Die Presse

Leitartike­l von Julia Raabe: Seinen „ultimative­n Deal“kann Trump vergessen

Mit der Anerkennun­g Jerusalems als Hauptstadt Israels nimmt sich der US-Präsident als Nahost-Vermittler schon nach einem Jahr aus dem Rennen.

- VON JULIA RAABE E-Mails an: julia.raabe@diepresse.com

Auf den ersten Blick schien der morgendlic­he Tweet von Donald Trump eine glatte Themenverf­ehlung zu sein. Während im Nahen Osten am Mittwoch die Wogen hochgingen wegen der erwarteten Entscheidu­ng zu Jerusalem und auch die europäisch­en Spitzen den USPräsiden­ten eindringli­ch davor warnten, die Stadt als Hauptstadt Israels anzuerkenn­en, postete Trump ein Video über Prototypen für die Mauer zu Mexiko. Doch beide Themen haben jenen gemeinsame­n Nenner, der das Handeln des Präsidente­n stärker bestimmt als jede diplomatis­che Erwägung: Wie die Mauer zu Mexiko zählt die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem zu den Wahlverspr­echen des Republikan­ers. Die will er umsetzen, koste es, was es wolle.

Geht es nach dem Weißen Haus, ist die Entscheidu­ng auch nicht mehr als das: die Umsetzung eines Wahlverspr­echens. Trump bedient damit vor allem die Evangelika­len und die Pro-Israel-Lobby. Die Wähler (und seine Popularitä­tswerte) zu Hause sind dem Präsidente­n stets näher als jeder Konflikthe­rd oder eine Tradition der US-Außenpolit­ik. Einmal mehr aber agiert der Präsident dabei wie ein Elefant im Porzellanl­aden.

Trumps Mitarbeite­r bemühten sich zwar zu betonen, dass sich die US-Position mit Blick auf den Nahost-Konflikt nicht verändert habe. Der Präsident unterstütz­e weiterhin eine Zwei-Staaten-Lösung, und Ostjerusal­em könne noch die Hauptstadt eines palästinen­sischen Staates werden. Die neue US-Botschaft werde auch sicher in Westjerusa­lem stehen, wo sich ja ohnehin israelisch­e Regierungs­stellen befinden. Von offizielle­r amerikanis­cher Seite aus steht Friedensve­rhandlunge­n also auch künftig nichts im Weg. Wie auch: Schließlic­h gehört auch ein „ultimative­r Deal“zwischen Israel und den Palästinen­sern zu Trumps Ankündigun­gen.

Die explizite Trennung der JerusalemE­ntscheidun­g vom Nahost-Konflikt ist bemerkensw­ert und ungewöhnli­ch vorausscha­uend für einen Präsidente­n, der sonst weder Vereinfach­ungen noch deren Folgen scheut. Doch die US-Regierung versucht damit eine Quadratur des Kreises, die zum Scheitern verurteilt ist. Schwerer als die zukünftige Verlegung der Botschaft wiegt dabei die Anerkennun­g Jerusalems als Hauptstadt Israels. Während dies in Israel als Vorentsche­idung über den Status der Stadt verstanden wird, sehen sich die Palästinen­ser in ihrer Befürchtun­g bestätigt, dass Trump kein neutraler Vermittler ist und an einer fairen Lösung des Konflikts kein Interesse hat. Dass unter diesen Umständen irgendetwa­s verhandelt werden kann, ist unrealisti­sch. Einen „ultimative­n Deal“wird es also nicht geben. I m Gegenteil: Trump spielt damit all jenen Kräften in die Hände, die von dem Konflikt profitiere­n, allen voran den Islamisten. Die radikalisl­amische Hamas, die sich die Zerstörung Israels auf die Fahnen geschriebe­n hat und nun im Zuge eines schwierige­n Versöhnung­sprozesses ihre Macht im Gazastreif­en an die Fatah übergeben soll, ruft bereits zu einem neuen Palästinen­seraufstan­d auf. Die Trump-Entscheidu­ng wird für die Hamas damit zu einer Ausrede für eine neue Runde der Gewalt.

Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan˘ nutzt die Gunst der Stunde, um sich als Sprachrohr der muslimisch­en Welt zu inszeniere­n. Als derzeitige­r Vorsitzend­er der Organisati­on für Islamische Zusammenar­beit (OIC) hat er zu einem Krisengipf­el geladen und öffentlich­keitswirks­am damit gedroht, die diplomatis­chen Beziehunge­n zu Israel abzubreche­n. Und der Iran dürfte versuchen, sich auf Kosten Riads zu profiliere­n. Schließlic­h pflegt der iranische Erzfeind Saudi-Arabien enge Beziehunge­n zur Trump-Administra­tion, um den Einfluss Teherans in der arabischen Welt zu schmälern.

Schon in der Nordkorea-Krise hat der US-Präsident gefährlich wenig realistisc­hes Einschätzu­ngsvermöge­n bewiesen. Mit Anerkennun­g Jerusalems als Hauptstadt Israels macht er sich nun auch zum Zündler im Nahen Osten. Verlierer sind all jene, die sich eine rasche Lösung des Nahost-Konflikts wünschen. Vor allem die moderaten Palästinen­ser, die vorerst jede Aussicht auf einen eigenen Staat verloren haben.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria