Republikdenkmal und das Pissoir
Wien und die Erste Republik – oder: Von einem Skandal, für den niemand zuständig sein will.
In jeder Kommunalverwaltung, auch in einer so gut funktionierenden wie in Wien, gibt es Sachverhalte, die schlicht einen Missstand darstellen. Man kann sie der zuständigen Stelle melden – und wenn man Glück hat, werden sie abgestellt. Freilich gibt es auch Missstände, die nichts anderes sind als ein Skandal.
Oder ist es etwa kein Skandal, wenn ein Gedenkstein mit der Aufschrift „Der Jugend widmet dieses Stadion die Gemeinde Wien zur 10. Jahresfeier der Republik – 12. November 1928“schon seit Jahren im Dunstkreis eines Pissoirs vor sich hinkümmert? Eine Geringschätzung, die sich Österreichs vom Schicksal gezauste und schließlich tragisch zugrunde gegangene Erste Republik gewiss nicht verdient!
Wer glaubt, der Gedenkstein habe seinen Platz unmittelbar vor dem Praterstadion gefunden, hat zwar die Logik auf seiner Seite, irrt aber nichtsdestoweniger. Seltsamerweise steht der Granitquader an der Meiereistraße, von ihr durch ein Hecke getrennt – eine Placierung, die man schon stiefmütterlich nennen konnte, als die Sicht auf den Granitquader noch durch keine WC-Anlage verdeckt wurde.
Also hielt ich es für meine Pflicht, die Gemeinde Wien auf den unhaltbaren, ihr aber offenkundig verborgen gebliebenen Zustand aufmerksam zu machen. Mein am 31. Juli 2017 an das Stadtservice gerichtetes E-Mail wurde schon am 1. August beantwortet: Man habe die Sache an die für Kultur zuständige Magistratsabteilung 7 weitergeleitet.
Überforderter Sportmanager
Die Kulturabteilung ihrerseits hatte es mit ihrer Stellungnahme nicht annähernd so eilig. Erst am 21. August teilte sie mir mit, für den Gedenkstein nicht zuständig zu sein, wobei sie mich an den „zuständigen Kollegen der Wiener Sportstätten“verwies, dies mit Angabe seines Namens und seiner Erreichbarkeit. Auf mein E-Mail reagierte der mir genann- te Herr bereits am 24. August, wenn auch nur mit einer ausführlich begründeten Vertröstung. Seither sind nicht wie in der E-Mail versprochen zehn Tage, sondern – trotz meiner zwischenzeitlichen Urgenz – mehr als zwei Monate vergangen. In Summe einmal mehr der sprichwörtliche „Amtsweg“, an dessen Ende ein mit Fragen von politischer Ethik offenkundig überforderter Sportmanager steht.
Erinnerung an Helmut Zilk
Wo aber liegt der Fehler? Wer auch immer hier zuständig ist (irgendeine Stelle muss es ja sein!) – zuständig und verantwortlich dafür, dass am Rande von Wiens Hauptallee im Prater ein Republikdenkmal im Schatten einer öffentlichen Bedürfnisanstalt vergammelt: In Fällen von solcher Beschämung müsste es so etwas wie eine Reißleine geben. Also das Recht, aber auch die moralische Pflicht der Leiterin oder des Leiters einer jeden Stelle oder Abteilung, die von dem Skandal Kenntnis erlangt hat, durchzugreifen.
Also hätte im vorliegenden Fall schon im Wiener Stadtservice die Alarmglocke läuten müssen und genauso dann in der Kulturabteilung. Spätestens sie hätte nicht eher ruhen dürfen, als bis die tatsächliche Zuständigkeit geklärt und das Gravamen aus der Welt geschafft worden wäre.
Plätze, die einer Aufstellung des Gedenksteins entsprechen würden, gibt es im ganzen Areal ohnehin zur Genüge. Wenn ich mich recht erinnere, war Helmut Zilk so einer, der sich als Bürgermeister Sachverhalte wie den hier geschilderten nicht zweimal sagen ließ. Ich glaube, er hätte die Versetzung des Republikdenkmals an einen würdigen Ort ohne Wenn und Aber zur Chefsache gemacht. Sein Beispiel sollte nicht in Vergessenheit geraten.