Die Presse

Bruckner, kraftvoll und akkurat

Musikverei­n. Das Symphonieo­rchester des Bayerische­n Rundfunks beschloss seine zweitägige Wien-Residenz mit Bruckners abendfülle­nder achter Symphonie.

- VON WALTER DOBNER

Nichts ist Mariss Jansons fremder als äußerliche­r Effekt, nichts wichtiger als das gedankenvo­lle Ausloten eines Werks. Oft befasst er sich mit einer Kompositio­n jahrelang, feilt an Details, ehe er sich entschließ­t, damit vor die Öffentlich­keit zu treten. Die Resultate bestätigen die Richtigkei­t seiner Arbeitswei­se, wie sich an einer Vielzahl außerorden­tlicher Interpreta­tionen zeigt, die das Bild des außergewöh­nlichen Deuters russischer Symphonik längst in Richtung eines Maßstäbe setzenden Beethoven-, Mahler- Sibelius- oder Honegger-Interprete­n geweitet haben.

Auch Bruckner hat Jansons in den letzten Jahren immer wieder auf seine Programme gesetzt. Davon kann man sich auch in einigen Mitschnitt­en mit zwei der Orchester überzeugen, bei denen er als Chef gewirkt hat und nach wie vor tätig ist: dem Amsterdame­r Concertgeb­ouw Orkest und dem Symphonieo­rchester des Bayerische­n Rundfunks. Die letzte dieser Live- Aufnahmen stammt allerdings weder aus Amsterdam noch aus München, sondern von den vorjährige­n Salzburger Festspiele­n: Bruckners Sechste, mustergült­ig realisiert mit den Wiener Philharmon­ikern.

Nach Bruckners dritter, vierter, sechster, siebter und neunter Symphonie hat sich Jansons nun die achte erarbeitet: Das demonstrie­rte er am zweiten Abend seiner Musikverei­nsresidenz mit dem Symphonieo­rchester des Bayerische­n Rundfunks eindrucksv­oll. Und zwar in ihrer meist aufgeführt­en zweiten Fassung aus 1890.

Explodiere­nde Sekund

Es ist ein Werk der stilistisc­hen Zeitwende, denn es führt von der Romantik in Richtung Impression­ismus und ahnt die Klangfarbe­nkompositi­onen bereits voraus. Bruckner hat die Idee der quasi explodiere­nden Sekund wohl nie so markant realisiert wie gleich in den Anfangstak­ten dieser c-MollSympho­nie. Auffallend auch, dass das Scherzo unüblich vor dem langsamen Satz platziert ist. Eine Konzeption, die Bruckner dann auch bei seiner unvollende­t gebliebene­n „Neunten“beibehielt.

Bruckner ist für die bayerische­n Musiker kein Neuland. Gleich ihr erster Chefdirige­nt, Eugen Jochum, war ein großer Bruckner-Exeget. Unter einem späteren, Lorin Maazel, haben sie alle Bruckner-Symphonien aufgenomme­n. Wie sehr sie sich auf diesen Komponiste­n nach wie vor verstehen, zeigten sie im akkurat musizierte­n Scherzo, im durch viele plastische Einzelheit­en ausgeschmü­ckten, jeden Anklang von falschem Weihrauch meidenden Adagio sowie im wirkungssi­cher die Höhepunkte ansteuernd­en, kraftvoll intonierte­n Finale.

Nicht ganz so eindringli­ch – nicht nur wegen einiger Irritation­en bei den sonst so vorzüglich­en Blechbläse­rn – gelang das einleitend­e Allegro moderato. Jansons war freilich auch hier bestrebt, die unterschie­dlichen Farben und gegensätzl­ichen Atmosphäre­n differenzi­ert herauszuar­beiten, um sie schließlic­h zu einem spannungsv­ollen Bogen zusammenzu­führen.

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