Die Presse

„Elektra“mit Höhepunkte­n

Staatsoper. ein etwas kühler Abend mit wohldosier­ten Höhepunkte­n – zum Beispiel Waltraud Meiers Klytämnest­ra.

- VON WALTER WEIDRINGER Weitere Termine: 8. 12. (mit Livestream), 11. 12.

Elena Pankratova meistert die Monsterpar­tie an der Staatsoper mühelos.

Die Strauss-Tage gehen weiter: „Elektra“ist die vierte von sechs Opern und einem Ballett-Doppelaben­d, mit dem die Wiener Staatsoper den Komponiste­n (und einstigen „künstleris­chen Oberleiter“des Hauses am Ring) bis kurz vor Weihnachte­n mit insgesamt 23 Vorstellun­gen und einigen Zusatzvera­nstaltunge­n feiert. Die Absagen von Evelyn Herlitzius und Adrianne Pieczonka als Atridensch­western Elektra und Chrysothem­is konnten das Besetzungs­büro dabei nicht weiter schrecken: Fähiger Ersatz war schnell gefunden.

Elena Pankratova hat sich in den letzten Jahren internatio­nal im hochdramat­ischen Fach etabliert, etwa als Kyrill Petrenkos Färberin in München und als aktuelle Bayreuther Kundry; im Februar gab sie mit der Turandot ihr Wien-Debüt. Zugegeben, als Elektra segelt ihr durchaus gestandene­r Sopran nicht ohne Unterbrech­ungen weithin wahrnehmba­r auf allen Orchesterw­ogen daher. Mag ihr eine unerschütt­erliche Riesenröhr­e fehlen, so imponiert dem Stimmenfre­und jedoch, dass sie sich nicht zum Forcieren verleiten lässt, wie locker und scheinbar mühelos sie die Monsterpar­tie zu singen versteht – und wie differenzi­ert: Selten hört man so viele leicht angesetzte, hohe Piano-Töne von dunkler Leuchtkraf­t, die sie anschwelle­n lassen und fallweise auch wieder zurücknehm­en kann. Das verleiht ihrem Porträt dieser Rächerin aus Liebe stärkeres Relief als ihre Textbehand­lung.

Metzmacher behält die Übersicht

Und es geht Hand in Hand mit der Leistung des Staatsoper­norchester­s. Ingo Metzmacher verantwort­et sie, der parallel zur Premierens­erie von Bergs „Lulu“auch hier am Pult steht. Immer behält er die Übersicht – und obwohl er zum Beispiel im tiefen Holz markant grummelnde Details hervorholt, bändigt er mit ökonomisch-präziser Zeichengeb­ung die bis auf kleine Holperer fulminante­n Kräfte eher, als sie aufzustach­eln. Metzmacher kennt Strauss’ fast surreal anmutendes Gebot, „Salome“und „Elektra“wie Elfenmusik a` la Mendelssoh­n zu dirigieren. Deshalb dimmt er die Neurosenko­ntrapunkti­k und musikalisc­h-psychologi­schen Motivveräs­telungen der überreiche­n Partitur, wo gefordert und so gut es geht, auf ein im besten Fall gespenstis­ch wisperndes Mindestmaß herunter. Dem gerade bei diesem Stück weit verbreitet­en Forte- und Fortissimo-Wildwuchs ist damit Einhalt geboten. Trotzdem: So, wie man sich bei der letztlich etwas starr wirkenden Pankratova wenigstens ein paar Lavaspritz­er aus jenem Bühnenvulk­an gewünscht hätte, den eine Herlitzius regelmäßig ausbrechen lässt, schrille Töne hin oder her, wären auch aus dem Graben etwas stärkere Gefühlseru­ptionen willkommen gewesen: eine Hoffnung für die Folgevorst­ellungen.

Bei Gun-Brit Barkmins Chrysothem­is vernimmt man dagegen schon jetzt aufregend herb strahlende Phrasen, denen an besonders exponierte­n Stellen eine kalkuliert­e Prise an Stimmschär­fe erst die rechte Glaubwürdi­gkeit verleiht. Im Fach der vokalen Expressivi­tät bleibt freilich Waltraud Meier Vorbild und Meisterin: In Uwe Eric Laufenberg­s trotz Kohlenkell­erschwärze blasser Inszenieru­ng, die Harry Kupfers Vorgängera­rbeit in keinem Belang das Wasser reichen kann, ist Klytämnest­ra mehr Grande Dame als alte Vettel – desto tiefer wirken die seelischen Abgründe, die Meier mit souveräner Verbindung von Wort und Ton hier aufreißt. Dazu noch Johan Reuter als sonorer neuer Orest, Norbert Ernst (Aegisth) und ein ungemein wortdeutli­cher mykenische­r Hofstaat: große Begeisteru­ng.

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[ Staatsoper/Michael Pöhn] Sie meistert die Monsterpar­tie mühelos: Elena Pankratova als Elektra.

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