Meinungsfreiheit: Mehr Kompetenz gefragt
Fake News. Experten diskutierten über aktuelle Anforderungen an Medien und deren Konsumenten.
Wien. Abstimmungen und Wahlen zu Brexit, US-Präsidentschaft oder Nationalrat haben gezeigt: Wenn heute die Bevölkerung am Wort ist, kommt es verstärkt zu mehr oder weniger erfolgreichen Versuchen der Manipulation. Vor diesem Hintergrund haben Fachleute vorige Woche am Wiener Juridicum über Herausforderungen diskutiert, die Fake News und andere Auswüchse der Meinungsfreiheit an Medien und deren Konsumenten stellen. Für beide Seiten ist mehr Kompetenz gefragt.
Helmut Koziol konzipierte auf Einladung der Jusfakultät die Tagung „Tatsachenmitteilungen und Werturteile: Freiheit und Verantwortung“. Er hält die traditionellen Medien für mitschuldig an der Verbreitung von Fehlinformation und verletzenden Äußerungen. Für ihn stellt sich die Frage, ob für journalistische Arbeit nicht ein gewisser Ausbildungsstand gefordert werden sollte. Verlange man von Kindergärtnerinnen zu recht eine solide Ausbildung, um eine angemessene Erziehung der Kinder zu erreichen, sollte auch das Wählervolk vor niveaulosen, einseitigen und unzutreffenden Informationen und unkompetenten Ansichten bewahrt werden, so Koziol.
Kommunikationsforscher Josef Seethaler plädiert hingegen dafür, die Medienkompetenz der Informationsempfänger zu stärken. Das könne helfen, der von Verfassungsrechtlerin Magdalena Pöschl konstatierten Erosion der offenen und informierten Meinungsbildung entgegenzuwirken. Die sieht Pöschl besonders durch Intermediäre wie Google und Facebook bedroht. „Die größte Bedrohung geht nicht von einem monolithischen Big Brother aus, sondern von verborgenen kleinen Brüdern und Schwestern.“
Gegen Schwert des Strafrechts
Strafrechtler Peter Lewisch setzt im Wettbewerb der wahren und unwahren Behauptungen dennoch auf die Kraft der besseren Argumente. Eine Erziehung zu kritischem Denken, von der EGMR-Richterin Gabriele Kucsko-Stadlmayer sprach, kann dabei nützen; Lewisch warnt davor, die strafrechtliche Verantwortlichkeit auszudehnen: „Wer mit dem scharfen Schwert des Strafrechts ständig dreinschlägt, der macht es stumpf.“
Also mehr zivilrechtliche Haftung? Vielleicht: Zivilrechtler Ernst Karner denkt etwa im Online-Bereich an eine Einschränkung der Privilegien von Medien wie des Redaktionsgeheimnisses, wenn ein allgemeines Informationsinteresse fehlt. (kom)