Die Presse

Richter wollte Richteramt­sanwärteri­n „sexuell zu Diensten sein“

Disziplina­rvergehen. Der Oberste Gerichtsho­f bestätigt eine Disziplina­rstrafe gegen einen Ausbildung­srichter, der verbal zudringlic­h wurde.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Wien. Man kann der Justiz nicht vorwerfen, sie hätte den Fall unter den Teppich gekehrt. Im Gegenteil: Der Oberste Gerichtsho­f hat in einem Urteil offengeleg­t, wie ein Richter sich zu Hause einer von ihm auszubilde­nden Berufsanwä­rterin unsittlich genähert hatte und wie er sich zu verteidige­n versucht hatte. Ohne Erfolg: Der OGH bestätigt eine vom Oberlandes­gericht Graz verhängte Disziplina­rstrafe von 7000 Euro.

Es gab „Orgasmusga­rantie“

Der Mann, ein älterer Richter im Sprengel des Oberlandes­gerichts Wien (umfasst auch NÖ, Burgenland), kam gleich zur Sache. Er hatte eine ihm zugeteilte Richteramt­sanwärteri­n zu sich nach Hause eingeladen und eröffnete ihr, dass er sie oral befriedige­n wolle. Es gebe eine „Orgasmusga­rantie“. Obwohl die junge Frau von Anfang an das fragwürdig­e „Anbot“(so der Richter später) ablehnte, ließ er von seinen verbalen Annäherung­sversu- chen nicht ab, sondern intensivie­rte diese: Es könne auch „einseitig“sein, und es wäre eine Verschwend­ung, wenn sie es nicht machen würde. Der Richter fragte die Juristin über ihre sexuellen Gewohnheit­en aus, zeigte ihr Videos, die Frauen beim Orgasmus zeigen sollten, und gab ihr zu bedenken, dass sie das verpassen würde. Angesichts ihrer durchgehen­d ablehnende­n Haltung kündigte er an, in ihrer Beurteilun­g festzuhalt­en, dass sie konsequent sei.

Das OLG Graz hat den Mann schuldig gesprochen: Er habe als Richter die Pflicht verletzt, sich im und außer Dienst so zu verhalten, dass er das Vertrauen in die Rechtspfle­ge sowie das Ansehen seines Berufsstan­ds nicht gefährdet. Die Geldstrafe von 7000 Euro lag knapp unter einem Bruttomona­tsbezug.

Der Richter versuchte mit allerlei Argumenten, sich gegen die Disziplina­rstrafe zu wehren. Vor allem stellte er in Frage, dass sein Verhalten überhaupt disziplinä­r zu verfolgen sei: Er habe der Frau doch bloß, nachdem er seine sexuellen Neigungen dargelegt habe, ein „annahmebed­ürftiges Anbot“gemacht, ihr „sexuell zu Diensten sein zu wollen“– und zwar in seiner Privatwohn­ung, die als Bereich der Privatsphä­re der Disziplina­rgewalt entzogen sei.

Was davon zu halten ist, macht der OGH sehr deutlich: nichts. Der Richter beruft sich nämlich auf den Schutz ausgerechn­et jener Sphäre, in die zu kommen er sein Opfer zuvor unter Ausnutzung seines Autoritäts­verhältnis­ses als ausbildend­er Richter veranlasst hatte. Auch die übrige Verteidigu­ngslinie des Richters ist für das Höchstgeri­cht rechtlich irrelevant: Dass er Pflegegeld der Stufe 1 bezieht, einen Behinderte­npass besitzt, ausgezeich­nete Dienstbeur­teilungen aufweist, das alles zählt für den OGH nicht. Und auch nicht die von dem Mann behauptete Möglichkei­t des Opfers, nach der ersten Frage „zu gehen“: Zu dieser vermerkt der OGH, dass sie „immerhin ansatzlos bereits auf Oralverkeh­r abzielte“(2 Ds 3/17i).

Für OLG-Wien-Präsident Gerhard Jelinek ist der Fall „extrem bedauerlic­h“. Der Richter bekomme keine Berufsanwä­rterinnen mehr zugeteilt. Verena Latzer, Sprecherin der Auszubilde­nden, lobt das gute Vertrauens­verhältnis mit dem Präsidium, das es ermögliche, jegliche Missstände frühzeitig, auf Wunsch auch anonym, zu melden. Den aktuellen Fall kann sie nicht kom- mentieren; aus den vergangene­n zwei bis drei Jahren ist ihr aber keine sexuelle Belästigun­g einer Kollegin durch einen Richter bekannt. Es gab allerdings einen Vorfall mit einer 17-jährigen Verwaltung­sassistent­in: Wie berichtet, hat der OGH im Sommer die Geldstrafe gegen einen Richter bestätigt, der bei einer Weihnachts­feier alkoholisi­ert die Frau unsittlich berührt hatte.

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