Generation der Verlierer
Die Weltwirtschaft wächst so schnell wie zuletzt vor acht Jahren. Die Kinder der 1970er und 1980er haben aber wenig davon.
Wien. „Den Kindern soll es einmal besser gehen.“Müssten sich die Menschen rund um den Erdball auf ein ökonomisches Ziel einigen, dieser Satz hätte wohl gute Chancen. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs wurde dieser Wunsch quasi im Vorbeigehen erfüllt. Die Wirtschaft brummte, jede neue Generation stieg mit besseren Löhnen ins Arbeitsleben ein und konnte sicher sein, den Lebensstandard der Eltern zu übertreffen. Erst die Finanzkrise im Jahr 2008 hebelte das Prinzip aus und riss ein Loch in die finanzielle Lebensplanung vieler Menschen. Und dieses ist – trotz stärkeren Wachstums – offenbar nicht so einfach wieder zu füllen, warnen Ökonomen. Zumindest nicht für all jene, die im falschen Jahrzehnt geboren sind.
Im Grunde wären die Vorzeichen gar nicht schlecht. Die globale Konjunktur wächst derzeit so rasch wie zuletzt vor acht Jahren, verkündete die OECD, ein Thinktank der Industrieländer, am Dienstag. 3,6 Prozent mehr wird es im heurigen Jahr geben, nächstes Jahr sogar 3,7 Prozent. Von den Vereinigten Staaten über Asien bis Österreich sieht es so rosig aus wie schon lange nicht mehr. Und dennoch reicht das Wachstum nicht aus, um die finanziellen Wunden aus der Finanzkrise zu heilen.
Zu hohe Erwartungen?
Der Kollaps auf den Finanzmärkten 2008 vernichtete rund 15 Prozent der Wirtschaftsleistung pro Kopf in den Industrieländern (siehe Grafik). Und obwohl sich die Konjunktur seither anständig erholt hat, gibt es keinerlei Anzeichen, dass diese Lücke wieder geschlossen werden könnte. Im Gegenteil: Wunsch und Wirklichkeit driften zusehends auseinander. Das Geld fehlt den Menschen nun, um ihr Haus, die Ausbildung ihrer Kinder oder die eigene Pension wie geplant zu finanzieren. Ihre Pläne kommen freilich aus einer Zeit mit besonders hohen Wachstumsraten. In den zwei Jahrzehnten bis zur Finanzkrise wuchs die Weltwirtschaft so rasch wie selten zuvor. Hier wurden Erwartungen aufgebaut und Versprechen gemacht, die heute nicht erfüllt werden können. Das spürt man in den Geschäften, bei der Jobsuche – und an den Wahlurnen.
Nicht alle sind gleich hart davon betroffen, haben die Ökonomen der OECD berechnet. Natürlich musste jeder Jahrgang finanziell ein wenig abspecken (siehe Grafik). Aber wer in den 1970erJahren (Jüngere wurden nicht untersucht) geboren ist, den hat es zweifellos am härtesten getroffen. Er oder sie ist Teil der ersten Generation der Nachkriegsgeschichte, die in der finanziellen Expansionsphase zwischen 30 und 40 Jahren reale Einkommensverluste hinnehmen muss. Während sich also alle Jungeltern und Häuslbauer bis dahin darauf verlassen konnten, dass ihr Einkommen Jahr für Jahr wenigstens ein bisschen steigt, gilt das für die Kinder der 1970er und 80er nicht mehr. Mehr noch: Geht die Entwicklung weiter wie bisher, werden sie mit Ende vierzig erstmals weniger verdienen als die Generation vor ihnen im selben Alter.
Hohe Schulden, wenig Lohn
Das ist nicht nur Pech für die „Wickie, Slime und Paiper“-Fraktion, sondern könnte sich auch zu einem veritablen Problem für die Weltwirtschaft auswachsen. Denn bis dato wurde der Aufschwung großteils aus der Notenpresse der Zentralbanken bezahlt. Während die Staaten mit dem billigen Geld brav Straßen bauen und Breitbandkabel verlegen, um die Wirtschaft anzukurbeln, lässt der Privatsektor weitgehend aus.
Haushalte und Unternehmen haben sich in vielen Ländern zwar in Schulden gestürzt, investieren das Geld aber nicht sinnvoll und machen sich so anfällig für Turbulenzen, sollten die Notenbanken ihre Geldpolitik wieder straffen. „Die Wahrscheinlichkeit, einen Schock auf den Finanzmärkten zu erleben, ist groß“, so die OECD.
Um die heurigen Wachstumsraten halten zu können, brauche es höhere Reallöhne. Der Weg dahin klingt bekannt: bessere Bildung und schlauere Steuern, um das lahmende Produktivitätswachstum im Westen zu heben. So wäre allen geholfen: Firmen könnten mutiger investieren, die Wirtschaft schneller wachsen – und die Einkommen wieder steigen.