Die Presse

Disney lässt die Skelette tanzen

Der Film „Coco – Lebendiger als das Leben“von Disney und Pixar macht harmlos Spaß.

- VON BARBARA PETSCH

Der zwölfjähri­ge Miguel liebt die Musik. Doch weil eine seiner Vorfahrinn­en von ihrem Mann verlassen wurde, der seine Musikerkar­riere der Familie vorzog, ist Musik in der Schusterdy­nastie verpönt. Auf dem Dachboden hat sich Miguel eine Gitarre gebaut, die jener seines Idols, des verstorben­en Sängerstar­s Ernesto de la Cruz, ähnlich sieht. Er will am D´ıa de los Muertos aufspielen. Als Miguels Großmutter sein Instrument zerschlägt, stiehlt dieser aus Ernestos Grabmal dessen Gitarre. Doch die Rache der Toten bleibt nicht aus, Miguel wird ins Jenseits entführt.

„Coco – Lebendiger als das Leben“heißt der neueste Film der beiden Animations­Think-Tanks Disney und Pixar. Pixar, das waren einmal pfiffige, technische Innovatore­n. Inzwischen ist die Firma nicht nur längst von Disney übernommen worden, sondern stilistisc­h völlig in diesem Konzern aufgegange­n, der die Integratio­n, oder sollte man lieber sagen: das Einkochen exotischer Kulturen perfekt beherrscht. Disney greift sich einen Stoff und fährt einfach drüber, erzählt wird, was Disney für wichtig, wirkungsvo­ll und vor allem für profitabel hält. Manchmal geht das ganz gut aus, wenn wie bei „Mulan“etwas chinesisch­e Geschichte einfließt, und manchmal schlecht, wenn wie bei „Lilo & Stitch“Hawaii als Kulisse für eine Außerirdis­chen-Story herhalten muss.

Nie darf der Satz „Authentizi­tät war uns besonders wichtig“in den Presseunte­rlagen fehlen, wo auch von umfangreic­hen Recherche-Reisen durch das beliebte Touristenl­and Mexiko berichtet wird. Von dem, was die Macher von „Coco“von dort mitgenomme­n haben, ist aber wenig zu sehen. Disney ist es eben nicht um Authentizi­tät zu tun, sondern um ein Konglomera­t aus marktgängi­gen Elementen, die zu allem Überfluss oft dieselben sind: Die futuristis­che Stadt, die Verfolgung­sjagd, die Talentshow, der große und der kleine Held (hier ein Hund). Weil die Filme einander immer ähnlicher werden, finden jüngere Menschen, die einst für Disney schwärmten, dass nur mehr die Trailer interessan­t sind. Und das ist auch bei „Coco“bis zu einem gewissen Grad der Fall.

Einheitsbr­ei der US-Kulturindu­strie

Ob diese Geschichte die große, weit über die Welt verstreute, mexikanisc­he Community erfreuen wird? Gerade in den USA sind die Beziehunge­n mit Mexiko wegen Präsident Trumps Mauerbau-Plänen frostig. Was hat die große Weltpoliti­k mit einem Kinderfilm zu tun? Vielleicht wenig. Allerdings, „Coco“erinnert eben daran, dass die US-Kulturindu­strie weiten Teilen der Welt ihren effektvoll­en Einheitsbr­ei aufdrängt und durchaus nicht das Verständni­s gegenüber Fremdem fördert. Viele merken – wie bei Telenovela­s – womöglich nicht einmal, wie arm an Inhalt oder Bildung die bunten Panoramen sind, die ihnen vorgesetzt werden. Man könnte mit den tollen technische­n Mitteln heute mehr Substanz erzeugen, informativ wirken, ohne Einbuße von Humor.

Wer Disney-Filme mag, dem wird auch dieser gefallen. Der Running Gag: Miguel trifft viele urkomische Skelette, die immer wieder auseinande­rfallen und sich blitzschne­ll wieder zusammense­tzen. Ernesto de la Cruz führt Miguel durch seine glamouröse Welt, auch im Totenreich wird er gefeiert, aber er ist kein Guter. Öfter kommt es zu skurrilen Begegnunge­n. Was sagt der Mann, der seine Frau sitzen ließ, wenn er ihr im Jenseits plötzlich gegenüber steht? „Du siehst aber gut aus!“Sie schäumt trotzdem weiter, aber nur mehr kurz, denn jetzt muss die Familie zusammenha­lten, um Miguel wieder ins Diesseits zu helfen – vor Sonnenaufg­ang. Besonders nett sind die Anfangssze­nen in Miguels Elternhaus mit der energische­n Oma, die ihren Enkel bei jeder Gelegenhei­t an ihren üppigen Busen drückt, es fällt ihr aber nicht ein, dem Burschen seinen Willen und ihn Gitarre spielen zu lassen . . .

In den Feiern zu den mexikanisc­hen Totentagen fusioniert auf fasziniere­nde Weise die alte aztekische Kultur mit der heutigen christlich­en. In „Coco“wird der Zuschauer von einem Jahrmarkt auf den anderen verschoben. Das ist etwas wenig. Die gute Nachricht: Der Film wirkt positiv und ist nicht grauslich, für Kleinere also geeignet.

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 ?? [ Disney] ?? Der D´ıa de los Muertos ist eine fasziniere­nde Fusion der aztekische­n mit der christlich­en Kultur. Schade, dass Disney nichts an Authentizi­tät liegt.
[ Disney] Der D´ıa de los Muertos ist eine fasziniere­nde Fusion der aztekische­n mit der christlich­en Kultur. Schade, dass Disney nichts an Authentizi­tät liegt.

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