Trump bricht Jerusalem-Tabu
USA. Präsident Trump erkennt Jerusalem als Hauptstadt Israels an. Damit löst er ein Wahlversprechen ein und bringt die gesamte islamische Welt auf die Barrikaden. Als Nahost-Vermittler sind die USA aus dem Spiel.
Washington. Wenn Präsident Donald Trump vorgehabt hat, mit der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels seine rechtsgerichteten und jüdischen Anhänger glücklich zu machen, dann konnte er schon mit der offiziellen Verkündung seiner neuen Politik am Mittwoch von Erfolg sprechen: „Halleluja“, jubelte die rechtspopulistische Website Breitbart.
Araber und Muslime schäumen jedoch weltweit, und auch in den USA trifft Trump auf viel Kritik. Die Initiative des Präsidenten sei „unverantwortlich“, schimpfte der ehemalige amerikanische Spitzendiplomat Nicholas Burns auf Twitter.
Trotz heftiger Kritik aus der islamischen Welt wollte Trump im Weißen Haus in einer Rede als erster Präsident seines Landes die für Juden, Muslime und Christen heilige Stadt Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen und die Verlegung der US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem ankündigen. Damit bricht er mit einer jahrzehntealten Tradition der US-Politik und erfüllt ein Wahlkampfversprechen an christliche Fundamentalisten und proisraelische Geldgeber. Dazu gehört der Casinobesitzer Sheldon Adelson, der 25 Millionen Dollar für Trumps Wahlkampf gespendet hatte, und der sich laut „New York Times“in den vergangenen Monaten verärgert über Trumps Zögern in der Angelegenheit gezeigt hatte.
Der „ultimative Deal“muss warten
Um nicht alle Chancen auf den „ultimativen Deal“eines Friedensschlusses zwischen Israelis und Palästinensern zunichte zu machen, versieht der Präsident seinen Vorstoß mit mehreren Einschränkungen: Trump will Entschlossenheit demonstrieren, aber zumindest auf absehbare Zeit nicht allzu viel Konkretes ändern. Die Frage ist, ob er damit bei den diversen Akteuren im Nahen Osten auf viel Verständnis trifft. Die US-Regierung und Israel stellen sich jedenfalls auf eine Welle der Gewalt ein.
Vor der Präsidentenrede bemühten sich Regierungsvertreter, Trumps Affront gegenüber den Palästinensern und Arabern als Chance für den Frieden schönzureden. Dass die US-Botschaft bisher in Tel Aviv geblieben sei, habe Israelis und Palästinenser ja auch nicht enger zusammengebracht, lautet das Argument. In der Rede wollte sich Trump demnach zur Zwei-Staaten-Lösung bekennen, was er bisher vermieden hatte. Damit erfüllt er eine Forderung der Palästinenser, tut aber nicht mehr, als auf die traditionelle Linie der amerikanischen NahostPolitik einzuschwenken: Bisher sah Washington ein friedliches Nebeneinander von Israel und einem künftigen Palästinenserstaat als einzigen gangbaren Weg.
Laut amerikanischen Regierungsvertretern wollte sich Trump auch nicht auf einen endgültigen Status Jerusalems festlegen. Demnach vermeidet er eine Aussage darüber, ob auch der von Israel 1967 eroberte palästinensische Ostteil der Stadt mit dem Tempelberg aus Sicht der USA zu Israel gehöre oder nicht. Der Präsident wird auch nicht die israelische Position übernehmen, wonach Jerusalem die „unteilbare“Hauptstadt des jüdischen Staates sei.
Vorerst ändert sich nicht viel
Vorerst wird in Jerusalem alles beim Alten bleiben: Obwohl es im Vorfeld der TrumpRede hieß, die Botschaft könne schon im Frühsommer des kommenden Jahres von Tel Aviv nach Jerusalem umziehen, sagten Regierungsvertreter am Dienstagabend, der Prozess der Botschaftsverlegung werde drei bis vier Jahre dauern. Bis dahin will Trump – wie seine Vorgänger auch – den seit 1995 an sich gesetzlich geforderten Botschaftsumzug verschieben und jedes halbe Jahr nach den Auflagen des Gesetzes den Verzicht auf den Umzug unterschreiben.
Die Ankündigung der Botschaftsverlegung ist ein Kunstgriff, damit Trump von der Umsetzung seiner Zusage aus dem Wahlkampf reden kann, ohne dass er tatsächlich handeln muss. Im Grunde müssten die USA ihr Konsulat in Jerusalem nur zur Botschaft erklären – „ein neues Schild aufhängen“, wie es in der „New York Times“hieß. Doch davor schreckt Trump zurück. Der Präsident werde seine Wahlkampfversprechen lediglich symbolisch erfüllen, kommentierte die Nachrichten-Website Axios deshalb. „Vor Ort wird sich wenig ändern.“
Wut könnte außer Kontrolle geraten
Das Risiko besteht darin, dass die nach Trumps Manöver erwartete Empörung in der islamischen Welt möglicherweise ein Maß erreicht, das für die USA nicht mehr einzufangen ist. Die Wut der Menschen könnte außer Kontrolle geraten. Die radikale palästinensische Hamas rief bereits zum Aufstand auf. Am Samstag kommt die Arabische Liga zu einem Sondergipfel zusammen, am Mittwoch auf Einladung der Türkei die Organisation für Islamische Zusammenarbeit, der 56 Staaten angehören.
Am Ende könnte Trump mit seiner Entscheidung seine eigene Glaubwürdigkeit und die der USA so beschädigen, dass die Amerikaner als Nahost-Vermittler ausfallen. Beim Thema Jerusalem gebe es keinen Spielraum, sagte Martin Indyk, ein früherer US-Botschafter in Israel.