Bruckner, kraftvoll und akkurat
Musikverein. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks beschloss seine zweitägige Wien-Residenz mit Bruckners abendfüllender achter Symphonie.
Nichts ist Mariss Jansons fremder als äußerlicher Effekt, nichts wichtiger als das gedankenvolle Ausloten eines Werks. Oft befasst er sich mit einer Komposition jahrelang, feilt an Details, ehe er sich entschließt, damit vor die Öffentlichkeit zu treten. Die Resultate bestätigen die Richtigkeit seiner Arbeitsweise, wie sich an einer Vielzahl außerordentlicher Interpretationen zeigt, die das Bild des außergewöhnlichen Deuters russischer Symphonik längst in Richtung eines Maßstäbe setzenden Beethoven-, Mahler- Sibelius- oder Honegger-Interpreten geweitet haben.
Auch Bruckner hat Jansons in den letzten Jahren immer wieder auf seine Programme gesetzt. Davon kann man sich auch in einigen Mitschnitten mit zwei der Orchester überzeugen, bei denen er als Chef gewirkt hat und nach wie vor tätig ist: dem Amsterdamer Concertgebouw Orkest und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Die letzte dieser Live- Aufnahmen stammt allerdings weder aus Amsterdam noch aus München, sondern von den vorjährigen Salzburger Festspielen: Bruckners Sechste, mustergültig realisiert mit den Wiener Philharmonikern.
Nach Bruckners dritter, vierter, sechster, siebter und neunter Symphonie hat sich Jansons nun die achte erarbeitet: Das demonstrierte er am zweiten Abend seiner Musikvereinsresidenz mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks eindrucksvoll. Und zwar in ihrer meist aufgeführten zweiten Fassung aus 1890.
Explodierende Sekund
Es ist ein Werk der stilistischen Zeitwende, denn es führt von der Romantik in Richtung Impressionismus und ahnt die Klangfarbenkompositionen bereits voraus. Bruckner hat die Idee der quasi explodierenden Sekund wohl nie so markant realisiert wie gleich in den Anfangstakten dieser c-MollSymphonie. Auffallend auch, dass das Scherzo unüblich vor dem langsamen Satz platziert ist. Eine Konzeption, die Bruckner dann auch bei seiner unvollendet gebliebenen „Neunten“beibehielt.
Bruckner ist für die bayerischen Musiker kein Neuland. Gleich ihr erster Chefdirigent, Eugen Jochum, war ein großer Bruckner-Exeget. Unter einem späteren, Lorin Maazel, haben sie alle Bruckner-Symphonien aufgenommen. Wie sehr sie sich auf diesen Komponisten nach wie vor verstehen, zeigten sie im akkurat musizierten Scherzo, im durch viele plastische Einzelheiten ausgeschmückten, jeden Anklang von falschem Weihrauch meidenden Adagio sowie im wirkungssicher die Höhepunkte ansteuernden, kraftvoll intonierten Finale.
Nicht ganz so eindringlich – nicht nur wegen einiger Irritationen bei den sonst so vorzüglichen Blechbläsern – gelang das einleitende Allegro moderato. Jansons war freilich auch hier bestrebt, die unterschiedlichen Farben und gegensätzlichen Atmosphären differenziert herauszuarbeiten, um sie schließlich zu einem spannungsvollen Bogen zusammenzuführen.