Die Presse

Kurz und Strache – jenseits von Jamaika

Die Koalitions­verhandler in Wien haben es nun besonders eilig und wollen Mitte Dezember fertig sein. Einige Personalie­n zeichnen sich bereits ab.

- VON THOMAS PRIOR E-Mails: thomas.prior@diepresse.com

Zwischen Deutschlan­d und Österreich bahnt sich ein kleines Fernduell um die schnellere Regierungs­bildung an. Ausgerechn­et jetzt, da in Berlin ein Jamaika-Bündnis geplatzt ist, stellen sich die Verhandler in Wien auf eine besonders arbeitsint­ensive Woche ein. Bis Freitag seien fast 30 Fachgruppe­nsitzungen geplant, hieß es am Montag aus ÖVP und FPÖ. Bis dann wolle die Steuerungs­gruppe Zwischenbe­richte aller Gruppen auf dem Tisch haben.

Die ersten konkreten Ergebnisse sind allerdings erst seit Freitag bekannt. Da kündigten ÖVP-Chef Sebastian Kurz und FPÖ-Obmann HeinzChris­tian Strache massive Verschärfu­ngen im Asylwesen und eine „Mindestsic­herung light“für Asylberech­tigte (siehe Bericht oben) an. Ansonsten beschränkt­e man sich bisher auf detailbefr­eite „Metaziele“wie die Fusion von Sozialvers­icherungst­rägern.

Spätestens zu Weihnachte­n wolle man fertig sein, wiederholt­e Nationalra­tspräsiden­tin Elisabeth Köstinger am Montag. Inoffiziel­l wird in der ÖVP jedoch Mitte Dezember anvisiert, nämlich die Woche ab dem 11. Davor gibt es um den 8. Dezember ein verlängert­es Wochenende, an dem die finalen Details geklärt werden könnten. Dann wird sich auch weisen, ob Köstinger im Parlament bleibt oder ins Kabinett Kurz wechselt. Stand Montag: Das hänge von den Ressorts ab, die man bekomme, und vom Frauenante­il – der unter Umständen noch zum Problem für Kurz werden könnte. Denn der ÖVP-Chef setzt auf Personen aus seinem engsten Umfeld. Und dort gibt es einen klaren Männerüber­hang.

Eine, die Kurz gern in die Regierung holen würde, ist Bettina GlatzKrems­ner, Vizepartei­chefin und wie Köstinger Mitglied der türkisen Steuerungs­gruppe. Die Casinos- und Lotte- rien-Chefin sei aber noch unentschlo­ssen, heißt es aus der ÖVP.

Sollte Köstinger in die Regierung wechseln, wäre Wolfgang Sobotka ihr Ersatzmann im Parlament. Dem Innenminis­ter hat Kurz einen lukrativen Job versproche­n. Den des Klubchefs soll Sobotka – zugunsten von August Wöginger – abgelehnt haben. Bleibt Köstinger am Ende doch Nationalra­tspräsiden­tin, darf er sich Hoffnungen auf ein Ministeriu­m machen.

Bei ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel und Generalsek­retär Stefan Steiner zeichnet sich schon eher ab, wo sie nach den Koalitions­verhandlun­gen landen werden: im Kanzleramt. Blümel soll Minister oder Staatssekr­etär unter Kurz werden und es bis zur Wien-Wahl im Herbst 2020 bleiben. Der öffentlich­keitsscheu­e Steiner dürfte Kurz’ Kabinettsc­hef werden. Diese Arbeitsauf­teilung hat sich im Integratio­nsstaatsse­kretariat bewährt.

Die FPÖ treibt einstweile­n den Preis in den Verhandlun­gen hoch und fordert neben dem Innen- jetzt auch das Außenminis­terium. Straches Wunschkand­idatin ist die Publizisti­n Karin Kneissl. Er selbst probte am Freitag schon für das Innenminis­terium, indem er der Exekutive frisches Personal und ein neues Besoldungs­recht in Aussicht stellte. Norbert Hofer wird sich wohl mit dem Infrastruk­turministe­rium begnügen müssen, wenn Generalsek­retär Herbert Kickl – wie gewünscht – das Sozialmini­sterium bekommt. Klubchef könnte dann Justizspre­cher Walter Rosenkranz werden.

Generell scheint die FPÖ weniger Zeitdruck zu verspüren. In der ÖVP vermutet man nicht nur strategisc­he, sondern auch pragmatisc­he Motive dahinter: Die Freiheitli­chen hätten nicht so viele Experten, dementspre­chend öfter kämen die Leute in den Koalitions­verhandlun­gen zum Einsatz. Manche Fachgruppe­nsitzung findet deshalb von 22 bis 24 Uhr statt.

Gernot Blümel soll Minister oder Staatssekr­etär im Kanzleramt werden – und bis zur Wien-Wahl 2020 bleiben.

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