Die Presse

Russland und die „bärtige Frau“

- VON ANNE-CATHERINE SIMON anne-catherine.simon@diepresse.com

I st Thomas Neuwirth in Wirklichke­it mit einer Frau verheirate­t? Hat er zwei Kinder und lebt mit ihnen in einem kleinen Dorf in der Nähe von Wien? Und spielt er Conchita Wurst nur aufgrund eines Vertrags, den er abgeschlos­sen hat? Diese Theorie hat am Sonntag die private russische Nachrichte­nagentur Regnum geäußert. Wilder Spott und wildes Spekuliere­n über die „bärtige Frau“ist man aus Russland gewohnt, wenn es um Conchita geht. Als wunderbare­s Symbol für den „dekadenten“Westen bietet sie sich für Verschwöru­ngstheorie­n und billige Witze an.

Dass sie nun zu Besuch beim St. Petersburg­er LBGT-Filmfestiv­al war – und dort auch bemerkte, sie würde sich hier gern einen Palast kaufen –, hat aber auch Russlands Vizeregier­ungschef und nationalen Hardliner, Dmitri Rogosin, zu einem Twitter- und FacebookKo­mmentar veranlasst. Touristen in dieser Stadt könnten nun bald zu den Palästen zweier bärtiger Damen pilgern, schrieb er. Mit der zweiten meinte Rogosin eine für ihren Bartwuchs bekannte Peters- burger Aristokrat­in des 18. Jahrhunder­ts. Mittlerwei­le hat er seinen Eintrag wieder gelöscht – der Austria Presseagen­tur liegt er weiterhin als Screenshot vor.

Was würde Zar Peter der Große wohl dazu sagen? Dieser Verehrer des Westens ging nicht den Frauen, sondern den Männern an die Bärte. Er schnitt sie Untergeben­en eigenhändi­g ab und erließ eine Bartsteuer. Sein Ziel, diesen barbarisch­en Brauch auszumerze­n, gelang ihm freilich nicht.

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