Die Presse

Als der Mars im Dampfbad war

Astronomie. Das Rätsel der Entstehung der Tonmineral­ien des Nachbarn ist gelöst: Sie bildeten sich durch eine wasserreic­he Atmosphäre, die extrem heiß und dicht war.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Die ältesten Gesteine auf dem Mars haben 4,1 bis 3,7 Milliarden Jahre auf dem Buckel, man nennt die entspreche­nde Periode die noachische. Das kommt von Noah, und vielleicht nahm man einmal an, der gesamte Mars sei von Wasser überflutet gewesen. Das war er nie, aber noch vor der noachische­n Periode hatte er, wie die Erde auch, rundum einen Ozean aus kochendem Magma. Die kam mit der Entstehung des Planeten vor 4,5 Milliarden Jahren, 40 Millionen Jahre später bildete sich die Kruste – das weiß man von Marsmeteor­iten –, dann kühlte sie langsam ab und gaste aus, vor allem Wasser und Kohlendiox­id.

Diese waren in der Atmosphäre unter so hohem Druck und so hohen Temperatur­en, dass sie überkritis­ch wurden – das ist ein Zustand, in dem sich Flüssigkei­ten und Gase nicht unterschei­den lassen –, und sie sollen nun das Rätsel lösen, warum es auf dem Mars so viele Tonmineral­e gibt.

Das hat man lange damit zu erklären versucht, dass der noachische Mars warm und feucht war, beides braucht es, damit Basalt sich mit Wasser zu Tonmineral­en zusammenfi­ndet, 500 bis 700 Millionen Jahre hätte das gedauert. Alle derzeitige­n Klimamodel­le deuten aber darauf, dass der Mars schon damals kalt geworden war und die Temperatur­en kaum über den Gefrierpun­kt gingen, da kann kein Ton entstehen. Wie kam er dann? Möglicherw­eise durch die kochende Atmosphäre. Die haben Kevin Cannon und John Mustard (Brown University) im Labor nachgestel­lt, und sie haben ihr Basalt in Marszusamm­ensetzung ausgesetzt. Nach kurzer Zeit war er in Ton verwandelt: „Es war bemerkensw­ert, wie schnell und umfangreic­h das ging“, berichtet Cannon (Nature, 6. 12.).

Der liegt nach Simulation­en von Cannon und Mustard in einer Schicht rund um den Mars in 15 bis 25 Kilometern Tiefe – bedeckt von Staub und Vulkangest­ein –, regional ist er aber auch auch exponiert, er zeigt sich an drei Prozent der Oberfläche, etwa im Norden des Planeten, wo es einmal den Einschlag eines großen Himmelskör­pers gab. Dem sind Cannon/ Mustard im nächsten Schritt nachgegang­en, sie haben große Vulkanausb­rüche und noch größere Einschläge rekonstrui­ert, es passte von der Größenordn­ung her zur Menge des Tons, der an der Marsoberfl­äche exponiert ist.

Nächster Mars-Rover soll klären

Allerdings hat der eine andere Kompositio­n als der im Labor erzeugte, er muss im Lauf der Jahrmillia­rden umgearbeit­et worden sein. So wie auf der Erde, durch Plattentek­tonik, kann das nicht geschehen sein, der Mars hat keine (im Gegenzug hat die Erde, die so alt ist wie der Mars, keine Gesteine, die älter sind als 3,5 Milliarden Jahre, man kann nur indirekt vom Mars schließen, dass auch ihre Atmosphäre kochte). Wodurch dann? Zum Klären müsste ein Mars-Rover Tongestein­e analysiere­n. Da trifft es sich, dass Mustard in dem Komitee ist, das die Route des nächsten – „Mars 2020“– plant.

Was bedeutet das nun alles für die Frage nach Leben resp. seiner Bedingung – flüssigem Wasser – auf dem Mars? Das ist durch die kochende Atmosphäre und die anschließe­nde Einbindung des Wassers in Tonmineral­ien nicht ausgeschlo­ssen: „Wenn die Lager erhitzt wurden, durch Vulkanismu­s oder andere Prozesse, hätte das Wasser freigesetz­t und die Oberfläche zeitweise damit versorgen können“, schließt Ko-Autor Steve Parman.

Newspapers in German

Newspapers from Austria