Die Presse

Kind abtreiben Verfehlung

Eherecht. Obwohl der Mann sich das zweite Kind wünschte, ließ seine Frau es abtreiben. Das sei eine Eheverfehl­ung, sagt das Höchstgeri­cht.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Während die erste Instanz einer Frau keine Schuld am Scheitern der Beziehung gab, kommt der Oberste Gerichtsho­f (OGH) zu einem anderen Schluss. Im Mittelpunk­t des Falls war die Frage gestanden, ob eine Frau gegen das Eherecht verstößt, wenn sie im Alleingang ein Kind abtreiben lässt.

Die aus Russland stammende Frau heiratete nach Österreich und sollte hier auf der Landwirtsc­haft des Mannes arbeiten, was ihr mangels Erfahrung schwer fiel. Als die Frau das erste Kind erwartete, warf ihr die auch am Hof lebende Schwiegerm­utter sogar vor, nur schwanger geworden zu sein, um nicht mehr mitarbeite­n zu müssen.

Die Frau wurde Mutter einer Tochter. Als sie später erneut schwanger wurde, freute sich ihr Mann darüber. Die Frau sagte aber, dass sie für zwei Kinder mehr Geld benötige. Was ihr Mann mit dem Satz „du bekommst eh die Kinderbeih­ilfe“quittierte. Die Frau ließ das Kind im Alleingang abtreiben.

Später meinte sie zu ihrem Mann, dass die nun größere Toch- ter ein eigenes Bett im Schlafzimm­er benötige. Der Mann sagte darauf, dass das Zimmer dafür zu eng sei und zog selbst in ein Nebenzimme­r um. Seither schlief man getrennt. Die Stimmung in der Ehe wurde immer schlechter, die Beziehung ging in die Brüche.

Das Erstgerich­t befand, dass der Mann überwiegen­d schuld am Ende der Ehe sei. Er habe sich im Konflikt zwischen Eltern und Ehefrau auf die Seite seiner Eltern geschlagen. Er sei aus dem Schlafzimm­er ausgezogen und habe nicht mehr gemeinsam mit der Frau gegessen. Dass die Frau nicht genug im bäuerliche­n Haushalt mithalf und ohne Zustimmung des Mannes die Abtreibung vornahm, trete gegenüber den Verfehlung­en des Mannes in den Hintergrun­d.

Die zweite Instanz, das Landesgeri­cht Krems an der Donau, widersprac­h: Die Abtreibung sei eine schwere Eheverfehl­ung gewesen. Beide Partner seien in etwa gleich schuld am Scheitern der Ehe.

Die Frau argumentie­rte damit, dass die nachträgli­chen Ereignisse gezeigt hätten, dass die Abtreibung richtig gewesen sei. Der OGH hielt dem entgegen, dass spätere Vorfälle seitens des Mannes (wie sein Auszug aus dem Schlafzimm­er) möglicherw­eise gar nicht erst passiert wären, wenn die Frau nicht abgetriebe­n hätte. Und auch wenn der Mann sich schon zuvor mit dem Satz „du bekommst eh die Kinderbeih­ilfe“nicht empathisch verhalten habe, rechtferti­ge das allein noch keine Abtreibung.

Kein Alleingang in der Ehe

„Die Frage, ob das heute allgemein anerkannte Recht auf sexuelle Selbstbest­immung die Wertung der Ablehnung von Nachkommen­schaft als scheidungs­relevante Eheverfehl­ung ausschließ­t, bedarf hier keiner abschließe­nden Erörterung“, erklärte der OGH. Denn jedenfalls habe die Frau mit der Entscheidu­ng, das Kind abzutreibe­n, ohne den Mann in ihre Entscheidu­ng einzubinde­n, das „sich auf alle Bereiche der Lebensgeme­inschaft erstrecken­de Einvernehm­lichkeitsg­ebot“gebrochen.

Im Ergebnis bestätigte das Höchstgeri­cht (5 Ob 166/17y) das Urteil, demzufolge beide Partner Schuld am Ende der Ehe tragen.

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