Ein seltsamer Finanzminister soll das werden
Was macht ein Schatzmeister ohne Schatz, ohne Steuern und ohne Finanzausgleich?
Die EU-Kommission will ihn, viele Regierungen wollen ihn. Deshalb wird es ihn eines Tages geben: den Euro-Finanzminister. Aber das Grundproblem ist, dass sich jeder etwas anderes unter ihm vorstellt. Für Paris ist er der Wirtschaftsmanager, der für Investitionen und gute Bedingungen für Unternehmen sorgt. Für Berlin ist er der Dompteur verschuldeter Staaten. Für Griechenland ist er Ansprechpartner für eine Umverteilung vom Norden nach Süden.
Jeder weiß, dass die Eurozone besser geführt werden muss, um Verwerfungen zu verhindern. Aber was soll ein Schatzmeister ohne Schatz, ein Finanzminister, der keine Steuern einnimmt und nichts zu verteilen hat? Die Etablierung dieses Amtes wird irgendwann all diese Fragen ans Tageslicht befördern. Es wird eine Antwort erwartet, ob er nur Koordinator der Eurogruppe und Verbindungsmann bzw. -frau zur Kommission bleibt, oder doch den Grundstein für einen europäischen Finanzausgleich legt?
Der Begriff „Euro-Finanzminister“ist Hochstapelei, wenn er all diese Aufgaben nicht erfüllt. Vielleicht wird er deshalb eines Tages zum „Hohen Beauftragter für den Euroraum“degradiert, so wie bereist die EU-Außenministerin, die zwar einen diplomatischen Dienst unterhält, aber kaum Verhandlungsautonomie besitzt. Niemand in Brüssel scheint zu bedenken, welche Erwartungshaltungen hier ausgelöst werden.