Diese Sängerin will nicht geküsst werden
Carla Bruni hauchte im Wiener Konzerthaus swingende Popklassiker und sentimentale Chansons.
„Aber Maman, das klingt ja nach Jazz!“rief ihr 16-jähriger Sohn aus, als er Carla Brunis zart torkelnde Version von AC/ DCs „Highway To Hell“zum ersten Mal hörte. Tatsächlich: Ihr Album „French Touch“, auf dem sie allerlei amerikanische Songs mit dem französischen Extra ausstattet, swingt fein. Die aus Turin stammende Wahlfranzösin, durch ihre Heirat mit dem damaligen französischen Präsidenten Sarkozy zur Pflichtfranzösin geworden, versteht es, die teils ziemlich biederen Covers mit dem gewissen Oh-la-` la` auszustatten. Und Zeilen wie „Sometimes it’s hard to be a woman giving all your love to just one man“dürften dem monogam gewordenen Ex-Model immer noch aus der Seele sprechen . . .
Die Zeit ist ein Mistkerl!
Kühl soll sie einst ihre Liebhaber abserviert haben, kühl wirkte sie auch im Konzerthaus. Zunächst nahm sie auf einen Spaziergang zu den Flüssen mit, gab „Le Chemin de Rivieres“zart groovend. Es folgten u. a. ein klug gehauchtes „Enjoy The Silence“(Depeche Mode) und ein ätherisches „Perfect Day“. Dessen Autor Lou Reed nennte sie „Monster des Songwriting“, während sie ihr Becken in der passfeinen schwarzen Lederhose rotieren ließ. „Quelque m’a dit“wurde gleich nach den ersten Tönen beklatscht. Kein Wunder, enthält dieses possierliche Chanson doch Zeilen wie: „Man sagt mir, dass die Zeit ein Mistkerl ist, dass sie sich aus unserem Kummer Mäntelchen näht.“Einem Mannequin im Ruhestand nimmt man solch ein Lamento gerne ab. Es hatte durchaus Poesie, wenngleich es nicht so ans Herz ging, wie wenn Michael Heltau dieselbe Thematik in „Annageln kannst es net, die Zeit“singt.
Besser ging es Bruni mit zwei Filmschlagern. „Moon River“sang sie mit rauchiger Stimme zu Ziehharmonika und Cello. Noch anheimelnder: das einst von Rita Hayworth gehauchte „Please Don’t Kiss Me“. Vor „Love Letters“dachte sie laut über das Aussterben des Liebesbriefs nach: „Kann man einen Bildschirm küssen?“Höhepunkte waren der Stones-Disco-Schnalzer „Miss You“sowie das sentimentale „Le Garcon¸ triste“: der wohl französischste Moment an diesem so angenehm dahinplätschernden Abend.