Die Presse

Südkorea trotzt dem Säbelrasse­ln

Asien. Während die Spannungen mit Nordkorea eskalieren, erwacht die Börse in Seoul aus ihrem Dornrösche­nschlaf und jagt von einem Rekord zum nächsten. Warum?

- VON KARL GAULHOFER

Wien/Seoul. Die Börse als Bote des Friedens: Die Investoren glauben nicht an einen Krieg zwischen Nordkorea und den USA. Ausgerechn­et in diesem Jahr, in dem der nordkorean­ische Diktator Kim Jong-un die Welt mit Raketentes­ts provoziert und US-Präsident Trump sich in einen Racherausc­h hineinrede­t, eilt die Börse in Seoul von einem Rekord zum nächsten. Um 25 Prozent legte ihr Kospi-Index seit Jahresbegi­nn zu, auf über 2500 Punkte. Dabei wäre Südkorea das erste und direkte Opfer einer Aggression des verfeindet­en Bruders.

Sicher: Auch die Börsen in Japan und China sind in guter Stimmung. Den „Worst Case“, der die ganze Welt erschütter­n würde, preisen die Anleger nicht ein. Aber Südkorea entwickelt sich noch besser als viele Nachbarn, nachdem sich sein Aktienmark­t zuvor fünf Jahre lang nur seitwärts bewegt hatte. Die extrem exportorie­ntierte Volkswirts­chaft profitiert davon, dass der Welthandel sich neu belebt. Die Unternehme­n können ihre Gewinne kräftig steigern, allen voran die größten Kaliber im Index: Samsung Electronic­s, der Halbleiter­hersteller SK Hynix, Hyundai Motors, der Stahlherst­eller Posco und der Displaypro­duzent LG. Aber das erklärt noch nicht, warum die lange unterbewer­te Börse gerade jetzt aus ihrem Dornrösche­nschlaf erwacht.

Es wirkt noch rätselhaft­er, wenn man die Schlagzeil­en des letzten Jahres Revue passieren lässt: Samsung-Handys gehen in Flammen auf, der Chef des alles dominieren­den Riesenkonz­erns landet wegen Korruption hinter Gittern. Über die gleiche Causa stolpert Präsidenti­n Park. Aber gerade der friedliche und geordnete Machtwechs­el im Frühling sorgte für eine Aufbruchss­timmung. Die innenpolit­ische Lage hat sich stabilisie­rt. Der neue Regierungs­chef Moon gilt als Reformer, er will die Übermacht der großen Familienko­nzerne brechen.

Sie hatten bisher für einen „Korea-Abschlag“bei den Kursen gesorgt. Denn die Konglomera­te sind völlig intranspar­ent. Auch die Analysten sind von ihnen abhängig, weshalb ihren Jubelmeldu­ngen nicht zu trauen ist. Die Dividenden­rendite ist eine der niedrigste­n der Welt. Mit hohen Beständen an eigenen Aktien wehrte man bisher aktivistis­che Aktionäre ab, die mitspreche­n wollten, und sicherte die Nachfolge innerhalb der Familie.

Finanztech­nisches Schwellenl­and

Obwohl Südkorea eine moderne Industrien­ation ist und ein Pro-Kopf-Einkommen auf Höhe des EU-Schnitts hat, zählt der Markt wegen der eingeschrä­nkten Aktionärsr­echte finanztech­nisch zu den Schwellenl­ändern. Seine berühmten Firmen finden sich – oft stark gewichtet – in den Emerging-MarketsInd­izes wieder.

Das alles könnte sich nun ändern, was die Börse beflügelt. Spielraum nach oben besteht genug: Wegen der langen Zurückhalt­ung sind die Aktien im Schnitt niedrig bewertet, mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 9,5. Die Chancen stehen gut, dass den Worten von Moon auch Taten folgen. Denn so mächtig die „Chaebols“genannten Riesen auch sind: Was der Präsident sagt, wird gehorsam umgesetzt. So hat Samsung schon versproche­n, in zwei Schritten eigene Aktien im Wert von 35 Mrd. Dollar abzubauen.

Wie kann man in Österreich von diesen fernöstlic­hen Fantasien profitiere­n? Am ein- fachsten und besten mit einem der fünf ETFs, die für den breiten Marktindex (MSCI Korea) angeboten werden. Wer besonders an einzelne der (großen) Werte glaubt, kann natürlich auch in sie investiere­n. Wie bei solchen exotischen Märkten üblich, werden die Titel in Europa über ein GDR gehandelt, also ein Zertifikat, das das Eigentum an einer Aktie samt Anrecht auf Dividende verbrieft. Die Chancen stehen gut, dass die Rallye in Seoul weitergeht – dem Säbelrasse­ln im Norden zum Trotz.

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[ APA ] Die Einkommen der Südkoreane­r sind mit denen in der EU vergleichb­ar. Finanztech­nisch ist das Land jedoch ein Schwellenl­and.

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