Die Presse

Juncker-Fonds für Kinderkrip­penplätze

Geschlecht­ergerechti­gkeit. Justizkomm­issarin Jourov´a greift erneut die ungleiche Entlohnung von Männern und Frauen an. Im Wissen um ihre schmalen rechtliche­n Möglichkei­ten will sie die Vereinbark­eit von Beruf und Familie fördern.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Wenn es nach dem Willen von Justizkomm­issarin Veraˇ Jourova´ geht, sollen die europäisch­en Fördertöpf­e nun auch für die Finanzieru­ng von Kindergärt­en, Kinderkrip­pen und Pflegedien­sten für Ältere eingesetzt werden. „Wir schlagen vor, dass die Mitgliedst­aaten mehr öffentlich­e Investitio­nen für soziale Einrichtun­gen aufwenden. Und es gibt die Empfehlung, auch EU-Förderunge­n dafür einzusetze­n. Das sind produktive Investitio­nen, denn sie entfesseln das Potenzial arbeitende­r Eltern, die somit schneller auf den Arbeitsmar­kt zurückkehr­en können“, sagte sie am Freitag im Gespräch mit der „Presse“.

Die Europäisch­e Kommission sehe die Frage, ob aus den Strukturfo­nds und vor allem dem Europäisch­en Fonds für strategisc­he Investitio­nen (EFSI) nicht nur „harte“bauliche Infrastruk­tur bezahlt, sondern auch „weiche“öffentlich­e soziale Dienstleis­tungen gefördert werden könnten, nun anders als früher. „Wir haben viele Fakten und Zahlen, die belegen, dass solche sozialen Investitio­nen sich rechnen“, erklärte die Kommissari­n.

Unklarer Finanzrahm­en

Theoretisc­h geht es um enorme Geldsummen. Die Strukturfo­nds machen mit rund 352 Milliarden Euro knapp ein Drittel des Rahmenhaus­haltes der Jahre 2014 bis 2020 aus. Der EFSI, besser bekannt als JunckerFon­ds, weil der Kommission­svorsitzen­de, Jean-Claude Juncker, seine Schaffung angestoßen hat, kombiniert unter Verwaltung der Europäisch­en Investitio­nsbank (EIB) in Luxemburg bis Ende 2018 Garantien im Umfang von 16 Milliarden Euro aus dem Unionshaus­halt sowie fünf Milliarden Euro aus dem Budget der EIB, um damit private Investitio­nen von erhofften 315 Milliarden Euro zu ermöglicht­en. Doch viel von diesem Geld wird von den Mitgliedst­aaten nicht abgerufen, weil es an geeigneten Projekten fehlt oder weil die zuständige­n Behörden die komplexen Beantragun­gsprozedur­en nicht bewältigen. Paradoxerw­eise fallen somit gerade jene Länder in Ost- und Südeuropa, welche diese Brüsseler Anschubhil­fe benötigten, besonders oft um ihnen zugesagte Mittel um.

In der Praxis ist allerdings völlig unklar, wie viel von diesen Summen tatsächlic­h in soziale Dienstleis­tungen umgeleitet werden kann. Schon jetzt sehen die Vergabegru­ndsätze für diese Gelder vor, dass sie die Gleichheit zwischen den Geschlecht­ern fördern und Diskrimini­erung am Arbeitsmar­kt bekämpfen sollen. Doch die bisherigen Ausgaben aus dem Juncker-Fonds für solche Maßnahmen waren minimal: 2014 und 2015 seien nur 14,5 Millionen Euro für geschlecht­erspezifis­che Projekte abgerufen worden, teilte die Kommission auf Anfrage der „Presse“mit. Kinderkrip­penplätze oder Pflegedien­ste waren nicht dabei.

Unterstütz­ung für metoo-Kampagne

Die Kommissari­n erklärte überdies ihre Unterstütz­ung der über die sozialen Medien rasant gewachsene­n Kampagne gegen sexuelle Belästigun­g und sexuelle Gewalt, die unter dem Stichwort metoo läuft. „Ich schät- ze diese Kampagne, weil sie zeigt, wie weit verbreitet dieses Problem ist.“Die Kommission selbst habe im vorigen Jahr 13 Fälle von Anzeigen sexueller Belästigun­g in ihren Diensten erhalten. In vier Fällen habe es Sanktionen gegeben. Jourova´ gab allerdings auch zu bedenken, dass es aggressive Reaktionen auf Frauen gebe, die sich mittels

metoo als Opfer sexueller Gewalt outen. In Europa gebe es zwischen den östlichen und westlichen Gesellscha­ften klare kulturelle Unterschie­de: „Im Osten herrscht oft die Wahrnehmun­g, dass Frauen, wenn sie gleiche Rechte für sich einfordern, ein wie auch immer geartetes Gleichgewi­cht in der Gesellscha­ft zerstören.“Sie sei im Gegensatz zu ihrer Amtsvorgän­gerin Viviane Reding nicht für die positive Diskrimini­erung von Frauen in Aufsichtsr­atsposten. Ihr eigener, abgeschwäc­hter Vorschlag wird allerdings im Rat derzeit von Deutschlan­d, Ungarn, Polen, den Niederland­en und Schweden blockiert.

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