Sorge um Mahleriana – von den Partituren bis zum Kaffee
Die Musik Gustav Mahlers ist aus unseren Konzertsälen nicht wegzudenken. Und doch liegt manches bezüglich seines Angedenkens im Argen . . . Man kann Musik auch zu viel spielen und zu wenig pflegen.
In Sachen Gustav Mahler stimmen einige Ereignisse der vergangenen Tage bedenklich. Da wäre einmal die Aufführung der Siebenten Symphonie unter Daniel Barenboim, die unsere Philharmoniker morgen, Dienstag, im Musikverein noch einmal wiederholen – eine Aufführung von singulärem Rang in ihrer intellektuellen Durchdringung dieser zerklüfteten, ungeheuer avantgardistischen Partitur, die doch zu einer im besten Sinne musikantisch-mitreißenden Aufführung geführt hat. Derartige Höhenflüge, die in musikalischen Gefil- den einer Quadratur des Kreises nahekommen, erlebt man nur alle heiligen Zeiten.
Bedenklich stimmt das, wenn man überlegt, wie viel Mahler heutzutage gespielt wird. Nach der von Rafael Kubelik und Leonard Bernstein vorangetriebenen endgültigen Durchsetzung des Namens Mahler in den internationalen Konzertprogrammen ist es zu einer regelrechten MahlerSchwemme gekommen, an die man sich gewöhnt hat wie an frühere Beethoven- oder Brahms-Schwemmen.
Der Musik, das lehren solche Spitzendarbietungen, kommen die Dirigenten in aller Regel eher oberflächlich bei. Ein Tribut, den man dem mächtig angeschwollenen Massenbetrieb auf dem Klassik-Sektor zu zollen hat, der in Wahrheit ja nicht in der Krise steckt, sondern boomt wie kaum je zuvor. Das ist nicht nur an der Fülle von Klassik-Darbietungen abzulesen, die nicht zuletzt in Wien zu verzeichnen ist – allen einschlägigen Bemühungen der Kulturpolitik zum Trotz, das zu unterminieren.
Im Übrigen wäre zu bemerken, dass die Mahler-Überflutung nicht dazu führt, Bemühungen um korrekte Neuausgaben von dessen Werken anständig zu fördern. Die Mahler-Gesellschaft, die sich gern effektiv darum bemühen würde, steht trotz prominenter Unterstützer finanziell völlig alleingelassen dar.
In die Schlagzeilen kommt ja auch kaum, wer sich um den intellektuellen und wissenschaftlichen Über- oder besser Unterbau der Kultur kümmert. Eher schon schaffen es jene in den Fokus des allgemeinen Interesses, die sich um das Kulturerbe gar nicht scheren beim Geschäftemachen.
Dazu gehören zum Beispiel offenkundig jene Verantwortlichen, die gerade daran gehen, das ehemalige Hotel Post in Toblach zu demolieren, wo Mahler in seinen sommerlichen Komponier-Monaten, in denen nicht zuletzt die Neunte, seine letzte vollendete Symphonie entstand, tagtäglich seine Post erledigte und seinen Frühstückskaffee einnahm.
Diesbezüglich sieht man sich immerhin mit einer in kürzester Zeit heftig angeschwollenen digitalen Protestlawine konfrontiert: Eine Online-Petition finden Mahlerianer unter www.change.org . . .