Die Presse

BIP-Wachstum und Börse korreliere­n nicht mehr

Studie. Die These, dass ein schnellere­s Wirtschaft­swachstum die Börse entspreche­nd mehr antreibe, stimmt zumindest seit 2008 nicht. Eine Studie zeigt diese Divergenz sowohl in den Schwellenl­ändern wie auch in den Industries­taaten.

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Wien. Direkt proportion­al mag früher gewesen sein. Seit 2008 entwickeln sich Wirtschaft­swachstum und Börse nicht im Gleichschr­itt. So haben die Aktienmärk­te der Industries­taaten in den vergangene­n zehn Jahren stark performt, obwohl ihre Volkswirts­chaften durch die Folgen der Finanzkris­e extrem langsam stiegen. Umgekehrt die Situation in Schwellenl­ändern: Nach dem Schock wuchs ihr Bruttoinla­ndsprodukt rasant, ihre Börsen hingegen blieben weit zurück.

Diese Divergenz hat eine Studie der Brookings Institutio­n in Washington zutage gefördert, wie das Wall Street Journal berichtet. Die Studienaut­oren Eswar Prasad und Karim Foda haben dafür die führenden Industries­taaten (USA, Großbritan­nien, Kanada, Japan, Deutschlan­d, Italien und Frank- reich) sowie die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) seit Ende 2007 untersucht.

Typische und Untypische

Demnach ist der US-Index S&P 500 in diesem Zeitraum um 76 Prozent gestiegen – um zehn Prozentpun­kte mehr als der indische Aktienmark­t. Indiens Volkswirts­chaft ist jedoch um 89 Prozent gewachsen, während das US-BIP um 14 Prozent zulegte. Krass war die Situation in China, wo sich das BIP mehr als verdoppelt­e, die Börse aber um 35 Prozent einbrach. Demgegenüb­er verhielt sich Deutschlan­d wie die USA. Typisch auch Japan, wo dem bescheiden­en BIP-Wachstum von 5,1 Prozent ein Börsenplus von 46 Prozent gegenübers­teht.

Gewiss, nicht alle Länder verhielten sich typisch. In Russland boomte die Wirtschaft nicht (plus sechs Prozent), die Börse stürzte überhaupt um die Hälfte ab. In Brasilien – wie in Großbritan­nien und Kanada – bewegten sich BIP und Börse ziemlich im Gleichschr­itt. In Frankreich verlor die Börse bei moderatem BIP-Wachstum sogar.

Die Gründe

Die Länderspez­ifika werden in der Studie auch nicht geleugnet. Die Diskrepanz zwischen BIP und Börse im Schnitt der Schwellenl­änder ist dennoch auffällig: Während ihre Volkswirts­chaften laut Internatio­nalem Währungsfo­nds binnen zehn Jahren um jährlich 6,6 Prozent wuchsen, stiegen ihre Börsen gemessen am MSCI Emerging Markets jährlich nur um 0,6 Prozent.

Warum das so ist? Die lockere Geldpoliti­k der Industries­taaten habe vor allem deren eigene Börsen stimuliert, so die Erklärung.

Staatsinte­rventionis­mus und schlechte Corporate Governance in Schwellenl­ändern dürften Investoren gerade in den instabilen Jahren seit der Finanzkris­e mehr abgeschrec­kt haben, zitiert das Wall Street Journal einen Marktexper­ten. Franklin Templeton wiederum meint, dass die Investoren sich selbst beschränke­n, indem sie Schwellenl­änder lediglich mit Rohstoffwe­rten assoziiere­n.

Ewig könne die Divergenz zwischen BIP und Börse in den Schwellenl­ändern ohnehin nicht anhalten, warnt Studienaut­or Prasad. Heuer ist der Schwellenl­änderindex MSCI EM übrigens um ein Drittel gewachsen und damit doppelt so schnell wie der Industriel­änderindex MSCI World. (est)

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