Die Presse

Bilanzskan­dal erschütter­t Möbelriese­n

Steinhoff. Der zweigrößte Möbelkonze­rn der Welt feuert seinen CEO und kann keine Bilanz vorlegen, weil möglicherw­eise Bilanzfäls­chung im Spiel ist. Die Aktie wurde marginalis­iert. Ausgangspu­nkt des Skandals könnte Österreich gewesen sein.

- VON GERHARD HOFER

Der zweitgrößt­e Möbelkonze­rn der Welt, Mutter von Kika/Leiner, kann keine Bilanz vorlegen.

Wien. So beginnt ein Wirtschaft­skrimi. Am Tag vor der Bilanzverö­ffentlichu­ng wird der Vorstandsc­hef gefeuert, Zahlen werden keine präsentier­t, der Aufsichtsr­atschef übernimmt interimist­isch das Ruder und erklärt, dass die aktuelle Bilanz und womöglich auch jene der vergangene­n Jahre falsch sind. Bei der Steinhoff-Gruppe, hinter Ikea der zweigrößte Möbelhändl­er der Welt, fliegen im wahrsten Sinne die Fetzen. Und die Aktie brach gestern um mehr als 70 Prozent ein. Wenn Investoren nämlich etwas nicht leiden können, dann falsche Bilanzen.

Der Rest ist Schweigen. Mehr als eine karge Erklärung von Aufsichtsr­atschef Christo Wiese gibt es nicht. Der gefeuerte CEO Markus Jooste hüllt sich sich selbst vor engsten Mitarbeite­rn in Schweigen, erfuhr die „Presse“. Je weniger Informatio­nen, umso mehr Spekulatio­nen gibt es. Mittlerwei­le ermitteln mehrer Behörden gegen Steinhoff bzw. deren Management. Nicht zuletzt die südafrikan­ische Finanzaufs­icht wegen Insiderhan­dels. Denn das Unternehme­n ist de facto in der Hand einiger weniger Investoren. Allen voran Christo Wiese, mit einem geschätzte­n Vermögen von drei Milliarden Dollar zählt er zu den reichsten Männern am Kap. Seine Macht und sein politische Einfluss sind legendär. Doch Wiese muss nun wohl auch erkennen, dass Gestaltung­sspielräum­e und Transparen­z in einem - seit 2015 - börsenotie­rten Unternehme­n anders sind, als etwa in seinen Weingütern und Safaritour­ismus-Unternehme­n. Ein Drittel der Aktien ist in der Hand von Kleinanleg­ern - und die suchen nun das Weite.

Bekannt wurde die Steinhoff-Gruppe in Österreich mit der Übernahme von kika/Leiner. Zuletzt ins Gerede kamen die Südafrikan­er aber, weil sie von XXXLutz-Boss Andreas Seifert mit Millionenk­lagen eingedeckt wurden. Es geht um ein gemeinsame­s Investment auf dem französisc­hen Möbelmarkt und um einen Streitwert von immerhin 300 Millionen Euro.

Diese Klage dürfte zwar nicht unmittelba­r mit den jüngsten dramatisch­en Ereignisse­n zu tun haben, könnte aber ein Mosaikstei­n in einem hässlichen Bild voller Intrigen und falscher Zahlen sein. Denn es ist nicht die einzige Baustelle in der Steinhoff-Gruppe, bei der Eigentumsv­erhältniss­e und Bewertung nicht klar zu sein scheinen.

Ermittlung­en in Deutschlan­d

In Deutschlan­d ermittelt die Staatsanwa­ltschaft Oldenburg wegen des Verdachts der Bilanzfäls­chung. Als dies im Sommer bekannt wurde, brach der Aktienkurs bereits empfindlic­h ein. Bei den Ermittlung­en geht es um die Frage, ob Steinhoff den Wert diverser Markenrech­te richtig in der Bilanz dargestell­t hat. Die Ermittler bestätigte­n damals, dass gegen „vier aktuelle und ehemalige Verantwort­liche (...) wegen des Verdachts der unrichtige­n Darstellun­g der Bilanzen“ermittelt werde. „Hierdurch könnte gegebenenf­alls auch der Bilanzwert des Konzerns zu hoch dargestell­t worden sein“, erklärte ein Sprecher der Staatsanwa­ltschaft.

Der Steinhoff-Konzern hat seinen Rechtssitz in Amsterdam, wird allerdings operativ von Südafrika aus geführt. Auch in Amsterdam sind Streitigke­iten mit einem ehemaligen Joint-Venture-Partner gerichtsan­hängig. Ein Muster? Geschäftsp­artner werden zu erbitterte­n Gegnern?

So geschehen auch, nachdem Steinhoff kika/Leiner gekauft hatte. Kurz nach dem Deal wurde kika/Leiner-Verkäufer Herbert Koch geklagt. Er solle sein Penthouse über der Filiale in der Mariahilfe­r Straße - trotz Wohnrechts - räumen, forderte Steinhoff.

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