Die Presse

Brexit überschatt­et Agrarrefor­m

Landwirtsc­haft. Die Kommission will die Subvention­svergabe ein bisschen effiziente­r machen. Über den baldigen Ausfall von Milliarden im Budget schweigt sie vorerst noch.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Landwirtsc­haftskommi­ssar Phil Hogan präsentier­t heute, Mittwoch, seine Vorstellun­gen davon, wie es mit der Landwirtsc­haftspolit­ik, dem größten Brocken im Unionshaus­halt, weitergehe­n soll. Mehr Evolution als Revolution, Vereinfach­ung einer Politik, die außerorden­tlich komplex geworden ist, aber in Summe kein großer Wurf, wie „Die Presse“schon vorab erfahren konnte. Im Kern möchte die Kommission den Mitgliedst­aaten und Regionen größeren Spielraum bei der Erreichung der gemeinsame­n agrarpolit­ischen Ziele – von Versorgung­ssicherhei­t über Bodenschut­z und Artenvielf­alt bis zum Beitrag zu den Klimaschut­zzielen der EU – einräumen.

Doch diese Mitteilung, in der durchaus richtig auf die seit der jüngsten Reform 2013 veränderte­n Bedingunge­n auf den Produktmär­kten verwiesen wird, lässt die entscheide­nde Frage unbeantwor­tet: Was bedeutet der Budgetausf­all durch den Brexit? In der Kommission schweigt man eisern zur Frage, wie sich die Ausgaben des Unionshaus­haltes im nächsten mehrjährig­en Finanzrahm­en nach dem Jahr 2020 darstellen könnten, wenn pro Jahr netto rund zehn Milliarden Euro weniger an Beiträgen aus London nach Brüssel überwiesen werden.

Im Europaparl­ament geht man wesentlich offener mit dieser Unausweich­lichkeit um. „Wir gehen davon aus, dass das Agrarbudge­t einer jener Posten ist, der am stärksten vom Sparen betroffen sein wird. Es ist ja auch der größte Posten im Budget“, sagte Karin Kadenbach von der SPÖ, eines von derzeit zwei österreich­ischen Mitglieder­n im Agraraussc­huss des Parlaments, zur „Presse“.

Österreich stark betroffen

Anfang November legte dieser Ausschuss eine Studie vor, welche die Folgen des Brexit für die Landwirtsc­haftspolit­ik der EU in Zahlen zu fassen versuchte. Die Studienaut­oren, Eulalia Rubio und Jörg Haas vom Jacques-Delors-Institut in Berlin und Paris, schätzen, dass der britische Nettobeitr­ag zum Landwirtsc­haftsetat jährlich drei Milliarden Euro beträgt. Würde man den Verlust dieses Betrags durch höhere Mitgliedsb­eiträge ausgleiche­n, würden Österreich, Deutschlan­d, die Niederland­e und Schweden am stärksten draufzahle­n. Sie würden nämlich zusätzlich zu ihren erhöhten Beiträgen um den „Rabatt vom Britenraba­tt“umfallen (Großbritan­nien zahlt einen verringert­en Mitgliedsb­eitrag, der dadurch entstehend­e Fehlbetrag wird von den anderen Nettozahle­rn kompensier­t, allerdings nicht in voller Höhe). Dieser Ausgleich des Fehlbetrag­s durch die Nettozahle­r würde aber die Ungleichge­wichte in der Subvention­svergabe vergrößern, warnen die Studienaut­oren.

Der Löwenantei­l der Agrarsubve­ntionen entfällt auf die Direktzahl­ungen, heuer sind es rund 42,6 Milliarden Euro. Sie sind an die Betriebsgr­öße gekoppelt, erhöhen dadurch den Wert von agrarische­m Grund und sind somit besonders schwer zu beschneide­n. Kommission­spräsident Juncker hat im Sommer in einem Papier zur Zukunft der EU-Finanzen zur Debatte gestellt, die Direktzahl­ungen zurück in die Hände der Mitgliedst­aaten zu geben. Das würde den Unionshaus­halt zwar stark entlasten, Kadenbach ist aber skeptisch: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Mitgliedst­aaten das wirklich wollten.“Sie rät eher dazu, Verdoppelu­ngen in der EUPolitik, zum Beispiel zwischen der Förderung der ländlichen Entwicklun­g und Kohäsionsp­rogrammen, zu beseitigen.

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