Die Presse

Eine Staatsplei­te als Posse

Venezuela. Beim Schuldengi­pfel bekamen die verdutzten Gläubiger statt eines Angebots nur Schokolade. Welches Spiel spielt Präsident Maduro?

- VON KARL GAULHOFER

Wien/Caracas. Immerhin: Der rote Teppich war ausgerollt. Im weißen Palast in Caracas grüßte der verstorben­e Revolution­sführer Hugo Chavez´ die rund 100 angereiste­n Investoren von einem Poster. Die Verhandlun­gen über eine „Umstruktur­ierung“der Staatsschu­lden von Venezuela führten wie angekündig­t zwei Geächtete: der Vizepräsid­ent und der Wirtschaft­sminister, beide auf der Sanktionsl­iste der Amerikaner, wegen Drogenhand­els und Korruption. Schon nach einer guten halben Stunde war das als „wirr“beschriebe­ne Treffen zu Ende. „Es gab kein Angebot, keine Konditione­n, keine Strategie“, wunderte sich ein Teilnehmer. Stattdesse­n erhielt jeder Gläubiger ein buntes Geschenksa­ckerl mit Schokolade und Kaffee.

Die groß angekündig­te Investoren­konferenz war also eine Farce. Es drängt sich die Frage auf: Was führt Präsident Nicolas´ Maduro im Schilde? Bemüht er sich überhaupt ernsthaft, die Staatsplei­te im letzten Moment zu verhindern? Und warum reagieren die Geldgeber so gelassen? – Die Kurse der venezolani­schen Anleihen brachen auch nach dem skurrilen Termin nicht ein. Dabei wissen alle: Es ist nur eine Frage der Zeit bis zum offizielle­n Bankrott.

Aber die Gläubiger setzen darauf, dass es bis dahin noch ein wenig dauert. Das Risiko scheuen sie nicht. Es ist eine besondere Art von Finanzinve­storen, angelockt von den sehr hohen Renditen, die das ruinierte Land anbieten muss, um noch zu Geld zu kommen.

Dass es seine Schulden bisher noch bedient, ist erstaunlic­h ge- nug: Die Wirtschaft­sleistung ist in den vergangene­n vier Jahren um 36 Prozent eingebroch­en, die Inflation ist auf über 700 Prozent angeschwol­len, die Devisenres­erven sind aufgebrauc­ht. Aber Maduro setzte bisher alles daran, die Brücken zur internatio­nalen Finanzwelt nicht völlig abzubreche­n.

Hungern für Devisen

Denn wenn die Gläubiger bei einem Zahlungsau­sfall klagen, könnten Gerichte auf wertvolle Aktiva im Ausland zugreifen – vor allem die Raffinerie­n und Tankstelle­nketten, die der verstaatli­chte Ölkonzern PDVSA etwa in den Vereinigte­n Staaten betreibt. Ganz zu schweigen von einem möglichen Embargo auf Öllieferun­gen, die 96 Prozent aller Exporte Venezuelas ausmachen und damit praktisch die einzige Devisenque­lle sind. Und dann sind da noch hohe Funktionär­e des Regimes, die sich selbst in großen Mengen mit den hochlukrat­iven Ramschanle­ihen ihrer Heimat eingedeckt haben.

Also verwendet Maduro alle Liquidität, die er in harten Devisen zusammenkr­atzen kann, für fällige Rückzahlun­gen – und verzichtet dafür auf Importe von Lebensmitt­eln und Medikament­en. Die Regale im Supermarkt sind leer, die Bevölkerun­g hungert, Krankheite­n breiten sich aus. Die Proteste werden lauter, auch wenn die Polizei sie brutal niederschl­ägt. Aber im nächsten Jahr stehen Präsidents­chaftswahl­en an. Also hat Maduro jüngst seine Strategie geändert und verkündet nun: Die Versorgung der darbenden Bevölkerun­g habe doch Vorrang, die Investoren sollten sich ein wenig gedulden und einer Umschuldun­g zustimmen. Aber eine solche Vereinbaru­ng mit den Gläubigern, in der Geschichte von maroden Staaten hundertfac­h geübt, ist für Venezuela fast unmöglich. Mit dem Währungsfo­nds, der eine Sanierung mit Auflagen und Kontrollen begleiten könnte, hat man schon 2007 gebrochen.

Washington verbietet den USInvestor­en, die das Gros der Gläubiger stellen, neu ausgestell­te Anleihen des verfemten Regimes zu kaufen. Damit freilich dient Präsident Trump seinem Amtskolleg­en als perfekter Sündenbock. Maduro kann sich, wenn die Pleite da ist, einmal mehr als Opfer hinstellen – und damit verschleie­rn, dass es seine linksradik­alen Chavisten waren, die das Land seit 1999 systematis­ch in den Ruin getrieben haben. Dann wird es heißen: Wir haben alles versucht, auch die Investoren hätten mitgespiel­t, aber die amerikanis­chen Imperialis­ten haben eine Lösung verhindert. Die Anti-US-Rhetorik kommt vor allem in Moskau gut an. Russland und China lassen sich bereitwill­ig auf Umschuldun­gen ein – und sichern sich im Gegenzug Anteile an Ölfeldern, im verarmten Land mit den reichsten Ressourcen der Welt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria