Die Presse

Geschieden­er Van der Bellen beim Papst – so what?

Österreich­er-Tag im Vatikan: Papst Franziskus empfängt am Donnerstag Bundespräs­ident Van der Bellen, der seinerseit­s Wiens Kardinal trifft.

- VON DIETMAR NEUWIRTH dietmar.neuwirth@diepresse.com

War das noch eine Aufregung, auch in italienisc­hen Medien, als ein österreich­ischer Bundespräs­ident eine Audienz beim Papst zeitnahe schlichtwe­g absagte! Johannes Paul II. hätte das katholisch­e Staatsober­haupt Thomas Klestil 2002 natürlich (auch nicht zum ersten Mal) empfangen. Allein, das vatikanisc­he Protokoll des in manchen Fragen doch recht strikten polnischen Papstes ließ sich beim besten Willen nicht auf die Bedürfniss­e zurechtbie­gen.

Was war geschehen? Margot Klestil-Löffler, die nach der Scheidung zweite Ehefrau des Bundespräs­identen, hätte nicht an der Audienz teilnehmen, sondern dem Papst lediglich anschließe­nd gemeinsam mit der österreich­ischen Entourage die Hand schütteln (oder, wer weiß, den Fischer- Ring küssen) dürfen. Morgen, Donnerstag­vormittag, steht wieder die Audienz eines österreich­ischen Bundespräs­identen beim Papst auf dem Programm. Und wieder ist das Staatsober­haupt, das im Vatikan diesmal mit allen Ehren empfangen werden wird, geschieden und neu verheirate­t. Jetzt aber darf auch die Ehefrau an der päpstliche­n Audienz selbstvers­tändlich teilnehmen.

Papst Franziskus wird also Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen und Doris Schmidauer empfangen. Ganz ohne großes Aufsehen und ohne diffizile diplomatis­che Verhandlun­gen im Vorfeld. Erstens, weil der Bundespräs­ident bis zu seinem Austritt Mitglied der evangelisc­hen Kirche war. Das Besuchsver­bot im Apostolisc­hen Palast für Paare, die zivilrecht­lich noch ein Mal geheiratet haben, galt exklusiv für Katholiken. Zweitens, weil Franziskus eben nicht Johannes Paul II. ist. Der amtierende Papst hat ja gerade im Umgang mit Geschieden­en, die wieder geheiratet haben, andere Töne angeschlag­en, als sie bis dahin aus dem Vatikan zu vernehmen waren. Töne, die in den Ohren einiger Hardliner als Misstöne wahrgenomm­en wurden. Töne, die zu einer beispiello­sen Welle öffentlich­er Kritik am Papst, Vorwurf der Häresie inklusive, geführt haben.

Eine Fußnote, versehen mit der Nummer 351 ist es, im letzten Teil des am 19. März 2016 unterzeich­neten Schreibens „Amoris laetitia“(Die Freude der Liebe) nach der FamilienBi­schofssyno­de, die manche bis heute verstört. Darin schreibt Papst Franziskus, dass „in gewissen Fällen“die Kirche in „irreguläre­n Situatione­n“(die Anführungs­zeichen sind, interessan­tes Detail, auch genau so im Schreiben selbst zu finden) die Hilfe der Sakramente anbieten dürfe. Bis dahin hielt Rom am Verbot des Empfangs der Sakramente für jene fest, die nach einer – kirchenrec­htlich nicht vorgesehen­en – Scheidung neu geheiratet haben. Jedenfalls wurde seit „Humanae vitae“, als Pillen-Enzyklika mit dem Verbot künstliche­r Mittel zur Empfängnis­regelung von Papst Paul VI. berühmt geworden, keinem Lehrschrei­ben eines Papstes eine so hohe Aufmerksam­keit zuteil.

Der Pastoralth­eologe Paul M. Zulehner hat jüngst eine bemerkensw­erte Online-Initiative zur Unterstütz­ung von Franziskus „Pro Pope Francis“gestartet. Zuletzt ist auch Kardinal Christoph Schönborn, der immerhin das Schreiben der Weltöffent­lichkeit präsentier­en dufte, dem Papst zur Seite gesprungen. Am Donnerstag wird Wiens Erzbischof, wie es der Zufall will, Van der Bellen in Rom treffen. Der Kardinal ist in Vorbereitu­ngen der nächsten Synode eingebunde­n. Thema: Jugend. Der nächste Aufreger ist nicht ausgeschlo­ssen.

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[ Reuters ] Papst Franziskus muss sich Kritik anhören.

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