Eine Gruppe von Ökostromproduzenten ist überzeugt, dass Österreich sie jahrelang um ihre Förderungen geprellt hat. Nun wollen sie klagen. Es geht um rund 800 Millionen Euro.
Biogas.
Wien. Im Sommer ging ein Aufatmen durch die heimische Biogasszene. Nach jahrelangem Tauziehen boxte die Agrarlobby Hunderte Millionen an Ökostromförderungen für ihre Biogasbauern durch, um die marode Branche drei weitere Jahre am Leben zu erhalten. Doch nicht alle teilen die Euphorie: „Die Einigung ist sinnlos“, sagt Robert Prochazka, selbst Betreiber mehrerer Biogasanlagen in Österreich und der Slowakei. Denn trotz staatlicher Beihilfen schreiben die meisten Biogasanlagen immer noch Verluste. Das System sei „ein Fass ohne Boden“und bringe „keinerlei technologischen Fortschritt“.
Nun will er mit einer kleinen Gruppe von Anlagenbetreibern das Heft selbst in die Hand nehmen. Sie sind überzeugt, dass die Republik ihnen seit Jahren zu wenig Förderungen ausbezahlt hat – und wollen klagen. „Es ist so weit“, sagt Prochazka zur „Presse“. Die notwendigen Financiers seien an Bord. Am kommenden Wochenende in Basel müsse die Entscheidung nur noch formal abgenickt werden.
„Biogas ist tot“
In ihrer Klage berufen sich die Betreiber auf das Ökostromgesetz aus dem Jahr 2002. Darin seien den Investoren – überwiegend Landwirten – 13 Jahre lang Einspeisetarife zugesichert worden, die sich „an den durchschnittlichen Produktionskosten von kosteneffizienten Anlagen orientieren“. Das sei nie passiert, kritisieren die Kläger nun.
Kaum stiegen die Rohstoffkosten, kamen die ersten Betreiber finanziell ins Schwimmen. Spätere Rohstoffzuschüsse und die erste Pleitewelle 2008 bis 2010 änderten wenig an der Misere für die Bauern. Auch Deutschland setzte die Förderung zunächst eher tief an, besserte die Tarife aber bald nach.
Genau das hätte auch die Republik Österreich tun müssen, meint die Gruppe um Prochazka. Spätestens nachdem die ersten Förderverträge ausgelaufen sind, hätte das Wirtschaftsministerium eine nachträgliche Tarifanpassung durchführen müssen. Das ist aber nie passiert. Und genau dagegen soll nun geklagt werden. Den Streitwert schätzen die Biogasbetreiber auf 700 bis 800 Millionen Euro.
Das zuständige Wirtschaftsministerium will die Causa auf Anfrage der „Presse“nicht kommentieren. Noch sei keine Klage eingebracht worden. Man werde sich erst dann damit beschäftigen, wenn es so weit sei. Rechtsexperten aus der Branche bewerten die Erfolgsaussichten der Klage uneinheitlich. „Die Republik kann sich hier nicht einfach zurücklehnen“, ist Prochazka überzeugt. Er pocht auf ein Einlenken des Staates, um hohe Kosten für die Stromkunden zu verhindern. Bis Februar will er das Gesprächsfenster für die neue Regierung offenhalten. Sein Vorschlag: Österreich solle den Betreibern einen knapp 300 Millionen Euro teuren Vergleich anbieten und sich im Gegenzug des Biogasproblems entledigen. „Biogas ist tot“, sagt er. Für die Stromproduktion sei die Technologie zu teuer. Begliche die Republik ihre „Schulden“, würden jedoch 70 Prozent aller Betreiber freiwillig schließen.
Wenig Freude bei Agrarlobby
Offizielle Vertreter der Ökobranche bleiben zurückhaltend: „Es bleibt jedem überlassen, seinen Weg zu gehen“, sagt Josef Plank, langjähriger Präsident des Dachverbands erneuerbare Energie. Hinter den Kulissen soll sich die Freude im Verband über Prochazkas Vorstoß aber in Grenzen halten. Kein Wunder: Für die Bauernschaft war das Kapitel Biogas erst der Auftakt. Das größere Kapitel kommt erst: Derzeit lobbyieren die Agrarier beim Wirtschaftsminister für eine Verlängerung der Förderungen für die sogenannte feste Biomasse, also für all jene Landwirte, die mit dem Verbrennen von Holz Ökostrom erzeugen. Eine Klage gegen die Republik dürfte die Chance auf reibungslose Verhandlungen nicht unbedingt steigern.