Nur arbeiten will keiner im Tourismus
Nächtigungsrekord. Die Tourismusbranche blickt auf eine großartige Sommersaison zurück. Während die Gäste die österreichischen Betriebe schätzen, wollen Österreicher dort nicht arbeiten. Unter den Lehrlingen sind viele Asylwerber.
Wien. Während die Wintersportorte der Skisaison entgegenfiebern, die Schneekanonen auf Hochtouren laufen und die ersten Skiopenings gefeiert werden, zieht die Branche traditionell einen Schlussstrich unter die Sommersaison. Diese dauert statistisch betrachtet von Mai bis Oktober. Heuer wurden in dieser Zeit 74,87 Millionen Nächtigungen registriert. Das sind um 2,7 Prozent mehr als vor einem Jahr, und das ist darüber hinaus der beste Wert seit 1992.
Das klingt natürlich erfreulich, dennoch ist der Wert einer Nächtigung im Jahr 2017 mit jenem anno dazumal nicht vergleichbar. Denn für einen Hotelier oder Gastwirt, für ein Museum oder einen Freizeitpark sind nicht Nächtigungen oder Ankünfte das Kriterium, sondern Umsätze und Gewinne. Und da wird die Sache komplizierter. Denn kaum eine Branche ist so stark von der Digitalisierung verändert worden wie der Tourismus. Buchungsplattformen und Vergleichsportale sorgen für einen scharfen Preiskampf. Ein Problem, das die Tourismuswirtschaft 1992 noch nicht hatte.
Die jüngsten Nächtigungszahlen zeigen aber auch, dass der österreichische Tourismus international nicht nur mithalten, sondern auch reüssieren kann. Oder wie es der für den Tourismus zuständige Wirtschaftsminister, Harald Mahrer, etwas uninspiriert ausdrückt: „Österreich punktet im Ausland mit vielfältigem Angebot, beeindruckender Natur und der hohen Qualität unserer Betriebe sowie deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“
Dabei ist das mit den Mitarbeitern so eine Sache. Denn so toll sich der österreichische Tourismus auch schlägt, dort zu arbeiten können sich viele nicht vorstellen. „Allein in Tirol fehlen 900 Köche“, sagt Petra Nocker-Schwarzenbacher, die Obfrau der Sparte Tourismus in der Wirtschaftskam- mer. Im September klagten die Betriebe über 7283 offene Stellen, die nicht besetzt werden können. „Es kann nicht sein, dass wir Rekorde einfahren, und letztlich scheitert es an den Arbeitskräften“, sagt NockerSchwarzenbacher.
Viele Berufe werden im Zuge der Digitalisierung verschwinden oder zurückgedrängt. Das klassische Reisebüro zum Beispiel. Kellner und Köche werden auch im 21. Jahrhundert eher nicht durch Roboter ersetzt werden. Tatsächlich stieg im Oktober die Zahl der Lehrlinge im Tourismus um 8,6 Prozent. Der Anstieg ist deshalb so hoch, weil mitunter 60 Prozent der jungen Mitarbeiter Asylwerber sind. Sie sind sich für den schwierigen Job, der Nacht- und Wochenendarbeit bedeutet, nicht zu schade. Aber viele dieser jungen Asylwerber schaffen den Einstieg in die Arbeitswelt dennoch nicht. Die Drop-out-Quote sei hoch, heißt es. Für diese Menschen komme die Lehre noch zu früh, es hapert vor allem an den Sprachkenntnissen. Verantwortliche im Tourismus plädieren deshalb für eine „Lehre vor der Lehre“, um jungen Menschen, die im Tourismus arbeiten wollen, auch die nötige Einstiegshilfe zu geben.
Wunsch an die neue Regierung
Der Tourismus trug im vergangenen Jahr sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) bei. Die Wertschöpfung lag bei 21 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die Landwirtschaft steuert 3,94 Milliarden zur heimischen Wirtschaftsleistung bei – 1,13 Prozent des BIPs. Während Österreicher im Auslandsurlaub 8,6 Milliarden Euro springen lassen, bescheren ausländische Gäste unserem Land Reiseverkehrseinnahmen von 17,4 Milliarden Euro. Seit einigen Jahren gibt es übrigens wieder mehr Nächtigungen im Sommer als im Winter. Im Vorjahr gab es 68,6 Millionen Nächtigungen im Winter und 73 Millionen im Sommer. Sommertourismus gewinnt immer mehr an Bedeutung, vor allem auch in den klassischen Wintersportgebieten wie Tirol oder Salzburg.
Die Branchenvertreter nutzten die Präsentation der Sommerzahlen natürlich weidlich, um ihre Forderungen an die künftige Regierung zu formulieren. Bei den laufenden Koalitionsverhandlungen gibt es eine eigene Untergruppe Tourismus. Allein dies zeuge von einer „großen Wertschätzung“, sagte Nocker-Schwarzenbacher, die praktischerweise selbst in dieser Untergruppe sitzt. Die Wünsche an die schwarz-blaue Regierung in spe sind bekannt: Sie soll die jüngste Steuerreform wieder rückgängig machen. Damals wurde nämlich der Mehrwertsteuersatz auf Urlaubsübernachtungen von zehn auf 13 Prozent erhöht. Zumindest sei dieser Wunsch noch nicht abgeschmettert worden, heißt es. Es gibt kein Nein im Vorhinein, sagt Nocker-Schwarzenbacher. (g.h.)