„Elektra“mit Höhepunkten
Staatsoper. ein etwas kühler Abend mit wohldosierten Höhepunkten – zum Beispiel Waltraud Meiers Klytämnestra.
Elena Pankratova meistert die Monsterpartie an der Staatsoper mühelos.
Die Strauss-Tage gehen weiter: „Elektra“ist die vierte von sechs Opern und einem Ballett-Doppelabend, mit dem die Wiener Staatsoper den Komponisten (und einstigen „künstlerischen Oberleiter“des Hauses am Ring) bis kurz vor Weihnachten mit insgesamt 23 Vorstellungen und einigen Zusatzveranstaltungen feiert. Die Absagen von Evelyn Herlitzius und Adrianne Pieczonka als Atridenschwestern Elektra und Chrysothemis konnten das Besetzungsbüro dabei nicht weiter schrecken: Fähiger Ersatz war schnell gefunden.
Elena Pankratova hat sich in den letzten Jahren international im hochdramatischen Fach etabliert, etwa als Kyrill Petrenkos Färberin in München und als aktuelle Bayreuther Kundry; im Februar gab sie mit der Turandot ihr Wien-Debüt. Zugegeben, als Elektra segelt ihr durchaus gestandener Sopran nicht ohne Unterbrechungen weithin wahrnehmbar auf allen Orchesterwogen daher. Mag ihr eine unerschütterliche Riesenröhre fehlen, so imponiert dem Stimmenfreund jedoch, dass sie sich nicht zum Forcieren verleiten lässt, wie locker und scheinbar mühelos sie die Monsterpartie zu singen versteht – und wie differenziert: Selten hört man so viele leicht angesetzte, hohe Piano-Töne von dunkler Leuchtkraft, die sie anschwellen lassen und fallweise auch wieder zurücknehmen kann. Das verleiht ihrem Porträt dieser Rächerin aus Liebe stärkeres Relief als ihre Textbehandlung.
Metzmacher behält die Übersicht
Und es geht Hand in Hand mit der Leistung des Staatsopernorchesters. Ingo Metzmacher verantwortet sie, der parallel zur Premierenserie von Bergs „Lulu“auch hier am Pult steht. Immer behält er die Übersicht – und obwohl er zum Beispiel im tiefen Holz markant grummelnde Details hervorholt, bändigt er mit ökonomisch-präziser Zeichengebung die bis auf kleine Holperer fulminanten Kräfte eher, als sie aufzustacheln. Metzmacher kennt Strauss’ fast surreal anmutendes Gebot, „Salome“und „Elektra“wie Elfenmusik a` la Mendelssohn zu dirigieren. Deshalb dimmt er die Neurosenkontrapunktik und musikalisch-psychologischen Motivverästelungen der überreichen Partitur, wo gefordert und so gut es geht, auf ein im besten Fall gespenstisch wisperndes Mindestmaß herunter. Dem gerade bei diesem Stück weit verbreiteten Forte- und Fortissimo-Wildwuchs ist damit Einhalt geboten. Trotzdem: So, wie man sich bei der letztlich etwas starr wirkenden Pankratova wenigstens ein paar Lavaspritzer aus jenem Bühnenvulkan gewünscht hätte, den eine Herlitzius regelmäßig ausbrechen lässt, schrille Töne hin oder her, wären auch aus dem Graben etwas stärkere Gefühlseruptionen willkommen gewesen: eine Hoffnung für die Folgevorstellungen.
Bei Gun-Brit Barkmins Chrysothemis vernimmt man dagegen schon jetzt aufregend herb strahlende Phrasen, denen an besonders exponierten Stellen eine kalkulierte Prise an Stimmschärfe erst die rechte Glaubwürdigkeit verleiht. Im Fach der vokalen Expressivität bleibt freilich Waltraud Meier Vorbild und Meisterin: In Uwe Eric Laufenbergs trotz Kohlenkellerschwärze blasser Inszenierung, die Harry Kupfers Vorgängerarbeit in keinem Belang das Wasser reichen kann, ist Klytämnestra mehr Grande Dame als alte Vettel – desto tiefer wirken die seelischen Abgründe, die Meier mit souveräner Verbindung von Wort und Ton hier aufreißt. Dazu noch Johan Reuter als sonorer neuer Orest, Norbert Ernst (Aegisth) und ein ungemein wortdeutlicher mykenischer Hofstaat: große Begeisterung.