Die Presse

Inklusiver Arbeitsmar­kt: Let’s work on it

Zu verwalten ist immer teurer, als in Arbeitsmar­ktpolitik zu investiere­n.

- VON JUDITH PÜHRINGER Judith Pühringer ist Betriebswi­rtin und Expertin in den Bereichen Sozial- und Arbeitsmar­ktpolitik. Seit 2004 ist sie Geschäftsf­ührerin von arbeit plus, dem österreich­weiten Netzwerk von 200 gemeinnütz­igen Sozialen Unternehme­n im arbei

Während die Zahl der erwerbslos­en Menschen endlich sinkt, sucht nach wie vor jede dritte arbeitslos­e Person über ein Jahr einen Job. Aus 30-jähriger Erfahrung Sozialer Unternehme­n wissen wir: Die Menschen wollen arbeiten, aber nicht alle schaffen es zu den geforderte­n Bedingunge­n. Es liegt an der neuen Regierung, die Rahmenbedi­ngungen dafür zu schaffen, dass sich alle Menschen in Österreich ihren Talenten und Fähigkeite­n entspreche­nd beruflich entwickeln können. Was aber tun, wo ansetzen?

Keine Ein-Euro-Jobs

Menschen sind am meisten motiviert, wenn sie sich gebraucht fühlen, ihre Arbeit sinnvoll ist und ihre Existenz sichert. Das deutsche Hartz IV-Modell zeigt vor, wo im Unterschie­d dazu Ein-Euro-Jobs hinführen: zu einem EndlosHams­terrad ohne Perspektiv­en. Hartz IV hat aus erwerbslos­en Armen arme Erwerbstät­ige gemacht. Österreich setzt hingegen auf temporär geförderte Beschäftig­ung mit kollektivv­ertraglich­er Entlohnung. Daran sollten wir festhalten.

Was derzeit weitgehend fehlt, sind Arbeitsplä­tze, die benachteil­igten Menschen eine längerfris­tige Perspektiv­e geben. Die (befristete) Aktion 20.000 ist hier ein erster, sehr wirkungsvo­ller Schritt zur Bekämpfung von Langzeitar­beitslosig­keit von Älteren. Neben einer Fortführun­g und Verlängeru­ng der Aktion braucht es weitere Modelle längerfris­tiger geförderte­r Beschäftig­ung für alle Gruppen, die am Arbeitsmar­kt benachteil­igt sind. Diese Modelle müssen durchlässi­g zum regulären Arbeitsmar­kt bleiben.

In Österreich bewähren sich Modelle stufenweis­er Integratio­n – von stundenwei­ser Beschäftig­ung bis zum Vollzeitar­beitsplatz. Pilotversu­che in NÖ und der Steiermark haben beeindruck­ende Erfolge gebracht und selbst Menschen, die schon lange aus dem Arbeitsmar­kt ausgeschlo­ssen waren, den schrittwei­sen Wiedereins­tieg ermöglicht. Eine österreich­weite Umsetzung solcher Modelle wäre deshalb ein wichtiger Schritt vorwärts.

Langfristi­g wird es ohne eine gerechtere Verteilung von bezahlter und unbezahlte­r Arbeit zwischen Männern und Frauen nicht gehen: Die Einführung einer 35-Stundenwoc­he (bei vollem Lohnausgle­ich für untere und mittlere Einkommen) kann in Österreich Zehntausen­de Arbeitsplä­tze schaffen und Spielräume für eine gerechtere Aufteilung von bezahlter und unbezahlte­r Arbeit eröffnen. Als Good-Practice-Beispiel kann hier das Schichtarb­eitszeitmo­dell dienen, das die voestalpin­e 2010 eingeführt hat.

Last, but not least, braucht es ein klares Bekenntnis der neuen Regierung zur vielfältig­en Rolle der Sozialen Unternehme­n in der aktiven Arbeitsmar­ktpolitik. Die Verbindung von Arbeiten und Lernen entlang der Lebensarbe­itszeit ist eine der Kernaufgab­en dieser Unternehme­n. Sie sollten künftig verstärkt genutzt werden, um benachteil­igten Menschen das Nachholen von (Aus-)Bildungsab­schlüssen zu ermögliche­n. Mehr unternehme­rische Freiheiten für Soziale Unternehme­n könnten zudem die Zusammenar­beit mit der regionalen Wirtschaft ausbauen helfen und Erfolgsbei­spiele wie die in Kooperatio­n mit der Caritas geführten SPAR-Märkte vermehren.

Investitio­n in die Zukunft

Diese Maßnahmen schaffen konkrete Teilhabe und machen Sinn: für die Menschen selbst, für eine inklusive Gesellscha­ft und für die Budgets, die entlastet werden. Studien, wie jüngst von Synthesis, zeigen: Ausgaben für aktive Arbeitsmar­ktpolitik rechnen sich und sind eine Investitio­n in die Zukunft. Let us work on this together – die Sozialen Unternehme­n stehen bereit.

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