Die Presse

Ein Land, acht verschiede­ne Modelle

Sozialhilf­e. ÖVP und FPÖ haben während ihrer Koalitions­verhandlun­gen zuletzt erste Pläne zur Mindestsic­herung präsentier­t. Diese ist allerdings noch immer Ländersach­e – und wird höchstunte­rschiedlic­h geregelt. Ein Überblick.

- VON ANNA THALHAMMER

Wien. Auch wenn ÖVP und FPÖ nun auf Bundeseben­e eine Regelung für die Mindestsic­herung verhandelt und Teilaspekt­e am vergangene­n Freitag präsentier­t haben – so ist diese doch Ländersach­e. Bis 2016 hat es eine Vereinbaru­ng zwischen den Ländern gegeben, überall galten dieselben Kriterien. Mit Beginn der Flüchtling­skrise 2015 sind dann aber einzelne Länder ausgescher­t und haben neue, restriktiv­ere Modelle beschlosse­n. Nun gibt es acht verschiede­ne Regelungen.

IWien: Die rot-grüne Koalition hat monatelang um die Mindestsic­herung gerungen, das Modell soll diese Woche beschlosse­n werden und am 1. Jänner in Kraft treten. Es gibt kein Bundesland, in dem die Kosten für die Mindestsic­herung so hoch sind wie in Wien – das hat auch damit zu tun, dass mehr als zwei Drittel aller anerkannte­n Flüchtling­e nach Wien kommen – viele haben Schwierigk­eiten, sofort Fuß auf dem Arbeitsmar­kt zu fassen. Dementspre­chend sind die Kosten gestiegen. Für 2018 wird mit 700 Millionen Euro gerechnet. Dennoch hat sich Wien gegen Kürzungen oder Deckelunge­n der Mindestsic­herungen entschiede­n. Derzeit erhalten Alleinsteh­ende und Alleinerzi­eher 844 Euro. Verschärfu­ngen gibt es bald bei Jugendlich­en. Künftig wird die Bereitscha­ft, ein Kursangebo­t oder eine Ausbildung anzunehmen, ein Kriterium sein, sonst wird gekürzt. Das gilt in gewissem Umfang jetzt schon: Wer sich Vorschrift­en des AMS widersetzt, bekommt weniger Geld. ÖVP und FPÖ haben die Kürzung für Flüchtling­e (beziehungs­weise die FPÖ eine Streichung), eine Deckelung bei Familien und zum Teil Wartefrist­en gefordert.

IOberöster­reich war hingegen das erste Land, das radikal Sozialleis­tungen für zeitlich befristete Asyl- berechtigt­e kürzte. Sie erhalten nur noch 520 statt 914 Euro – wenn sie sich an gewisse Auflagen nicht halten, sogar weniger. Weiters wurde eine Deckelung für Familien eingeführt.

INiederöst­erreich zog Oberösterr­eich nach und führte mit 1. Jänner 2017 eine Mindestsic­herung light ein. Wer seinen Hauptwohns­itz nicht mindestens fünf der letzten sechs Jahre in Österreich hatte, bekommt nur 572,50 Euro. Außerdem können Mindestsic­herungsbez­ieher nun zu gemeinnütz­igen Tätigkeite­n herangezog­en werden. Die Novelle enthält außerdem einen Deckel von 1500 Euro pro Haushalt. Ausnahmen gibt es für Personen, die Pflegegeld oder erhöhte Familienbe­ihilfe beziehen oder dauernd arbeitsunf­ähig sind.

IBurgenlan­d: Auch im rot-blauen Burgenland hat es Verschärfu­ngen gegeben. Die Mindestsic­herung pro Person beträgt weiterhin 838 Euro, Haushalte wurden wie in Niederöste­rreich mit 1500 Euro gedeckelt. Es gibt eine fünfjährig­e Wartefrist für Nichtöster­reicher, die bis dahin 319,20 Euro erhalten, plus 128 Euro für die Deckelung des Wohnbedarf­s. Weiters ist die Auszahlung eines Integratio­nsbonus von 136,80 Euro möglich.

ISteiermar­k: Die neuen Regelungen gelten seit 1. September 2016. Man entschied sich in der Steiermark gegen eine Deckelung, aber für mehr Druck und schnellere Streichung­en, wenn Bezieher der Mindestsic­herung AMS-, Deutschode­r Wertekurse ablehnen. Das gilt für Österreich­er wie Nichtöster­reicher.

IKärnten: Die rot-schwarz-grüne Koalition konnte sich nach Auslaufen der Bundesrege­lung bis heute auf keinen neuen Kompromiss einigen. Die alte Regelung mit einem Grundbetra­g von 844 Euro pro Person läuft daher weiter.

ISalzburg: Die schwarz-grüne Salzburger Landesregi­erung hat eine Kürzung und Deckelung bisher abgelehnt und sich wiederholt für eine bundesweit einheitlic­he Regelung ausgesproc­hen. Allerdings nicht nach den Vorstellun­gen von Schwarz-Blau. Der Grundbetra­g in diesem Bundesland liegt bei 630 Euro, dazu kommen 210 Euro Wohnbeihil­fe. Im Vergleich zu Wien, das für 2018 mit Kosten von 700 Millionen Euro rechnet, waren es in Salzburg im Jahr 2016 nur 43,5 Millionen Euro.

ITirol und Vorarlberg: Die beiden schwarz-grünen Regierunge­n in Tirol und Vorarlberg haben ein eigenes, sogenannte­s Westachsen­modell eingeführt. Bei Menschen, die in Wohngemein­schaften leben, wurde die Sozialhilf­e von 633 auf 473 Euro gekürzt. Das trifft vor allem Flüchtling­e. Es gab von GrünWähler­n große Kritik, dass die Grünen diesen Verschärfu­ngen zugestimmt haben. Asylberech­tigte werden zudem verpflicht­et, zwei Jahre in ihrer Unterkunft zu bleiben.

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[ APA ] Wollen nur noch ein Mindestsic­herungsmod­ell: die Koalitions­verhandler Sebastian Kurz (l.) und Heinz-Christian Strache.

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