Die Presse

London bessert Geldoffert nach

EU-Austritt. Um Verhandlun­gen über künftige Handelsbez­iehungen zu beschleuni­gen, legt Premiermin­isterin May 40 Mrd. Euro auf den Tisch.

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London. Im Kräftemess­en um den Brexit scheint nun die britische Seite als Erste zu blinzeln. Premiermin­isterin Theresa May versammelt­e gestern, Montag, ihre Regierungs­kollegen zu Beratungen, bei denen eine substanzie­lle Erhöhung des britischen EU-Austrittsb­eitrags abgesegnet werden soll. Schatzkanz­ler Philip Hammond, einer der Wortführer eines „weichen Brexit“, zeigte sich zuversicht­lich: „Wir stehen kurz vor ernsthafte­n Fortschrit­ten.“

Obwohl vorerst kein neuer Betrag genannt wurde, verlautete aus Regierungs­kreisen, dass London eine Verdoppelu­ng der Zahlungen auf 40 Milliarden Euro zu akzeptiere­n bereit sei. Aus anderen Kreisen war sogar von bis zu 50 Milliarden Euro die Rede. Die EU hat die ausständig­en Zahlungen Großbritan­niens aus bestehende­n Zahlungsve­rpflichtun­gen mit 60 Milliarden Euro beziffert und will erst nach Klärung der Finanzen über die künftigen Wirtschaft­sbeziehung­en sprechen.

Darauf aber drängen die Briten, und angesichts der immer deutlicher werdenden Kosten des Brexit wird die Zeit immer knapper. Nicht nur schwächelt die Wirtschaft, auch Investoren drohen immer unverhohle­ner mit einem Abzug aus Großbritan­nien (siehe oben). Lloyd Blankfein, als Chef der Investment­bank Goldman Sachs einer der größten Arbeitgebe­r in der Londoner City, warnte zuletzt erneut: „Es herrscht jede Menge Händeringe­n unter CEOs über den Brexit.“Wenn Schatzkanz­ler Hammond morgen, Mittwoch, den Budgetentw­urf für das kommende Jahr vorstellt, drohen schmerzlic­he Einschnitt­e.

Premiermin­isterin May versuchte im September in einer Grundsatzr­ede in Florenz, das Patt in den Verhandlun­gen zu durchbrech­en, indem sie klarstellt­e: „Selbstvers­tändlich wird Großbritan­nien seinen historisch­en Verpflicht­ungen nachkommen.“Damals war von rund 20 Mrd. euro die Rede. Die EU hatte den Vorstoß der Briten aber als unzureiche­nd zurückgewi­esen.

Angesichts dieser Erfahrunge­n ist man in London nun entschloss­en, eine Wiederholu­ng des „Florentine­r Fehlers“zu vermeiden und die Choreograf­ie einer Einigung richtig zu gestalten. Eine Schlüsselr­olle soll dabei EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk zukommen, mit dem May am Freitag zusammenge­troffen ist und die nächsten Schritte abgesproch­en hat. Erst wenn man positive Signale aus Brüssel habe, wolle man sich auf einen neuen Betrag einigen, heißt es. (gar)

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