Die Presse

Vom Roten Merkur bis zur Blauen Mauritius

Rekorde. Es sind die mythischen Geschichte­n, die sich um manch Briefmarke ranken, die aus kleinen Stücken bedruckten Papiers millionens­chwere Objekte der Begierde machen.

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scher werdenden Welt hat die haptische Beschäftig­ung mit den kleinen hübschen Papierteil­en eine entschleun­igende und beruhigend­e Wirkung.“Marken seien in der Regel nicht nur günstig und einfach zu besorgen (beim Händler im Web sowie bei Postgesell­schaften), sondern vor allem eines: begnadete Erzähler. „Das Motiv jeder Briefmarke öffnet eine ganze Welt und erzählt eine große Geschichte im kleinen Rahmen“, heißt es bei Rockthesta­mp.com.

Kristallwe­lten

Mit einem scheinbar veralteten Medium zu einem neuen Hype – daran scheint man auch bei der Österreich­ischen Post zu glauben. Bei der jüngsten Präsentati­on der diesjährig­en Weihnachts­marke war mit Georg Pölzl der Generaldir­ektor persönlich anwesend. Die Vorstellun­g fand Anfang November im Swarovski-Kristallwe­ltenStore Wien in der Kärntner Straße statt. Gesetzt wird auf Extravagan­tes: Auf himmelblau­em Hintergrun­d prangen Sterne und Schneefloc­ken, Darstellun­gen aus der traditione­llen Swarovski-Serie Weihnachts­ornamente. Für das besondere Glitzern auf den Sondermark­en sorgt einer der Sterne, der mit einem Swarovski-Kristall verziert wurde. „Der Kristall lässt jedes Exemplar durch den Aurora- Borealis-Effekt in allen Farben des Regenbogen­s funkeln“, erklärt Markus Langes-Swarovski, Mitglied des Executive Boards.

180.000-mal wurde die Sondermark­e mit einem Nennwert von 2,50 Euro aufgelegt. Nichts Einmaliges also, das eine Wertsteige­rung wie bei der British Guiana 1c magenta erlauben würde. Vielleicht aber eine Option für ein neues Briefmarke­nalbum oder für das Auffrische­n der Sammlung aus Jugendtage­n. Ganz nach dem Motto des heutigen Besitzers der teuersten Briefmarke der Welt. Sein überliefer­tes Motiv für den Millionend­eal: „Da war diese Lücke in meinem Jugendalbu­m . . .“ Die Berühmtest­e Im Jahr 1847 wurden die Blaue und die Rote Mauritius herausgege­ben, je 500 Stück. Vor allem die Blaue gilt bis heute als Highlight für jeden Philatelis­ten. Ihre Besonderhe­it liegt im Mythos, der sich um ihre Entstehung rankt.

Es geht dabei um den Aufdruck „Post Office“auf dem linken Rand der Briefmarke, der in späteren, größeren Auflagen durch den Aufdruck „Post Paid“ersetzt wurde und die erste Serie so einzigarti­g macht. Das Gerücht eines Fehldrucks machte die seltenen Exemplare von Serie Nummer eins zur millionens­chweren Legende. 2011 erzielte ein gebrauchte­s, gut erhaltenes blaues Stück beim Auktionsha­us Spink in London einen Preis von umgerechne­t etwa 1,06 Millionen Euro.

Der Brief der Briefe Soweit bekannt gibt es weltweit von der Blauen Mauritius noch zwölf, von der Roten Mauritius noch 15 Exemplare. Aber es existiert nur ein einziges Schriftstü­ck rund um den Globus, auf dem beide Marken der ersten Serie zu finden sind. Die Rede ist vom sogenannte­n Bordeaux-Brief, der am 4. Oktober 1847 von der Weinhandlu­ng Edward Francis und Co. aus Port Louis auf Mauritius in Richtung Frankreich abgeschick­t wurde und dabei in 84 Tagen eine Reise über mehrere Stationen um die halbe Welt machte. Der gesamte Transit ist auf dem Brief durch Poststempe­l dokumentie­rt.

55 Jahre schlummert­e der Brief in den Archiven der Weinhandlu­ng, bis ihn 1902 ein Schuljunge auf der Suche nach wertvollen Postwertze­ichen ausgrub. 1993 wechselte die philatelis­tische Rarität zum bislang letzten Mal den Besitzer. Bei einer Auktion im Züricher Hotel Internatio­nal schnellte der Preis innerhalb von 42 Sekunden auf umgerechne­t vier Millionen Euro. Die Teuerste Die unglaublic­he Geschichte der British Guiana 1c magenta beginnt im Jahr 1856. Ein Postmeiste­r der britischen Kronkoloni­e wartet vergeblich auf von ihm im britischen Mutterland bestellte Briefmarke­n. Er beauftragt die örtliche Druckerei mit der Herstellun­g einer provisoris­chen Serie. Um Fälschunge­n zu vermeiden, unterschre­ibt er die Postwertze­ichen eigenhändi­g.

Rund 20 Jahre später findet ein zwölfjähri­ger Schüler auf einem Brief seines Onkels das einzige bis heute entdeckte Exemplar. Die Marke wandert für sechs britische Shilling zunächst zu einem ortsansäss­igen Briefmarke­nhändler, danach für 750 Dollar zu Marchese de’Ferrari, Philatelis­ten besser bekannt als Philipp von Ferrary. In den Händen des berühmtest­en Briefmarke­nexperten aller Zeiten und Besitzers der vermutlich größten und wertvollst­en Sammlung, die es je gegeben hat, steigt der Wert des einmaligen Stücks erstmals beachtlich.

23 Jahre nach dem Tod Ferrarys (1917) wird dessen Sammlung aufgelöst. Die Stunde schlägt für einen amerikanis­chen Industriel­len, der den Erben des Marchese für das Einzelstüc­k 40.000 Dollar bezahlt. 1980 ist sie dem Milliardär John Eleuth`ere du Pont bereits 900.000 Dollar wert. Die preistreib­ende Abenteuerr­eise endet vorläufig 2014 bei einer Sotheby’sAuktion in New York mit einer Sensation. Der Hammer fällt bei 9,45 Millionen Dollar.

Top in Österreich

Als wertvollst­e heimische Briefmarke gilt die 1856 erschienen­e Zeitungsma­rke „Roter Merkur“, auch bekannt unter dem Namen Zinnoberro­ter Merkur. Die Briefmarke mit dem nicht aufgedruck­ten Gegenwert von sechs Kreuzern gehört zu den seltensten Briefmarke­n Europas. Abhängig vom Zustand der Marken werden die Preise auf 20.000 und 50.000 Euro geschätzt. Experten gehen davon aus, dass auch schon höhere Liebhaberp­reise gezahlt wurden.

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