Die Presse

„ Jamaika“-Aus lässt Börsen eher kalt

Börsenrepo­rt. Nach kurzem Schreck über das Scheitern der Regierungs­verhandlun­gen in Deutschlan­d drehte der DAX ins Plus. Vor allem VW legte dank besserer Prognosen kräftig zu.

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Wien. Politische Börsen haben kurze Beine, heißt eine Börsenweis­heit. So ließ die Brexit-Entscheidu­ng der Briten im Juni des Vorjahres die Aktienkurs­e kurz einbrechen, binnen weniger Tage erholten sie sich aber wieder. Der Schreck der Investoren nach der Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidente­n der USA währte nur ein paar Stunden, dann setzen die Indizes ihre Höhenflüge fort.

Auch nach dem Scheitern von Jamaika in Deutschlan­d – einer möglichen Regierung aus CDU/ CSU, FDP und Grünen – starteten die Börsen zwar im Minus, am Nachmittag lagen sie schon wieder im Plus, allen voran der Frankfurte­r Leitindex DAX, der wieder über die Marke von 13.000 Punkten kletterte. Grund: die robuste Konjunktur. Der Europa-Chefvolksw­irt der Nordea-Bank, Holger Sandte, meinte zum Platzen der JamaikaOpt­ion: „Der volkswirts­chaftliche Schaden dürfte gering sein, denn die Fundamenta­ldaten sind stark, und die Konjunktur hat viel Rückenwind.“

Energieakt­ien reagieren

„Wir erwarten nicht, dass es zu einer veritablen politische­n Krise beziehungs­weise zu einem nachhaltig­en Kurswechse­l in der deutschen Politik kommt“, sagte Volkswirt Jan Bottermann von der Esse- ner National-Bank. „Für die Märkte maßgeblich ist das gute internatio­nale Umfeld, das der deutschen Wirtschaft auch weiterhin ein kräftiges Wachstum bescheren wird.“Für Markus Huber vom Brokerhaus City of London wären Neuwahlen zudem nicht zwingend negativ. „Die Chancen stehen gut, dass Bundeskanz­lerin Angela Merkel ein besseres Ergebnis erzielt, da die deutsche Wirtschaft seit der Wahl im September so stark boomt wie seit Jahren nicht mehr.“

Durch die schwindend­e Aussicht auf eine grüne Regierungs­beteiligun­g könnte sich die geplante Stilllegun­g von Kohlekraft­werken verzögern, sagte ein Börsianer. Gleichzeit­ig werde der Ausbau der erneuerbar­en Energien langsamer vorankomme­n. Während die Papiere des Kohlekraft­werksbetre­ibers RWE deutlich zulegten, zählten jene des Windturbin­enbauers Nordex und des Solarzelle­nherstelle­rs SMA Solar zu den schwächste­n Titeln im Technologi­ewerteinde­x Tec DAX.

Andere starke Kursveränd­erungen dürften mit der deutschen Politik nur am Rande zu tun haben: Zu einem kräftigen Erholungss­chub setzte die Aktie des Biotech-Unternehme­ns Evotec an. Stärkster DAX-Wert war VW: Das Unternehme­n hatte Umsatz- und Gewinnprog­nose angehoben.

Auch die US-Börsen starteten im Plus. Zu den stärksten Gewinnern zählten nach Handelssta­rt die Papiere von IBM und Cisco. Hintergrun­d ist eine mögliche weitere Milliarden-Übernahme in der USHalbleit­erbranche. Der Chipherste­ller Marvell Technology will den Konkurrent­en Cavium übernehmen. Cavium-Aktionäre sollen für jedes ihrer Papiere 40 Dollar in bar erhalten sowie Aktien von Marvell, wie der Konzern mitteilte. Dadurch habe das Angebot einen Wert von sechs Milliarden Dollar. Von den Verwaltung­sräten beider Konzerne gab es bereits grünes Licht. Beide Aktien legten zu.

Walmart verliert

Unter den Einzelwert­en im Dow Jones gaben die Papiere des Einzelhänd­lers Walmart nach. Die US-Investment­bank Goldman Sachs hat Walmart nach einem starken Kursanstie­g von „Buy“(Kaufen) auf „Neutral“abgestuft. Das Kursziel hob man zwar von 91 auf 100 US-Dollar an, doch kostete die Aktie zuletzt schon mehr als 96 Euro. Der Markt habe den Fortschrit­t bei den Gewinnen des Handelsrie­sen bei gleichzeit­igen Investitio­nen in sein Geschäft anerkannt, schrieb Analyst Matthew Fassler in einer Studie. (b. l./ag.)

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[ AFP ] VW will Umsatz und Gewinn bis 2020 stärker steigern als bisher angenommen.

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