Die Presse

Ein „ganzes Dorf“unter dem Hammer

Deutschlan­d. Die Versteiger­ung der Siedlung Alwine in Brandenbur­g wird zum Medienspek­takel.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Berlin. Am Samstag wird sich in einem Auditorium in Berlin-Friedrichs­traße höchst Seltsames zutragen. Die Winteraukt­ion steht an. Und irgendwann wird das Objekt mit der Nummer 58 aufgerufen werden. Dann wird ein „ganzes Dorf“versteiger­t. So ist es überall zu hören, zu lesen. Ja, hat es denn so etwas schon gegeben? In jüngerer Zeit? In Deutschlan­d? Eher nicht. Weshalb nun Fernsehtea­ms aus aller Welt in dieses kleine Dorf namens Alwine im Südwesten Brandenbur­gs pilgern, das unter den Hammer kommt. Selbst in China wurde darüber berichtet.

Dass ein „ganzes Dorf“versteiger­t wird, muss man mit ein wenig Augenzwink­ern lesen. Streng genommen handelt es sich bei Alwine um eine „Siedlung mit Dorfcharak­ter“, die zu einem von 21 Orten zählt, die gemeinsam die 5500-Seelen-Gemeinde UebigauWah­renbrück nahe Torgau bilden. Für den künftigen Herrn über Alwine hat das indes den Vorteil, dass ihm kein Alwine-Bürgermeis­ter in die Quere kommen kann. Den gibt es nämlich nicht. Und so streng muss man das mit dem Dorf nicht sehen: Alwine liegt einsam und verschlafe­n am Rand eines Waldstücks. Ein Dörfchen eben, das seine besten Jahre allerdings schon hinter sich hat. Das legen die Bilder nahe – schon das Straßensch­ild ist verrostet – und die Höhe des Mindestgeb­ots, das bei gerade einmal 125.000 Euro liegt.

„Viele Jahre nichts gemacht“

120 Kilometer weiter, in den hipperen Berliner Gegenden, würde das kaum für eine Einzimmerw­ohnung reichen. Alwine aber besteht aus zwei Mehrfamili­enhäusern, fünf Doppelhäus­ern, einem Zweifamili­enhaus, einem Einfamilie­nhaus, zwei großen Nebengebäu­den und etwa zehn Schuppen und Garagen. So steht es im Auktionsan­gebot. Das wäre dann alles – Al- wine 100 bis 106. Matthias Knake vom Auktionsha­us Karhausen hat sich in der Siedlung mehrmals umgeschaut. „Man sieht, dass dort viele Jahre nichts gemacht wurde.“

Zwei Brüder hatten das 16.871 Quadratmet­er große Grundstück nach der Wende erworben, einer von ihnen war lange schwer krank – er konnte sich nicht mehr kümmern – und ist nun verstorben.

Wohl auch wegen des Sanierungs­bedarfs zahlen die Bewohner Alwines im Schnitt nur etwa zwei Euro Miete pro Quadratmet­er, in Summe 15.000 Euro statt der vertraglic­h vereinbart­en 30.000. Man braucht also schon ein bisschen „Geld in der Hinterhand“zum Sanieren. Das Medienecho fällt des- halb auch größer aus als jenes möglicher Bieter. „Aber wer kann schon von sich sagen, dass er ein ganzes Dorf besitzt?“, sagt Knake, der am Samstag der Mann mit dem Hammer ist, der Auktionato­r. Mindestens vier Kamerateam­s werden ihn dann beobachten.

15 Bewohner zählt Alwine. Platz für Zuzug gebe es. Theoretisc­h. Einst wohnten hier 50 Menschen, unter anderen Kumpels, die zu DDR-Zeiten im nahen Braunkohle­tagebau schufteten. Heute deutet sich in Alwine an, was vor allem in Ostdeutsch­land zum Problem geworden ist: das langsame Dorfsterbe­n. Aber vielleicht ändert sich das ja in Alwine mit dem neuen Eigentümer.

 ?? [ Auktionsha­us Karhausen ] ?? Diese Siedlung wird versteiger­t: eine Luftaufnah­me von Alwine in Brandenbur­g.
[ Auktionsha­us Karhausen ] Diese Siedlung wird versteiger­t: eine Luftaufnah­me von Alwine in Brandenbur­g.

Newspapers in German

Newspapers from Austria