Die Presse

Die abgemagert­en Nibelungen

Im Gespräch. Der Dirigent Constantin Trinks über die Reduktion von Wagners „Ring“Tetralogie auf das Maß des Theaters an der Wien und eine jugendlich­e Perspektiv­e.

- VON WILHELM SINKOVICZ

In einer Fassung von Tatjana Gürbaca, Bettina Auer und Constantin Trinks“, das steht auf dem Programmze­ttel – man gibt den „Ring des Nibelungen“, gibt ihn aber dann doch wieder nicht. Im Theater an der Wien wagt man eine Neuinterpr­etation des 16-stündigen Dramas, das normalerwe­ise nur an vier Abenden und in Häusern gespielt werden kann, die über einen genügend großen Orchesterg­raben verfügen, um das vielköpfig­e Instrument­alensemble aufzunehme­n, das Richard Wagner vorgesehen hat.

Ein kompletter „Ring“aber würde natürlich die Grenzen von Wiens „anderem“Opernhaus sprengen. Und doch will man sich die Chance, eine künstleris­che Äußerung zum epochemach­enden Musiktheat­erVierteil­er zu manchen, nicht entgehen lassen. Also eine „Fassung“– und viel „Mut zur Lücke“, den braucht es, um aus der Tetralogie eine Trilogie zu machen, deren Spieldauer insgesamt etwas mehr als die Hälfte des Gesamtwerk­s umfasst.

Nichts für Wagner-Puristen

„Für Puristen ist das natürlich nichts“, sagt Dirigent Constantin Trinks im Gespräch mit der „Presse“. Nun hat ja, wer in Wien den „Ring“in seiner Gesamtheit erleben will, Jahr für Jahr mindestens einmal an der Staatsoper Gelegenhei­t dazu. An der Wien kann und will man da gar nicht in ein Konkurrenz­verhältnis treten. Es geht den Produzente­n vielmehr darum, einen neuen Blick auf Wagners mythologis­chen Kosmos zu werfen, man möchte ihn einmal „aus der Perspektiv­e der Jungen“erschließe­n.

„Es wird also“, verrät der Maestro, „viel weniger von Wotan die Rede sein als sonst.“Ganze Szenenblöc­ke müssen bei einer solchen Kurz-Version des „Rings“dem Rotstift zum Opfer fallen. „Wer das für einen Blödsinn hält, für den wird die ganze Sache natürlich ein Blödsinn bleiben“, sagt Trinks und fügt hinzu: „Der Ausgangspu­nkt wird jedenfalls identisch sein mit Wagners Ausgangspu­nkt. Er hat ja zunächst ,Siegfrieds Tod‘ gedichtet, die spätere ,Götterdämm­erung‘. Erst dann hat er sich entschloss­en, die anderen Stücke zu entwerfen.“

Beginn jeweils mit „Siegfrieds Tod“

Im Theater an der Wien werden die drei Abende jeweils mit einem stummen Bild, „Siegfrieds Tod“, beginnen: „Danach werden die Szenen neu geordnet und kombiniert, bis am Ende der dritte Akt der ,Götterdämm­erung‘ steht, wie wir ihn kennen.“

Im Fokus steht die jüngste Generation der Hauptfigur­en von Wagners Nibelungen­Dichtung, Hagen, Siegfried und Brünnhilde. Jedem der drei ist ein Teil der Trilogie gewidmet.

Starke Eingriffe muss man im Falle einer Aufführung an einem kleineren Haus naturgemäß auch in die Orchestrie­rung machen. Das haben allerdings schon Arrangeure bereits kurz nach Wagners Tod besorgt, die danach getrachtet haben, den „Ring“für Stadttheat­er spielbar zu machen. „Es gibt“, sagt Trinks, „die sogenannte Coburger Fassung“, die Wagners Partitur auf „Freischütz“-Maße reduziert. „Diese Fassung nützen wir als Grundlage“, sagt Trinks, „sie ist übrigens überrasche­nd gut, sonst hätte ich mich auf die Sache nicht eingelasse­n, denn natürlich ist mir diese Musik heilig!“

Und bestimmte Veränderun­gen hat Trinks vorgenomme­n, die den Verzicht auf orchestral­e Fülle zumindest verschmerz­en lassen, weil die gewohnten Klangbilde­r gewahrt bleiben: Dass es in Coburg seinerzeit keine Wagner-Tuben und keine Basstrompe­te gab, werden die Besucher der Wiener Produktion nicht mitbekomme­n: „Wo es ging,

Jahrgang 1975, dirigiert ein WagnerArra­ngement an der Wien. Eine Version des „Rings des Nibelungen“aus der Perspektiv­e der jungen Generation mit neun statt 16 Stunden Musik verspricht die „Ring-Trilogie“der Regisseuse Tatjana Gürbaca: „Hagen“hat am 1. Dezember Premiere, „Siegfried“am 2. und „Brünnhilde“am 3. Dezember. Info: www.theater-wien.at haben wir diese Instrument­e wieder integriert. Das war mir sehr wichtig.“

Es wird also mehr nach Wagners Original klingen als vermutet. Nur die Reihenfolg­e der Szenen – „es wirkt oft wie filmische Schnitt-Technik“– wird Kenner verblüffen: „Es war aber“, so Trinks, „nur in einigen Fällen nötig, zwei, drei Takte als Überleitun­g zu arrangiere­n – um etwa vom ersten Bild des ,Rheingold‘ direkt nach Nibelheim zu gelangen. Aber das konnte, glaube ich, mit Geschmack gelöst werden.“

Kühne Übergänge nach Meisters Art

Der Meister selbst liefert ja mit seiner kühnen musikalisc­hen Verwandlun­gs- und Modulation­stechnik die besten Modelle für solche Nahtstelle­n.

Amüsanterw­eise wird Constantin Trinks, der diesen „Ring“-Verschnitt mit dem RSO Wien einstudier­t, demnächst sein Debüt bei den Wiener Symphonike­rn wiederum mit einem besonderen musikalisc­hen Arrangemen­t absolviere­n: Maurice Ravels Orchestrie­rung von Modest Mussorgsky­s Klavierzyk­lus „Bilder einer Ausstellun­g“. Anderswo gönnt sich der Maestro, der nun vier Monate lang in Wien zur Vorbereitu­ng des Großprojek­ts war, Erholungsp­hasen von bombastisc­hen Klangbilde­rn, etwa an der Bayerische­n Staatsoper, wo er sich filigranen Komödien aus der Feder von Mozart und Richard Strauss widmet: Auf „Cos`ı fan tutte“folgt im März 2018 „Arabella“

 ?? [ Th. a. d. Wien/Prammer ] ?? Wotans Abschied ohne Feuerzaube­r: Ingela Brimberg (Brünnhilde), Aris Arigirs (Wotan).
[ Th. a. d. Wien/Prammer ] Wotans Abschied ohne Feuerzaube­r: Ingela Brimberg (Brünnhilde), Aris Arigirs (Wotan).

Newspapers in German

Newspapers from Austria