Karin Kneissl: „Ich bin bereit, Außenministerin zu werden“
Regierungsbildung. Die parteilose Nahost-Expertin und Publizistin Karin Kneissl erklärt der „Presse“, dass ihr FPÖ-Chef Strache das Außenministeramt in einer schwarz-blauen Regierung angetragen hat.
Wien. Seit Tagen geht das Gerücht in Wien herum, jetzt bestätigte es die Publizistin Karin Kneissl selbst: „FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat mich eine Woche nach der Wahl gefragt, ob ich Außenministerin werden will. Und ja, ich möchte dieses Angebot als Unabhängige annehmen“, erklärte die Ex-Diplomatin auf Anfrage der „Presse“. Noch sei zwischen FPÖ und ÖVP nicht alles ausverhandelt. Doch Kneissl bekennt offen: „Ich bin bereit, Außenministerin zu werden.“
Sie habe sich lang bedeckt gehalten. Doch nun, da die Spatzen es von den Dächern pfeifen, sehe sie keinen Sinn mehr darin, ein Geheimnis daraus zu machen, sagte Kneissl. „Für mich wäre es ein Dienst an der Republik.“
In ÖVP-Verhandlerkreisen gab man sich über Kneissls Vorpreschen verwundert: Es sei noch nicht über Personalfragen und die Ressortaufteilung in einer etwaigen Koalition mit der FPÖ gesprochen worden, hieß es gegenüber der „Presse“.
Strache hatte der parteilosen Außenpolitikexpertin Karin Kneissl schon einmal eine verlockende Offerte unterbreitet. Er wollte sie Anfang 2016 zur Präsidentschaftskandidatin der FPÖ küren. Doch damals winkte Kneissl ab. Sie zog, wie sie auf ihrer Homepage eingesteht, ihre „geistige Unabhängigkeit“der Aussicht auf das höchste Amt im Staat vor.
Rückkehr ins Außenministerium
Diesmal jedoch möchte die 52-Jährige gestalten. „Ich kann nicht einer Regierung in ein paar Monaten in einem Vortrag empfehlen, welche Außenpolitik sie verfolgen soll, wenn ich selbst das Angebot ausgeschlagen habe, Außenministerin dieser Regierung zu werden“, sagte Kneissl zur „Presse“.
Für die ausgebildete Juristin und Arabistin wäre es eine Rückkehr ins Außenministerium. Acht Jahre, von 1990 bis 1998, verbrachte sie im diplomatischen Dienst. Sie arbeitete unter anderem in der politischen Sektion, im Völkerrechtsbüro und 1993 auch im Kabinett des damaligen Außenministers, Alois Mock. Danach war sie auf Auslandsposten in Paris und Madrid. Schließlich warf sie die diplomatische Karriere hin. „Aus vielen Gründen“, wie sie im Rückblick sagt. Eine Ursache nennt sie jedoch explizit: Die damalige Parteipolitik im Außenministerium habe ihr nicht behagt.
Vor 19 Jahren machte sich Kneissl deshalb selbstständig. Eine Zeit lang schrieb sie als Slowenien-Korrespondentin für die „Presse“und als Energieexpertin für die deutsche „Welt“. Zusätzlich unterrichtete sie an der Universität Wien (1995–2004), der Diplomatischen Akademie (seit 2000), an der European Business School im Rheingau in Hessen (seit 2007) und in Beirut. Inhaltlich zog es Kneissl immer wieder in den Nahen Osten. Zwei ihrer sieben Bücher beschäftigen sich mit dieser Region. Sprachlich wäre sie wie keiner ihrer Vorgänger für das Außenministeramt gewappnet. Kneissl spricht außer Englisch und Französisch auch Arabisch, Italienisch und Spanisch sowie in Grundzügen Ungarisch und Hebräisch.
Der Öffentlichkeit ist sie durch ihre eloquenten Expertenauftritte im Fernsehen bekannt. Strache ließ ihre Popularitätswerte vor dem Präsidentschaftswahlkampf abtesten – und wollte sie deshalb auf den Schild heben. Danach erwog der FPÖ-Chef die ehemalige ÖVP-Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel der Wiener Innenstadt als Kandidatin. Doch die Partei rebellierte, und deshalb schickte Strache letztlich einen aus dem Herzen der FPÖ ins Rennen: den Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer.
Auch diesmal sind möglicherweise nicht alle an der FPÖ-Basis begeistert, dass eine Unabhängige ein Regierungsamt bekleiden soll. Strache erhob zuletzt im TV-Sender Oe24 Anspruch auf das Außenamt. Doch die Optionen hat der Bundespräsident zuletzt eingeschränkt. Wie „Die Presse“berichtete, hat Alexander Van der Bellen vergangene Woche vor 27 Botschaftern aus EU-Staaten erklärt, dass er zwei FP-Spitzenpolitiker nicht als Minister angeloben werde: den Wiener Vize-Bürgermeister Johann Gudenus und den EU-Abgeordneten Harald Vilimsky. Beide sitzen – gemeinsam mit Karin Kneissl – im Verhandlungsteam der FPÖ, das die außenpolitischen Leitlinien einer schwarz-blauen Koalition festlegen soll. Kneissl muss keinen Einspruch aus der Hofburg befürchten. Sie ist parteilos und proeuropäisch.
Früher Gemeinderätin in Seibersdorf
Politisch hat die ehemalige Diplomatin nur wenig Erfahrung. Sie war von 2005 bis 2010 Gemeinderätin im niederösterreichischen Seibersdorf – als unabhängige Kandidatin einer ÖVP-Liste. Dort, an der Leitha, lebt sie auch seit 1998, seit dem – vorläufigen – Ende ihrer Außenamtskarriere.