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Nach dem Scheitern der Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition geht CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Offensive. Sie strebt Neuwahl an und steht als Spitzenkandidatin bereit.
Berlin. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel strebt nach dem Scheitern der Sondierungen einer „Jamaika“-Koalition eine Neuwahl an. „Dies wäre der bessere Weg als eine Minderheitsregierung“, sagte Merkel am Montagabend in der ARD-Sendung „Brennpunkt“. Sie wolle dann wieder als Kanzlerkandidatin antreten. Merkel verwies darauf, dass sie im Wahlkampf zugesichert habe, das Amt der Bundeskanzlerin für volle vier Jahre zu übernehmen. Das sei gerade einmal zwei Monate her und deshalb wäre es sehr komisch, wenn sie den Wählern nun allein aufgrund der FDP-Entscheidung sage: „Das gilt nicht mehr.“
Deutschland habe sehr viele Aufgaben zu bewältigen, sagte Merkel. Daher wolle sie keine Regierung, die von der rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland“(AfD abhängig sei.
Merkel dachte nicht an Rücktritt
In der ZDF-Sendung „Was nun, Frau Merkel?“erklärte die Kanzlerin, sie habe nach dem Abbruch der Gespräche nicht an Rücktritt gedacht. „Nein, das stand nicht im Raum. Ich glaube, Deutschland braucht nun Stabilität.“Auf die Frage, ob sie persönlich in den Gesprächen mit CSU, FDP und Grünen Fehler gemacht habe, antwortete sie in der ARD: „Nein“. Merkel erklärte weiter: „Ich habe das getan, was ich konnte. Nach meiner Wahrnehmung waren wir wirklich auf der Zielgeraden.“Dafür, dass die FDP aus den Gesprächen aussteigen könnte, habe es schon am Sonntagvormittag Anzeichen gegeben.
Montagmittag hatte sich die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel im Schloss Bellevue mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier getroffen. Zwölf Stunden lag ihre schwerste Niederlage zu- rück, das Platzen der Sondierungen einer Koalition aus CDU-CSU-FDP-Grünen, vulgo Jamaika. In Europa machte sich sofort Nervosität breit wegen der Aussicht, dass die größte Volkswirtschaft des Kontinents für Monate nicht regiert, nur verwaltet wird - von einer geschäftsführenden Kanzlerin, wie sich das nennt.
Steinmeier gegen Neuwahl
Ein gewichtiges Wort hat dabei auch der Bundespräsident mitzureden. So sieht es das Grundgesetz vor. Am frühen Nachmittag, nach dem Besuch der Kanzlerin, trat Steinmeier mit ernster Miene vor die Presse. Das Wort „Neuwahl“nahm er nicht in den Mund. Noch immer war er entschlossen, alles zu unternehmen, um das zu verhindern.
„Das ist der Moment, in dem alle Beteiligten noch einmal innehalten und ihre Haltung überdenken sollten“, sagte Steinmeier. Der Ex-SPD-Chef redete den Parteien ins Gewissen: „Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht davor drücken, wenn man sie in den Händen hält.“Steinmeier, der Ex-SPD-Chef zielte dabei auch auf seine Genossen, die noch am Wahlabend eine Große Koalition unter dem Beifall ihrer Anhänger ausgeschlossen hatten. Am Montagnachmittag bekräftigte der sozialdemokratische Bundesvorstand den Beschluss einstimmig und recht eindeutig: Die SPD stehe für eine Große Koalition nicht zur Verfügung.
CSU-Chef Seehofer hatte zunächst dennoch auf eine Große Koalition gehofft. „Wir werden trotzdem auf die SPD zugehen. Wir sollten die SPD zu Gesprächen einladen“, sagte der schwer angezählte Ministerpräsident Bayerns. Später begrüßte er die Ankündigung Merkels, als Spitzenkandidatin der Union in Neuwahlen zu ziehen.
Bundespräsident Steinmeier hatte nur kurze Zeit davor erklärt, er werde „Gespräche mit den Vorsitzenden von Parteien suchen, bei denen programmatische Schnittmengen eine Regierungsbildung nicht ausschließen“. Gemeint war damit die SPD. Die Sozialdemokraten waren nach der letzten Großen Koalition unter Merkel auf 20,5 Prozent zusammengeschrumpft. Es war das historisch schlechteste Ergebnis.
Eine Neuwahl kommt für die Partei trotzdem zur Unzeit: Die SPD steckt mitten in einem inhaltlichen und personellen Neuaufstellung. Schulz ist angeschlagen. Er ließ am Montag offen, ob er selbst als Spitzenkandidat antreten würde. Nur so viel: „Wir scheuen Neuwahlen nicht.“
Schwieriger neuer Weg
Statt einer „Jamaika“-Koalition zu Weihnachten könnte es nun eine Neuwahl rund um die Osterfeiertage geben, spekulierte der Grüne Jürgen Trittin. Der Weg dorthin ist aber langwierig und kompliziert. Das Grundgesetz will es so. Das Parlament kann sich nicht selbst auflösen. Und Merkel nicht die „Vertrauensfrage“stellen, wie das Helmut Kohl 1982 und Gerhard Schröder 2005 taten, um die gewünschten Neuwahlen herbeizuführen.
Zuerst muss also auf Vorschlag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ein neuer Bundeskanzler gewählt werden. Im ersten und zweiten Durchgang braucht es dann eine absolute, erst im dritten Durchgang reicht eine einfache Mehrheit. Dann liegt der Ball wieder bei dem Bundespräsidenten: Er kann den Bundestag auflösen. Es gäbe dann binnen 60 Tagen Neuwahlen.