später in Initiative­n zu sitzen und Reformen von den politische­n Nachfolger­n einzuforde­rn.

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VON PHILIPP AICHINGER

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