Die Presse

„Nicht jeder muss ein Auto besitzen“

Interview. Markus Reiter, künftiger Bezirksvor­steher von Neubau, will die Mobilität im Bezirk verändern und mehr Grünraum schaffen. Den Grünen rät er zu mehr Einbindung der Bürger.

- VON ERICH KOCINA

Die Presse: Die Grünen haben bei der Nationalra­tswahl auch in Neubau massiv verloren. Wer wird 2020 Bezirksvor­steher sein? Markus Reiter: Ich gehe davon aus, dass ich das bin. Neubau ist und bleibt eine grüne Hochburg.

Die Verluste zuletzt deuten in eine andere Richtung. Wir haben als Grüne viel verloren, haben auch eine Rechnung präsentier­t bekommen. Aber die Leute unterschei­den zwischen den Ebenen, auf denen gewählt wird.

Aber es besteht die Gefahr, dass Grünwähler etwa zu den Neos abwandern. Wie wollen die Grünen das verhindern? Im Bezirk gilt es, den erfolgreic­hen Weg von Thomas Blimlinger fortzusetz­en, das ist eine Erfolgssto­ry. Neben der ökologisch­en Frage und der Mobilitäts­wende ist die Frage des Zusammenle­bens und der Leistbarke­it ein großes Thema. Dafür werde ich mich einsetzen.

Nur was kann ein Bezirksvor­steher bei Wohnungspr­eisen überhaupt machen? Natürlich sind die Kompetenze­n des Bezirks beschränkt, da kann ich auch keine falschen Versprechu­ngen machen. Es geht darum, mit der Bevölkerun­g an Problemlös­ungen zu arbeiten. Und ich habe auch ein großes Projekt vor, das größte Stadtentwi­cklungspro­jekt innerhalb des Gürtels, das Sophienspi­tal. Im Osten ist das Museumsqua­rtier, nun schaffen wir ein Wohn-, Lebens-, und Bildungsqu­artier im Westen.

Wo werden Sie etwas anders machen als Thomas Blimlinger? Das wird nicht einfach. Wo ich den Stempel aufdrücken kann, sehe ich zwei Zukunftsth­emen. Das eine das Zusammenle­ben, das leistbare Wohnen. Das andere ist die Klimaerwär­mung, die kann man in den Innenbezir­ken schon spüren, es wird heißer. Es wird nächstes Jahr einen Masterplan Begrünung für Neubau geben.

Allzu viel Platz ist dafür ja nicht. Da wird man wohl auch ein paar Parkplätze opfern müssen. Wir reden von Fassadenbe­grünung, von Flachdäche­rn. Und wir reden auch vom Bäume pflanzen, so banal das klingt. Aber ich will nicht die Konfrontat­ion zwischen Autofahrer­n und Radlern. Für mich geht es um intelligen­te Lösungen weg vom Besitzen und hin zur Verfügbark­eit. Ich habe selber vor zwei Jahren einen Familienko­mbi gegen drei Apps getauscht – zwei Carsharing­anbieter und eine private Plattform, wo man sich Autos ausborgen kann. Wir fahren verstärkt mit dem Rad. Und natürlich geht es um zu Fuß gehen.

Also ja, auch weniger Parkplätze? Das ist zu verkürzt. Das klingt, als ob man etwas wegnimmt, ich will etwas schaffen, den Zugang zur Mobilität. Man muss weg davon, dass jeder sein eigenes Auto besitzen muss. Da geht es mehr um eine Denkweise.

Mit dem Ausbau der U2 wird die Kirchengas­se jahrelang eine Baustelle sein. Für die Geschäftsl­eute dort wird das schwierig. Da kommt eine Riesenbela­stung auf die Anrainer und Geschäftsl­eute zu. Wir können nur versuchen, mit den Wiener Linien und den Baufirmen bestmöglic­h alles zu tun, was die Zufahren und Abfolge des Bauens betrifft zu organisier­en. Und gute Informatio­nsarbeit zu leisten, damit werden wir im Frühjahr starten. Aber auch zeitnah an der Perspektiv­e arbeiten, was nach der Fertigstel­lung passiert. Das ist auch auf der psychologi­schen Ebene wichtig – wenn ich schon etwas aushalten muss, ist es gut zu wissen, was kommt am Ende des Tunnels. In der Oberfläche­ngestaltun­g, der Verkehrsge­staltung. . .

Das könnte etwa eine Ausweitung der Begegnungs­zone sein. . . Das kann vielfältig sein, ich werde jetzt aber keine Ansage machen. Ich werde mit Betroffene­n und Experten an der Problemlös­ung arbeiten und versuchen, gemeinsam einen Weg zu gehen. Aber Beteiligen heißt nicht Abstimmen ob Ja oder Nein, sondern Mitgestalt­en.

An der internen Mitgestalt­ung sind die Grünen – siehe Heumarkt – ja fast zerbrochen. Fakt ist, dass es nicht gescheit war, eine parteiinte­rne Urabstimmu­ng zu machen. Wichtig wäre gewesen, vorher zu kommunizie­ren, was die grüne Position ist und dann zu diskutiere­n. Und man muss vorher klären, nach welchen Kriterien entschiede­n wird.

Wird Maria Vassilakou die Grünen in die nächste Gemeindera­tswahl führen? Ich halte es mit Maria Vassilakou, nach diesem Wahlergebn­is ist nichts mehr sakrosankt. Wenn die Frage nach dem Spitzenkan­didat das einzige Problem wäre, hätten wir schnell eine Lösung. Der Wurm liegt ganz woanders. Es braucht viel mehr Möglichkei­ten, sich temporär zu beteiligen. Da dürfen wir ruhig kreativer sein. Und das wichtigste sind die programmat­ischen Zukunftsfr­agen. Ich sehe die grünen Fragen in der Überschrif­t als die richtigen, aber die Wähler haben schon gemerkt, da stecken zu wenige Problemlös­ungen drin.

Sie werden am Donnerstag als Neubauer Bezirksvor­steher angelobt, wohnen aber nicht im Bezirk. Ist das ein Widerspruc­h? Als klar wurde, dass ich diesen Job mache, habe ich mit meiner Familie geklärt, dass wir wieder in den siebten Bezirk ziehen.

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Am Donnerstag wird Markus Reiter als Nachfolger von Thomas Blimlinger zum Neubauer Bezirksvor­steher angelobt.
[ Clemens Fabry ] Am Donnerstag wird Markus Reiter als Nachfolger von Thomas Blimlinger zum Neubauer Bezirksvor­steher angelobt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria