Ein kleiner Adventfilmkalender
Streamingtipps. Weihnachten naht mit Riesenschritten. Ob man sich darauf freut oder nicht: Die Streamingdienste bieten für jedes Gemüt einen passenden Festtagsfilm. Fünf Empfehlungen für artige und unartige Zuschauer.
Das sogenannte Christmas Special hat in den USA Tradition. Als besinnliche TV-Revue mit Stars und Musikeinlagen sollte es am Heiligen Abend die Stimmung heben. Granden des Showgeschäfts gaben sich nahbar und traulich, als wären sie zu Gast im Wohnzimmer der Nation – und manchmal geschahen kleine Wunder: etwa, wenn David Bowie und Bing Crosby zusammen „Little Drummer Boy“anstimmten. Irgendwann sind diese Sondersendungen aus der Mode gekommen. Das Bedürfnis nach glamouröser Heimeligkeit blieb.
Mit „A Very Murray Christmas“versuchte Netflix, das Konzept für ein modernes Publikum neu aufzubereiten – mit Selbstironie. Wer würde sich da besser als Showmaster eignen als Amerikas Lieblingsgrantler Bill Murray? Er soll in der Bar des New Yorker Carlyle-Hotels ein Weihnachtsspecial filmen, hat aber keine Lust. Alle Promis haben abgesagt, draußen tobt ein kalter Wind, dann fällt auch noch der Strom aus. Doch nach ein paar Drinks taut Bill auf und ein paar gute Bekannte schneien herein: darunter Amy Poehler, George Clooney und Miley Cyrus. Gesungen wird viel – Klassiker wie „Stille Nacht“und Geheimtipps wie „Fairytale of New York“von den Pogues. Da wird selbst dem ärgsten Zyniker warm ums Herz. Advent, Advent, der Hut, er brennt: George Bailey, rechtschaffener Leiter einer kleinen Bausparkasse, steht am Weihnachtsabend kurz vor dem Bankrott – und der totalen Verzweiflung. Doch bevor er sich von einer Brücke stürzen kann, erscheint ihm der Schutzengel Clarence – und zeigt ihm, wie seine Heimatstadt ohne ihn aussehen würde. Frank Capras Parabel über den „anständigen Menschen“als letzte Bastion gegen die Übel einer skrupellosen Halsabschneiderwelt hat sich als Nachkriegspendant zu Charles Dickens’ „Weihnachtsgeschichte“zum US-Feiertagsfilm schlechthin gemausert, nicht zuletzt aufgrund der fantastischen Performance von James Stewart – und einer perfekten Balance zwischen Härte und Sentiment. Ein Detail, das man bei den Drehbuch- und Regiearbeiten von Shane Black („Lethal Weapon“) leicht übersieht: Sie spielen fast alle zur Festtagszeit. Auch sein letzter Film bildet da keine Ausnahme, obwohl er auf den ersten Blick nur wenig Weihnachtliches an sich hat. Los Angeles, 1977: Ein abgeklärter Auftragshaudrauf (Russell Crowe), ein verpeilter Privatdetektiv (Ryan Gosling) und dessen vorwitzige Tochter (Angourie Rice) ermitteln im Fall einer verschwundenen Pornodarstellerin und kommen einer Großverschwörung auf die Spur. Angetrieben wird die Krimikomödie vom Charme der Hauptdarsteller, Black-typischem Dialogwitz – und verkapptem Humanismus. Der Titel ist ernst gemeint. Aschenputtel, Cinderella, Popelka: Das Märchen vom Mädchen, das von der Tellerwäscherin zur Prinzessin avanciert, ging um die Welt – und wurde auch vom Kino immer wieder aufgegriffen. Eine der bekanntesten Adaptionen bleibt „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“vom tschechischen Regisseur Vaclav´ Vorl´ıcek,ˇ die es im deutschsprachigen Raum zum weihnachtlichen Fernsehdauerbrenner gebracht hat. Seine Magie gründet auch auf einer Umdeutung der Vorlage, die der Hauptfigur größere Handlungsmacht zuspricht.
Die betörende Musik Karel Svobodas, das bunte Kostüm, die verschneiten Kulissen und die gut gelaunten Schauspieler dieses unverhofften „Ostblock“-Erbes zaubern nach wie vor ein Lächeln ins Gesicht. Vom Himmel hoch, da kommt er her – und bringt Tod und Verderben. Nicht das Christkind ist gemeint, sondern der Krampus, der es nach Hollywood geschafft hat. Und sich dort ganz gut macht, auch wenn seine Leinwandinkarnation nur wenig mit heimischem Brauchtum zu tun hat. In Michael Doughertys Weihnachtshorrortrip (spätestens seit „Black Christmas“ein Genre für sich) beschwört ein kleiner Junge aus Ärger über die Streitlust seiner versammelten Sippschaft versehentlich einen alten Fluch herauf, ruft eine pelzige, behufte, schwere Ketten schwingende Überperchtengestalt auf den Plan, von der ihm seine Oma (gespielt von der Österreicherin Krista Stadler) nie erzählt hat. Diese schneit die ganze Vorstadt ein und hetzt eine Armada garstiger Spielzeugmonster auf die unartige Familie.
Resultat ist eine mitreißende Raunacht im Geiste von Joe Dantes „Gremlins“, voller schwarzen Humors, Analogeffekte, blutiger Action – und mit einer bissigen Moral: Es mag anstrengend sein, den Gemeinschaftsgeist des frohen Festes aufrechtzuhalten, doch die Konsequenzen seiner Vernachlässigung sind viel anstrengender. Eigentlich wusste man es ja schon immer: Zu Weihnachten geht es ums nackte Überleben.