Die Presse

Junckers zaghaftes Euro-Reförmchen

Währungsun­ion. Schon 2019 könnte ein EU-Minister für Finanzen und Wirtschaft sein neues Amt antreten. Seine Kompetenze­n wären aber ebenso vage wie jene eines neuen EU-Währungsfo­nds.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Der Chef selber war wieder einmal nicht zugegen, als ein wesentlich­er Vorschlag seiner Europäisch­en Kommission den internatio­nalen Medien vorgestell­t wurde. Der „Fahrplan für die Vertiefung der Wirtschaft­s- und Währungsun­ion Europas“, den JeanClaude Juncker im September im Straßburge­r Plenarsaal skizziert hatte und den am Mittwoch drei seiner Kommissare vorstellte­n, enthält zwei wesentlich­e Elemente. Erstens schlägt die Kommission vor, den Europäisch­en Stabilität­smechanism­us (ESM) in einen Europäisch­en Währungsfo­nds (EWF) umzuwandel­n. Zweitens legt sie dar, wieso es sinnvoll wäre und keiner Änderung der Europäisch­en Verträge bedürfte, einen Europäisch­en Minister für Wirtschaft und Finanzen zu schaffen, der bereits im Herbst 2019 als Mitglied der nächsten Kommission auch Eurogruppe­nchef sein könnte.

Demokratis­che Euro-Kontrolle

Ziemlich weit sind die Überlegung­en der Kommission bei der Schaffung des EU-Währungsfo­nds vorangesch­ritten. Er solle durch eine Verordnung der Mitgliedst­aaten, welcher das Europaparl­ament zustimmen müsste, aus dem ESM umgegründe­t werden. Zur Erinnerung: das ist jenes Vehikel, welches 2012 im Zuge der Eurokrise als zwischenst­aatlicher Notfonds der Euroländer geschaffen wurde und derzeit bis zu einer halben Billion Euro an Nothilfen vergeben kann.

Die Kommission möchte dieses Vehikel fix in die Architektu­r der Union einbauen, als echte EUEinricht­ung und – das wäre die kleine, aber wesentlich­e Neuerung – mit einer zumindest rudimentär­en demokratis­chen Legitimier­ung auf europäisch­er Ebene. Der eingangs erwähnte neue Euro-Finanzmini­ster wäre als Eurogruppe­nchef nämlich auch Vorsitzend­er des Gouverneur­srates, welcher den Direktor des Währungsfo­nds bestellt. Und zugleich wäre dieser Euro-Finanzmini­ster als Mitglied der Kommission vom Europaparl­ament zu bestellen (oder seine Kandidatur abzulehnen, wie das bisher jedes Mal zumindest einem Anwärter au feinen Kommiss ionsposten widerfahre­n ist ).

Eine weitere Neuerung bestünde darin, dass dieser Fonds nur eine Mehrheit von 85 Prozent seiner Mitglieder benötigen würde, um ein Hilfsprogr­amm zu lancieren. Beim ESM gilt derzeit Einstimmig­keit. Die Stimmrecht­e wären weiterhin nach den Einzahlung­en der Mitgliedst­aaten berechnet, Deutschlan­d behielte folglich das Vetorecht. Kapitalerh­öhungen hingegen müssten weiterhin einstimmig beschlosse­n werden.

Der Währungsfo­nds wäre weiters jene Stelle, die als Notfallsfo­nds fürdi eR estrukturi­erungm ar oder Banken im Rahmen des Einheitlic­hen Banken abwicklung­s mechanismu­s dienen könnte. Auf diese Einrichtun­g einigte man sich in der EU, um zu verhindern, dass eine kaputte Großbank die gesamte Währungsun­ion mit in den Abgrund zieht. Schrittwei­se soll die- ser Mechanismu­s durch Einzahlung­en der Banken in einen Abwicklung­sfonds eine Geldquelle erhalten, die dann wirksam wird, wenn die Aktionäre, Gläubiger und Großeinleg­er der betroffene­n Bank bereits zum Handkuss gekommen sind. Weil dieser Fonds aber bei einem richtig großen Bankenkrac­h zu klein wäre, solle der Währungsfo­nds als zusätzlich­e Sicherung mit (nach dem Vorschlag der Kommission) bis zu 60 Milliarden Euro zur Verfügung stehen.

Stille in Paris, Plazet aus Berlin

Sehr vage hingegen ist die Beschreibu­ng der Rolle des Währungsfo­nds als mögliches künftiges europäisch­e Notfallsbu­dget für Wirtschaft­skrisen. So etwas hatte Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron im September in seiner Rede an der Sorbonne geforderte und von zwei Prozent oder mehr der Wirtschaft­sleistung Europas gesprochen. Die Kommis- sion gab dezidiert keine Zahlen dafür bekannt, dies wolle sie erst im Mai 2018 tun, bei der Vorstellun­g ihrer Ideen für den nächsten mehrjährig­en Finanzrahm­en.

Unscharf war auch ihr Vorschlag für den Euro-Finanzmini­ster. Er soll „helfen, die allgemeine­n Interessen der Union und der Eurozone besser zu bewerben“, die „Funktion als Außenvertr­eter des Euro einnehmen“, „bei der Identifika­tion und Verfolgung einer angemessen­en Fiskalpoli­tik für die gesamte Eurozone helfen“und die Eurogruppe leiten. Ein eigenes Budget bekäme er nicht.

Aus Paris gab es vorerst keine Reaktion, aus Berlin kam prinzipiel­ler Zuspruch. Es handle sich um „einen wichtigen Beitrag“, der verdiene, „von allen Mitgliedst­aaten achtsam und konstrukti­v behandelt zu werden“, teilte Peter Altmaier, Finanzmini­ster und Vertrauter von Kanzlerin Angela Merkel, via Twitter mit.

 ?? [ APA ] ?? Kommission­svorsitzen­der Juncker (l.) muss die Regierunge­n von seinen Euro-Plänen noch überzeugen.
[ APA ] Kommission­svorsitzen­der Juncker (l.) muss die Regierunge­n von seinen Euro-Plänen noch überzeugen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria