Kurz und Strache – jenseits von Jamaika
Die Koalitionsverhandler in Wien haben es nun besonders eilig und wollen Mitte Dezember fertig sein. Einige Personalien zeichnen sich bereits ab.
Zwischen Deutschland und Österreich bahnt sich ein kleines Fernduell um die schnellere Regierungsbildung an. Ausgerechnet jetzt, da in Berlin ein Jamaika-Bündnis geplatzt ist, stellen sich die Verhandler in Wien auf eine besonders arbeitsintensive Woche ein. Bis Freitag seien fast 30 Fachgruppensitzungen geplant, hieß es am Montag aus ÖVP und FPÖ. Bis dann wolle die Steuerungsgruppe Zwischenberichte aller Gruppen auf dem Tisch haben.
Die ersten konkreten Ergebnisse sind allerdings erst seit Freitag bekannt. Da kündigten ÖVP-Chef Sebastian Kurz und FPÖ-Obmann HeinzChristian Strache massive Verschärfungen im Asylwesen und eine „Mindestsicherung light“für Asylberechtigte (siehe Bericht oben) an. Ansonsten beschränkte man sich bisher auf detailbefreite „Metaziele“wie die Fusion von Sozialversicherungsträgern.
Spätestens zu Weihnachten wolle man fertig sein, wiederholte Nationalratspräsidentin Elisabeth Köstinger am Montag. Inoffiziell wird in der ÖVP jedoch Mitte Dezember anvisiert, nämlich die Woche ab dem 11. Davor gibt es um den 8. Dezember ein verlängertes Wochenende, an dem die finalen Details geklärt werden könnten. Dann wird sich auch weisen, ob Köstinger im Parlament bleibt oder ins Kabinett Kurz wechselt. Stand Montag: Das hänge von den Ressorts ab, die man bekomme, und vom Frauenanteil – der unter Umständen noch zum Problem für Kurz werden könnte. Denn der ÖVP-Chef setzt auf Personen aus seinem engsten Umfeld. Und dort gibt es einen klaren Männerüberhang.
Eine, die Kurz gern in die Regierung holen würde, ist Bettina GlatzKremsner, Vizeparteichefin und wie Köstinger Mitglied der türkisen Steuerungsgruppe. Die Casinos- und Lotte- rien-Chefin sei aber noch unentschlossen, heißt es aus der ÖVP.
Sollte Köstinger in die Regierung wechseln, wäre Wolfgang Sobotka ihr Ersatzmann im Parlament. Dem Innenminister hat Kurz einen lukrativen Job versprochen. Den des Klubchefs soll Sobotka – zugunsten von August Wöginger – abgelehnt haben. Bleibt Köstinger am Ende doch Nationalratspräsidentin, darf er sich Hoffnungen auf ein Ministerium machen.
Bei ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel und Generalsekretär Stefan Steiner zeichnet sich schon eher ab, wo sie nach den Koalitionsverhandlungen landen werden: im Kanzleramt. Blümel soll Minister oder Staatssekretär unter Kurz werden und es bis zur Wien-Wahl im Herbst 2020 bleiben. Der öffentlichkeitsscheue Steiner dürfte Kurz’ Kabinettschef werden. Diese Arbeitsaufteilung hat sich im Integrationsstaatssekretariat bewährt.
Die FPÖ treibt einstweilen den Preis in den Verhandlungen hoch und fordert neben dem Innen- jetzt auch das Außenministerium. Straches Wunschkandidatin ist die Publizistin Karin Kneissl. Er selbst probte am Freitag schon für das Innenministerium, indem er der Exekutive frisches Personal und ein neues Besoldungsrecht in Aussicht stellte. Norbert Hofer wird sich wohl mit dem Infrastrukturministerium begnügen müssen, wenn Generalsekretär Herbert Kickl – wie gewünscht – das Sozialministerium bekommt. Klubchef könnte dann Justizsprecher Walter Rosenkranz werden.
Generell scheint die FPÖ weniger Zeitdruck zu verspüren. In der ÖVP vermutet man nicht nur strategische, sondern auch pragmatische Motive dahinter: Die Freiheitlichen hätten nicht so viele Experten, dementsprechend öfter kämen die Leute in den Koalitionsverhandlungen zum Einsatz. Manche Fachgruppensitzung findet deshalb von 22 bis 24 Uhr statt.
Gernot Blümel soll Minister oder Staatssekretär im Kanzleramt werden – und bis zur Wien-Wahl 2020 bleiben.