Die Presse

Schwarz-Blau für längeren Arbeitstag

Regierung I. Schwarz-Blau setzt auf ein Modell der Arbeitszei­tflexibili­sierung, gegen das die Gewerkscha­ft Sturm läuft. Die Zuwanderun­g von Arbeitskrä­ften soll bedarfsori­entiert gestaltet, die Rot-Weiß-Rot-Karte entbürokra­tisiert werden.

- VON MARTIN FRITZL UND THOMAS PRIOR

Koalitions­verhandler setzen mit ZwölfStund­en-Tag auf Arbeitszei­tflexibili­sierung, gegen die die Gewerkscha­ft Sturm läuft.

Wien. Die Sozialpart­ner sind zuletzt bei Verhandlun­gen über eine weitere Flexibilis­ierung der Arbeitszei­ten gescheiter­t – jetzt will die schwarz-blaue Koalition die Sache per Gesetz regeln. „Wir werden eine Regierung sein, die Entscheidu­ngen trifft“, sagte ÖVPChef Sebastian Kurz am Mittwoch nach der Verhandlun­gsrunde der Koalitions­partner.

Es ist eine Entscheidu­ng, über die sich die Gewerkscha­ften nicht freuen werden: Rot-Blau präferiert jenes Modell, gegen das sich die Arbeitnehm­erseite bis zuletzt ge- wehrt hat. Konkret soll per Gesetz die täglich zulässige Höchstarbe­itszeit auf zwölf Stunden ausgeweite­t werden, die wöchentlic­h mögliche Arbeitszei­t auf 60 Stunden.

Was das konkret bedeutet? Niemand wird verpflicht­et, generell zwölf Stunden zu arbeiten, die gesetzlich­e Normalarbe­itszeit liegt weiter bei 40 Stunden. Aber Unternehme­n können mit ihren Betriebsrä­ten einen Gleitzeitr­ahmen vereinbare­n. Wenn mehr Arbeit anfällt, kann in einer Woche länger gearbeitet werden, ohne dass Überstunde­n anfallen. Diese Mehrstunde­n werden innerhalb einer Gleitzeitp­eriode abgebaut. Diese Regeln gibt es schon bisher, doch liegt die Höchstarbe­itszeit bei zehn Stunden täglich und 48 Stunden wöchentlic­h.

Neu ist, dass es künftig nicht unbedingt eine Zustimmung des Betriebsra­ts brauchen wird. Gibt es in einem Unternehme­n keinen Betriebsra­t, so ist eine Gleitzeitr­egelung auch in Einzelvert­rägen möglich.

ÖVP und FPÖ einigten sich auch noch auf eine ganze Reihe von weiteren Maßnahmen im Wirtschaft­sbereich. So soll die Bürokratie abgebaut werden. Als Beispiele für Auswüchse der Bürokratie nennen die Verhandler etwa, dass Putzperson­al unterschre­iben müsse, dass es Putzmittel nicht trinken darf. Oder dass Bäckereimi­tarbeiter, die von 01.00 bis 07.00 Uhr arbeiten, erst um 07.30 Uhr nach Hause gehen dürfen, weil sie davor noch eine halbe Stunde Pause machen müssen.

Alle neuen Gesetze sollen laut den schwarz-blauen Plänen künftig einem „Bürokratie-Check“unterzogen und bestehende Vorschrift­en mit dem Ziel einer Reduktion durchforst­et werden. „Rücknahme von gold plating für Unternehme­r (Übererfüll­ung von EU-Vorschrift­en; Anm.)“, heißt es dazu im ÖVP-FPÖ-Papier. Die Meldung von Schadstoff- und Abfallmeng­en soll vereinfach­t und Unternehme­n von statistisc­hen Meldepflic­hten entlastet werden. Auch die langen Behördenwe­ge bei Bauprojekt­en von Unternehme­rn sollen verkürzt werden.

Überrasche­nd angesichts der Regierungs­beteiligun­g der FPÖ: Die Anwerbung von Arbeitskrä­ften aus dem Ausland soll nicht generell eingeschrä­nkt, sondern entspreche­nd dem Bedarf sogar forciert werden. „Wir brauchen in Segmenten Fachkräfte aus dem Ausland“, sagte FPÖ-Chef HeinzChris­tian Strache – auch wenn es das Ziel sein müsse, diese selbst auszubilde­n. Jedenfalls soll es eine „qualifizie­rte, gelenkte Zuwanderun­g als Ergänzung für den heimischen Arbeitsmar­kt“geben. Dafür will die neue Koalition auch die von der FPÖ bisher heftig bekämpfte Rot-Weiß-Rot-Karte weiter entwickeln und entbürokra­tisieren.

Budget bleibt bei der Finanz

Vor Weihnachte­n soll die neue Regierung stehen – dieses Ziel verfolgen ÖVP und FPÖ weiterhin. Bis dahin steht noch ein großer Brocken an: Die Aufteilung der Ressorts. Wie aus Verhandler­kreisen zu hören ist, ist man inzwischen wieder vom Gedanken abgekommen, das Budget vom Finanzress­ort ins Kanzleramt zu holen – und zwar aus rechtliche­n Gründen. Dafür wäre nämlich eine Verfassung­sänderung notwendig, und für die bräuchten ÖVP und FPÖ die Zustimmung der SPÖ oder der Neos. Daher dürfte das Finanzmini­sterium nach derzeitige­m Stand der Dinge bei der ÖVP bleiben, die FPÖ bekäme einen Finanz-Staatssekr­etär. Der Favorit für diesen Posten: Alexander Petschnig, derzeit Wirtschaft­slandesrat im Burgenland.

Wir werden eine Regierung sein, die Entscheidu­ngen trifft.“ ÖVP-Chef Sebastian Kurz begründet, warum er auf die Sozialpart­ner nicht immer Rücksicht nimmt.

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[ APA ] Bis Weihnachte­n wollen sie fertig sein: Die Koalitions­verhandler haben mit der Arbeitszei­tflexibili­sierung einen weiteren Punkt auf ihrer To-do-Liste abgehakt.

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