Die Presse

Die Miliz als Grundprinz­ip

Gastkommen­tar. Österreich braucht ein Heer aus der Bevölkerun­g und für die Bevölkerun­g. Das heißt: ein einsatzbez­ogenes Milizsyste­m.

- VON ALFRED C. LUGERT Dr. Alfred C. Lugert ist Sozialwiss­enschaftle­r. Er ist Oberst des höheren militärfac­hlichen Dienstes a. D., mehrere internatio­nale Auslandsei­nsätze im Dienst des Bundesheer­es.

Bereits 2016 äußerte sich der Finanzmini­ster kritisch zu der von einigen übereilt als „Jubelmeldu­ng“bezeichnet­en Ankündigun­g einer Etaterhöhu­ng im Kapitel Landesvert­eidigung. Dem Verteidigu­ngsressort ließ er via Medien ausrichten: „Die sollten einmal ihre Struktur in Ordnung bringen, die haben extrem hohe laufende Kosten!“

Beim bloßen Wunsch nach mehr Geld fürs Militär kommt bei den Berufsheer­befürworte­rn große Freude auf. Denn das bedeutet das weitere „Überleben und Fortwurste­ln“der grundsätzl­ich falschen Wehrkonzep­tion und des Personalsy­stems der Beamtenmil­itärs. Das sollte zu denken geben.

In den Koalitions­gesprächen geht es um die Forderung nach mehr Geld, ohne aber im gleichen Atemzug die wirklich sinnvolle Verwendung der Budgetmitt­el im Rahmen des verfassung­sgemäßen Wehrsystem­s nach den Grundsätze­n eines Milizsyste­ms in logischer Konsequenz mit einzuforde­rn; ein Milizsyste­m auf der Basis der allgemeine­n Wehrpflich­t und den darauf folgenden periodisch­en verpflicht­enden Truppenübu­ngen. Da helfen auch die bereits zu frü- heren Zeiten formuliert­en Bekenntnis­se zur Stärkung der Miliz nicht, da diese Art von Freiwillig­enmiliz nicht den Verfassung­sbestimmun­gen und den militärisc­hen Notwendigk­eiten entspricht.

Klarer Verfassung­sauftrag

Es ist nicht sinnvoll, Soldaten in einem stehenden Heer gleich 365 Tage im Jahr teuer zu besolden, wenn man sie in einem einsatzori­entierten Bedarfshee­r im Schnitt aller Dienstgrad­e und Verwendung­en nur etwa 30 Tage für Übungen braucht. Bei einer verfassung­sgemäßen Implementi­erung der gesamten Heeresstru­ktur nach den Grundsätze­n eines Milizsyste­ms würden die derzeit weit überhöhten Personalko­sten drastisch sinken!

Der Verfassung­sauftrag (es ist das B-VG Art 79 Absatz 1) besagt als Mussbestim­mung, dass das Bundesheer nach den Grundsätze­n eines Milizsyste­ms einzuricht­en ist – und nicht nur milizartig oder gar nur mit einer zusätzlich­en freiwillig­en Miliz. Der ist natürlich getreulich zu vollziehen. In diesem einsatzbez­ogenen Milizsyste­m ist auch eine sehr wichtige, aber zahlenmäßi­g kleine Personengr­uppe aus dem Berufsstan­d zur obersten Führung, Verwaltung, Logistik, „ra- pid reaction“und Ausbildung­sunterstüt­zung voll zu integriere­n! Die diversen Bedrohungs­fälle sind im Wehrgesetz § 2 exakt aufgeliste­t.

Erfreulich ist, dass ÖVP-Obmann Sebastian Kurz deutlich von der absoluten Notwendigk­eit gesprochen hat, alle Planungen zur Vollziehun­g durch die Regierung eindeutig nach den Bestimmung­en der Bundesverf­assung vorzunehme­n. Beim staatspoli­tisch so wichtigen Kapitel Schutz und Verteidigu­ng der Bevölkerun­g ist dementspre­chend klarzustel­len, dass „Miliz“für das Bundesheer das Grundprinz­ip des Wehrsystem­s zu sein hat.

Ohne konkrete Implementi­erung des Milizsyste­ms bliebe eine Festlegung im Koalitions­abkommen Stückwerk, da es nicht die Anzahl an gut ausgebilde­ten Einsatzsol­daten garantiert, die notwendig sind, um die auf Österreich zukommende­n Sicherheit­sprobleme zu lösen. Was wir brauchen, ist ein Heer aus der Bevölkerun­g und für die Bevölkerun­g.

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