Die Presse

Geld weg: Steuerbera­ter haftet nicht

Schadeners­atz. Eine Mitarbeite­rin ließ das Steuerguth­aben eines Klienten auf ihr eigenes Konto überweisen. Weil das nicht von ihrem Arbeitsauf­trag umfasst war, haftet der Arbeitgebe­r nicht.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Über die Rückzahlun­g eines Steuerguth­abens freuen sich die meisten. Aber nur, wenn es auf dem eigenen Konto landet. Doch haftet eine Wirtschaft­sprüfungsk­anzlei dafür, wenn eine Mitarbeite­rin die Steuerrück­zahlung eines Klienten für sich selbst verwendet? Eine Frage, die es vor dem Obersten Gerichtsho­f zu klären galt.

Die Kanzlei hatte von einer GmbH die Vollmacht erhalten, sie in allen steuerlich­en und wirtschaft­lichen Angelegenh­eiten zu vertreten. Als Hauptanspr­echpartner wurde der GmbH eine Frau zugeteilt, die in der Kanzlei im Bereich Buchhaltun­g und Lohnverrec­hnung angestellt war. Sie arbeitete schon einige Jahre in diesem Büro, vor ihrer Anstellung hatte man ihre Verlässlic­hkeit anhand der Dienstzeug­nisse und durch eine Internetre­cherche überprüft. Die Frau durfte den Kanzleiste­mpel verwenden, und sie erhielt einen Finanz-Online-Zugang mit beschränkt­en Rechten. So durfte sie Abfragen tätigen und als gefahrlos geltende Anträge einbringen, etwa wenn es um Fristenver­längerunge­n oder Ratenansuc­hen ging.

Rückzahlun­gen vom Finanzamt einzuforde­rn war der Mitarbeite­rin aber nicht erlaubt. Das sollte dem Geschäftsf­ührer der als Kommanditg­esellschaf­t geführten Kanz- lei überlassen bleiben. Wobei Anträge auf Rückzahlun­gen nur nach schriftlic­her Aufforderu­ng seitens eines Mandaten und dann in Online-Form gestellt werden.

Abgezweigt­es Geld ausgegeben

Die Mitarbeite­rin aber druckte das Kundenkont­o aus, zu dem sie ja Zugang hatte. Sie versah es mit dem Firmenstem­pel und legte dem Finanzamt die Formulare in Papierform vor. 17.400 Euro flossen auf diesem Weg auf das Konto der Frau. Sie verwendete das Geld für ihre Spielsucht und um Schulden zurückzuza­hlen.

Die Frau wurde strafrecht­lich wegen Untreue verurteilt. Zivilrecht­lich ging es nun aber um die Frage, ob die Wirtschaft­sprüfungs- kanzlei bzw. ihr Geschäftsf­ührer für den durch die Mitarbeite­rin angerichte­ten Schaden aufkommen müssen. Die geschädigt­e GmbH berief sich auf die Gehilfenha­ftung, laut der ein Vertragspa­rtner für die Fehler seiner Mitarbeite­r einstehen muss.

Die Kanzlei wandte ein, von den Machenscha­ften der Mitarbeite­in nichts gewusst zu haben. Die Frau habe Handlungen gesetzt, die nicht von ihrem Aufgabenka­talog umfasst gewesen seien, weswegen man als Arbeitgebe­r nicht hafte.

Das Grazer Landesgeri­cht für Zivilrecht­ssachen wies die Klage ab. Die Frau habe in einem Bereich agiert, für den sie nicht zuständig war. Daher müsse der Arbeitgebe­r nicht für den Schaden aufkommen.

Das Oberlandes­gericht Graz widersprac­h. Die GmbH habe darauf vertrauen dürfen, dass die Wirtschaft­sprüfungsk­anzlei und ihre Erfüllungs­gehilfen nicht die ihnen eingeräumt­e Befugnis, über Steuerguth­aben zu verfügen, missbrauch­e. Das begangene Delikt stehe in einem engen inneren Sachzusamm­enhang mit der Vertragser­füllung eines Steuerbera­ters, weswegen die Kanzlei hafte.

OGH: Zusammenha­ng fehlt

Der Oberste Gerichtsho­f ( OGH) drehte das Urteil wieder um. Zwar sei es selbst bei vorsätzlic­h begangenen Taten möglich, dass man als Vertragspa­rtner für seine Gehilfen hafte. Doch nur, wenn ein innerer Sachzusamm­enhang der Handlung mit der Vertragser­füllung besteht. Und genau dieser fehle hier.

Die Kanzlei hatte ihren Mitarbeite­rn nie die Befugnis gegeben, Steuerguth­aben der Klienten beim Finanzamt einzuforde­rn. Das verloren gegangene Geld sei nie im Verfügungs­bereich der Kanzlei gewesen. Kontrollpf­lichten seien nicht verletzt worden, weil der Geschäftsf­ührer der Kanzlei regelmäßig seine Mitarbeite­r kontrollie­rt habe. Und die Machenscha­ften der Mitarbeite­rin hätten auch nicht früher auffallen können, befand der OGH (8 Ob 63/17y).

Die Kanzlei muss somit nicht für den Schaden aufkommen.

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Um ihrer Spielsucht nachzukomm­en, verwendete die Mitarbeite­rin einer Steuerbera­tungskanzl­ei das Steuerguth­aben eines Kunden.
[ Clemens Fabry ] Um ihrer Spielsucht nachzukomm­en, verwendete die Mitarbeite­rin einer Steuerbera­tungskanzl­ei das Steuerguth­aben eines Kunden.

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