Die Presse

Trump bricht Jerusalem-Tabu

USA. Präsident Trump erkennt Jerusalem als Hauptstadt Israels an. Damit löst er ein Wahlverspr­echen ein und bringt die gesamte islamische Welt auf die Barrikaden. Als Nahost-Vermittler sind die USA aus dem Spiel.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS SEIBERT

Washington. Wenn Präsident Donald Trump vorgehabt hat, mit der Anerkennun­g Jerusalems als Hauptstadt Israels seine rechtsgeri­chteten und jüdischen Anhänger glücklich zu machen, dann konnte er schon mit der offizielle­n Verkündung seiner neuen Politik am Mittwoch von Erfolg sprechen: „Halleluja“, jubelte die rechtspopu­listische Website Breitbart.

Araber und Muslime schäumen jedoch weltweit, und auch in den USA trifft Trump auf viel Kritik. Die Initiative des Präsidente­n sei „unverantwo­rtlich“, schimpfte der ehemalige amerikanis­che Spitzendip­lomat Nicholas Burns auf Twitter.

Trotz heftiger Kritik aus der islamische­n Welt wollte Trump im Weißen Haus in einer Rede als erster Präsident seines Landes die für Juden, Muslime und Christen heilige Stadt Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen und die Verlegung der US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem ankündigen. Damit bricht er mit einer jahrzehnte­alten Tradition der US-Politik und erfüllt ein Wahlkampfv­ersprechen an christlich­e Fundamenta­listen und proisraeli­sche Geldgeber. Dazu gehört der Casinobesi­tzer Sheldon Adelson, der 25 Millionen Dollar für Trumps Wahlkampf gespendet hatte, und der sich laut „New York Times“in den vergangene­n Monaten verärgert über Trumps Zögern in der Angelegenh­eit gezeigt hatte.

Der „ultimative Deal“muss warten

Um nicht alle Chancen auf den „ultimative­n Deal“eines Friedenssc­hlusses zwischen Israelis und Palästinen­sern zunichte zu machen, versieht der Präsident seinen Vorstoß mit mehreren Einschränk­ungen: Trump will Entschloss­enheit demonstrie­ren, aber zumindest auf absehbare Zeit nicht allzu viel Konkretes ändern. Die Frage ist, ob er damit bei den diversen Akteuren im Nahen Osten auf viel Verständni­s trifft. Die US-Regierung und Israel stellen sich jedenfalls auf eine Welle der Gewalt ein.

Vor der Präsidente­nrede bemühten sich Regierungs­vertreter, Trumps Affront gegenüber den Palästinen­sern und Arabern als Chance für den Frieden schönzured­en. Dass die US-Botschaft bisher in Tel Aviv geblieben sei, habe Israelis und Palästinen­ser ja auch nicht enger zusammenge­bracht, lautet das Argument. In der Rede wollte sich Trump demnach zur Zwei-Staaten-Lösung bekennen, was er bisher vermieden hatte. Damit erfüllt er eine Forderung der Palästinen­ser, tut aber nicht mehr, als auf die traditione­lle Linie der amerikanis­chen NahostPoli­tik einzuschwe­nken: Bisher sah Washington ein friedliche­s Nebeneinan­der von Israel und einem künftigen Palästinen­serstaat als einzigen gangbaren Weg.

Laut amerikanis­chen Regierungs­vertretern wollte sich Trump auch nicht auf einen endgültige­n Status Jerusalems festlegen. Demnach vermeidet er eine Aussage darüber, ob auch der von Israel 1967 eroberte palästinen­sische Ostteil der Stadt mit dem Tempelberg aus Sicht der USA zu Israel gehöre oder nicht. Der Präsident wird auch nicht die israelisch­e Position übernehmen, wonach Jerusalem die „unteilbare“Hauptstadt des jüdischen Staates sei.

Vorerst ändert sich nicht viel

Vorerst wird in Jerusalem alles beim Alten bleiben: Obwohl es im Vorfeld der TrumpRede hieß, die Botschaft könne schon im Frühsommer des kommenden Jahres von Tel Aviv nach Jerusalem umziehen, sagten Regierungs­vertreter am Dienstagab­end, der Prozess der Botschafts­verlegung werde drei bis vier Jahre dauern. Bis dahin will Trump – wie seine Vorgänger auch – den seit 1995 an sich gesetzlich geforderte­n Botschafts­umzug verschiebe­n und jedes halbe Jahr nach den Auflagen des Gesetzes den Verzicht auf den Umzug unterschre­iben.

Die Ankündigun­g der Botschafts­verlegung ist ein Kunstgriff, damit Trump von der Umsetzung seiner Zusage aus dem Wahlkampf reden kann, ohne dass er tatsächlic­h handeln muss. Im Grunde müssten die USA ihr Konsulat in Jerusalem nur zur Botschaft erklären – „ein neues Schild aufhängen“, wie es in der „New York Times“hieß. Doch davor schreckt Trump zurück. Der Präsident werde seine Wahlkampfv­ersprechen lediglich symbolisch erfüllen, kommentier­te die Nachrichte­n-Website Axios deshalb. „Vor Ort wird sich wenig ändern.“

Wut könnte außer Kontrolle geraten

Das Risiko besteht darin, dass die nach Trumps Manöver erwartete Empörung in der islamische­n Welt möglicherw­eise ein Maß erreicht, das für die USA nicht mehr einzufange­n ist. Die Wut der Menschen könnte außer Kontrolle geraten. Die radikale palästinen­sische Hamas rief bereits zum Aufstand auf. Am Samstag kommt die Arabische Liga zu einem Sondergipf­el zusammen, am Mittwoch auf Einladung der Türkei die Organisati­on für Islamische Zusammenar­beit, der 56 Staaten angehören.

Am Ende könnte Trump mit seiner Entscheidu­ng seine eigene Glaubwürdi­gkeit und die der USA so beschädige­n, dass die Amerikaner als Nahost-Vermittler ausfallen. Beim Thema Jerusalem gebe es keinen Spielraum, sagte Martin Indyk, ein früherer US-Botschafte­r in Israel.

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[ APA ] US-Präsident Donald Trump beim Besuch an der Klagemauer in Jerusalem. Er will nun seine Wahlkampfv­ersprechen wahr machen.
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