Vitouch warnt vor „Medizin-Fleckerlteppich“
Universität. Oliver Vitouch tritt als Rektorenchef ab. Zu leise sei er nicht gewesen – vielleicht habe er es manchmal übertrieben. Er hielte es für bizarr, würde die Studienplatzfinanzierung nicht beschlossen. Und warnt vor einem Sündenfall.
Die Presse: Sind Sie nach 17 Monaten an der Spitze der Universitätenkonferenz schon frustriert von der Hochschulpolitik? Nein, frustriert bin ich überhaupt nicht. Wenn ich dazu neigen würde, hätte ich mich auf diese Aufgabe gar nicht erst eingelassen.
Trotzdem treten Sie jetzt ab. Es ist eine Frage der Vereinbarkeit. Meine Frau ist Uni-Professorin, unsere Kinder zehn und 15 Jahre alt und Klagenfurt-Wien und retour sind acht Autostunden. Es war absehbar, dass das nur eine gewisse Zeit möglich ist.
Manche meinen: Als Rektor der Universität Klagenfurt sei man ohnedies nicht prädestiniert, für alle Unis zu sprechen. Das möchte man meinen. Ich habe mich aber nicht als David unter Goliaths gefühlt. Es ist vielleicht eine ähnliche Frage wie die, ob der Luxemburger Jean-Claude Juncker der EU-Kommission vorstehen kann.
Sie waren der Jean-Claude Juncker der österreichischen Universitätspolitik? Das vielleicht nicht, ich unterscheide mich glaube ich in vielen Punkten. Aber vielleicht ist es sogar für einen Rektor einer kleineren Universität leichter möglich, die Interessen der 21 Unis paritätisch und balanciert zu vertreten als für den einer großen.
Ihr Vor-Vorgänger Heinrich Schmidinger meinte bei seinem Abtritt, er sei vielleicht zu leise gewesen. Waren Sie zu laut? Vielleicht habe ich es gelegentlich übertrieben, aber ich fürchte, dass sich in Österreich die Stimme der Vernunft nicht im Flüsterton durchsetzen wird. Und ich bin der Meinung, dass wichtige Dinge erreicht worden sind.
Am 31. Jänner muss die neue Uni-Finan- zierung beschlossen werden – Zugangsbeschränkungen inklusive. Kommt das? Die FPÖ ist ja auch für einen freien Zugang. Für Österreicher, wenn ich mich recht erinnere. Aber generell ist es so: Wir sind in der besten aller Welten alle für den freien und offenen Hochschulzugang. Aber in der Form, in der er erträumt wird, ist er nicht realistisch ausfinanzierbar. Daher müssen wir die Sache vernünftig lösen. Und dieser Vernunft wird sich auch die FPÖ nicht verschließen.
Die SPÖ hat sich lange dagegen gewehrt – und nach der Kehrtwende von Christian Kern gab es auch im Sommer Widerstand. Mit dem Plan A hat sich das Ende einer gewissen Realitätsverleugnung eingestellt. Das war ein großer Sprung über den Schatten der SPÖ, den nicht alle mitgemacht haben. Letztlich ist man aber erzwungenermaßen wieder in den Wahlkampfmodus gekippt.
Sie haben einmal damit gedroht, Fächer zuzusperren. Haben Sie das in der Hinterhand, falls die Reform nun nichts wird? Nein. Wir haben keine Kampfmaßnahmen in der Schublade. Wir zeigen stattdessen mit einer Wertschöpfungsstudie, dass sich ein in die Unis investierter Steuereuro binnen kürzester Zeit doppelt und dreifach rechnet. Was die Studienplatzfinanzierung angeht, so gehe ich fix davon aus, dass sie kommt. Es wäre bizarr, so lange an einer Systemumstellung zu arbeiten, und sie dann zu kippen.
Bei der neuen Uni-Finanzierung fürchten manche Universitäten, dass sie zu Verlierern werden. Die Uni Linz zum Beispiel. Das Thema ist heikel, weil es auf eine Verteilungsfrage hinausläuft und die sind selten in trauter Einhelligkeit zu bewältigen. Die Einigkeit unter den Unis ist aber hoch.
Wie geht es dabei der Uni Klagenfurt? Sie gehört sicher nicht zu den großen Gewinnern, weil die Betreuungsverhältnisse in den meisten Fächern adäquat bis gut sind. Aber es geht um eine Veränderung, von der a la longue alle profitieren sollen. Und mit den zusätzlichen 1,35 Milliarden Euro für 2019 bis 2021 geht das grundsätzlich.
Zuletzt gab es Wirbel um die Medizin. Der Bund kauft Lehrleistungen von der privaten Paracelsus-Uni zu: Es gibt drei Millionen Euro, damit 25 Studenten nach dem Abschluss in Österreich bleiben. Das ist ein gefährlicher Präzedenzfall, der zum Sündenfall der Bundespolitik werden könnte. Wir sehen Handlungsbedarf: In Privatunis sollen keine öffentlichen Mittel fließen – auch nicht von Ländern und Gemeinden. Wenn sich dieses föderale ’Wünsch Dir was’ fortsetzt, wird es richtig teuer.
Sie haben immer wieder vor dem Einfluss der Länder in der Hochschulpolitik gewarnt. Was darf keinesfalls passieren? Die Dystopie ist, dass man sich verzettelt und im Unterschied zu dem, was angekündigt wird – ein Hochschulplan, der definiert, wie die Unis bundesweit aufgestellt sind – einfach Wünsche bedient werden. Und dass insbesondere kleine Medizin-Unis fleckerlteppichmäßig aus der Wiese sprießen.
Was ist Ihr Appell an die künftige Koalition? Was brauchen die Universitäten unbedingt? Eines ist völlig klar: Die Ansage „Make Austrian Universities great again“reicht nicht. Es braucht strukturelle Maßnahmen, konkrete finanzielle, rechtliche und organisatorische Reformschritte und nicht nur irgendwelche Sonntagsreden. Denn da haben wir vom Ziel der österreichischen WeltklasseUniversität abwärts schon alles gehört.