Richter wollte Richteramtsanwärterin „sexuell zu Diensten sein“
Disziplinarvergehen. Der Oberste Gerichtshof bestätigt eine Disziplinarstrafe gegen einen Ausbildungsrichter, der verbal zudringlich wurde.
Wien. Man kann der Justiz nicht vorwerfen, sie hätte den Fall unter den Teppich gekehrt. Im Gegenteil: Der Oberste Gerichtshof hat in einem Urteil offengelegt, wie ein Richter sich zu Hause einer von ihm auszubildenden Berufsanwärterin unsittlich genähert hatte und wie er sich zu verteidigen versucht hatte. Ohne Erfolg: Der OGH bestätigt eine vom Oberlandesgericht Graz verhängte Disziplinarstrafe von 7000 Euro.
Es gab „Orgasmusgarantie“
Der Mann, ein älterer Richter im Sprengel des Oberlandesgerichts Wien (umfasst auch NÖ, Burgenland), kam gleich zur Sache. Er hatte eine ihm zugeteilte Richteramtsanwärterin zu sich nach Hause eingeladen und eröffnete ihr, dass er sie oral befriedigen wolle. Es gebe eine „Orgasmusgarantie“. Obwohl die junge Frau von Anfang an das fragwürdige „Anbot“(so der Richter später) ablehnte, ließ er von seinen verbalen Annäherungsversu- chen nicht ab, sondern intensivierte diese: Es könne auch „einseitig“sein, und es wäre eine Verschwendung, wenn sie es nicht machen würde. Der Richter fragte die Juristin über ihre sexuellen Gewohnheiten aus, zeigte ihr Videos, die Frauen beim Orgasmus zeigen sollten, und gab ihr zu bedenken, dass sie das verpassen würde. Angesichts ihrer durchgehend ablehnenden Haltung kündigte er an, in ihrer Beurteilung festzuhalten, dass sie konsequent sei.
Das OLG Graz hat den Mann schuldig gesprochen: Er habe als Richter die Pflicht verletzt, sich im und außer Dienst so zu verhalten, dass er das Vertrauen in die Rechtspflege sowie das Ansehen seines Berufsstands nicht gefährdet. Die Geldstrafe von 7000 Euro lag knapp unter einem Bruttomonatsbezug.
Der Richter versuchte mit allerlei Argumenten, sich gegen die Disziplinarstrafe zu wehren. Vor allem stellte er in Frage, dass sein Verhalten überhaupt disziplinär zu verfolgen sei: Er habe der Frau doch bloß, nachdem er seine sexuellen Neigungen dargelegt habe, ein „annahmebedürftiges Anbot“gemacht, ihr „sexuell zu Diensten sein zu wollen“– und zwar in seiner Privatwohnung, die als Bereich der Privatsphäre der Disziplinargewalt entzogen sei.
Was davon zu halten ist, macht der OGH sehr deutlich: nichts. Der Richter beruft sich nämlich auf den Schutz ausgerechnet jener Sphäre, in die zu kommen er sein Opfer zuvor unter Ausnutzung seines Autoritätsverhältnisses als ausbildender Richter veranlasst hatte. Auch die übrige Verteidigungslinie des Richters ist für das Höchstgericht rechtlich irrelevant: Dass er Pflegegeld der Stufe 1 bezieht, einen Behindertenpass besitzt, ausgezeichnete Dienstbeurteilungen aufweist, das alles zählt für den OGH nicht. Und auch nicht die von dem Mann behauptete Möglichkeit des Opfers, nach der ersten Frage „zu gehen“: Zu dieser vermerkt der OGH, dass sie „immerhin ansatzlos bereits auf Oralverkehr abzielte“(2 Ds 3/17i).
Für OLG-Wien-Präsident Gerhard Jelinek ist der Fall „extrem bedauerlich“. Der Richter bekomme keine Berufsanwärterinnen mehr zugeteilt. Verena Latzer, Sprecherin der Auszubildenden, lobt das gute Vertrauensverhältnis mit dem Präsidium, das es ermögliche, jegliche Missstände frühzeitig, auf Wunsch auch anonym, zu melden. Den aktuellen Fall kann sie nicht kom- mentieren; aus den vergangenen zwei bis drei Jahren ist ihr aber keine sexuelle Belästigung einer Kollegin durch einen Richter bekannt. Es gab allerdings einen Vorfall mit einer 17-jährigen Verwaltungsassistentin: Wie berichtet, hat der OGH im Sommer die Geldstrafe gegen einen Richter bestätigt, der bei einer Weihnachtsfeier alkoholisiert die Frau unsittlich berührt hatte.