Premierengäste haben nicht nur Vorteile
Börsengang. 2017 ist das beste Emissionsjahr seit 2007, besagt das neue IPO-Barometer von EY. 2018 soll noch besser werden. Ein Anlass, über einen Einstieg bei den Newcomern nachzudenken. Das Risiko sollte nicht unterschätzt werden.
Wien. Es ist nicht selbstverständlich, dass der kleine österreichische Finanzplatz international Furore macht. Heuer war das so, und „schuld“daran ist die Bawag: Der Börsengang der einstigen Gewerkschaftsbank war mit einem Volumen von rund zwei Milliarden Dollar das weltweit größte Listing im vierten Quartal 2017 – und das achtgrößte IPO (Initial Public Offering) des ganzen Jahres.
Während die Bawag hierzulande zwar für das Ende der Durststrecke an der Wiener Börse sorgte – das letzte IPO legte 2014 der Flugzeugzulieferer FACC hin –, war sie das einzige Unternehmen, das heuer den Schritt aufs Börsenparkett machte.
Ganz anders präsentiert sich die internationale Szene. „2017 gingen weltweit so viele Unternehmen an die Börse wie seit zehn Jahren nicht“, heißt es im neues- ten IPO-Barometer des Beratungsunternehmens EY. 1624 Börsengänge gab es zuletzt 2007, vor der Wirtschafts- und Finanzkrise, als 1967 IPOs gezählt wurden. Mit 189 Milliarden Dollar legte das Emissionsvolumen gegenüber dem Vorjahr um 40 Prozent zu.
Sehr viel Geld, das Investoren gleich beim Start in die Newcomer gesteckt haben. Ob dieser Mut auch belohnt wird? Die Meinungen dazu, ob man schon beim IPO dabei sein muss oder erst später ein- steigen soll, wenn sich der Trend einer Aktie abzeichnet, gehen auseinander. Und ebenso unterschiedlich sind die Erfahrungen mit den „Frischlingen“. Bei der Bawag gibt es bisher lange Gesichter. Das Papier der Bank kostete zum Start 48 Euro. Bis jetzt wurde dieser Kurs nicht erreicht, die Bawag notiert bei rund 42,35 Euro. Der kleine Trost: Die Aktie lag schon bei 40,96 Euro.
Nicht gerade berauschend entwickelte sich die Aktie des InstantMessaging-Dienstes Snap – das IPO im März war mit 3,9 Milliarden Dollar das größte in diesem Jahr. Nach einem anfänglichen Höhenflug auf 27 Dollar ging es ab Juni bergab – bis zum Tiefstand von 11,83 Dollar Mitte August. Seither erholte sich der Preis etwas, aber mit 16 Dollar liegt er nach wie vor unter dem Ausgabekurs von 17.
Runder läuft es bei Pirelli. Die Aktie des italienischen Reifenherstellers, die Anfang Oktober mit 6,50 Euro nahe dem unteren Ende der Preisspanne ausgegeben worden ist, ging gleich nach dem Börsengang zwar unter Wasser. Ab November drehte der Kurs und liegt nun bei 7,20 Euro.
Was also tun? Aktien gleich beim Börsengang zeichnen – wenn man als Privatanleger überhaupt an sie herankommt – oder später an der Börse kaufen? So viele verschiedene Meinungen wie Experten. Hält man sich an Investorenlegende Warren Buffett und den US-Starökonom Jeremy Siegel, muss man die Hände von IPOs lassen. „Ich denke, wir haben in den letzten 50 Jahren bei keinem IPO zugegriffen“, sagte Buffett einmal.
Siegels Meinung fußt auf der Untersuchung von 9000 Börsengängen zwischen 1968 und 2003: Dabei hat er festgestellt, dass rund 80 Prozent der Aktien über lange Zeiträume schlechter abschnitten als der Gesamtmarkt. 17 Prozent der IPOPapiere unterschritten die Performance des Vergleichsindex (auf kleine Aktien) jährlich um 30 Prozent und mehr. Nur 20 Prozent der Aktien haben den Index geschlagen. Nur ein Prozent der neuen Aktien lagen im Schnitt um 30 Prozent besser. Die Schlussfolgerung von Siegel: Um den Markt zu schlagen, muss man genau jenes eine Prozent erraten können.
Aber es gibt auch andere Signale, die Anleger beachten sollten. Größe und ein bekannter Name stehen nicht automatisch für Erfolg, wie Snap gezeigt hat. Denn vor jedem Börsnegang rühren das jeweilige Unternehmen und die beteiligten Banken auf sogenannten Roadshows kräftig die Werbetrommel. Schließlich wollen sie die Aktien mit großem Erlös verkaufen. Aber auch eine mehrfache Überzeichnung sagt nichts über die weitere Kursentwicklung aus.
Natürlich spielt auch das allgemeine Börsenumfeld eine Rolle: Ist die Stimmung der Anleger insgesamt schlecht, dann ist das Risiko groß, dass auch das IPO ein Fehlschlag wird und der erste Kurs an der Börse unter dem Zeichnungspreis liegt. Derzeit ist die Lage an den Finanzmärkten zwar volatil, aber prinzipiell gut. Was auch den IPO-Boom erklärt.
Generell gilt: Man sollte sich möglichst umfangreich über das Unternehmen informieren, dessen Aktien man kaufen will – egal ob bei der Erstemission oder später. Dazu gehören nicht nur die Fundamentaldaten wie Verschuldung, Gewinn und Eigenkapital, sondern auch die Branche, Wachstumsaussichten, eine eventuelle Alleinstellung am Markt, die Internationalisierung. Außerdem ist interessant, wofür das eingesammelte Kapital verwendet wird. Zum Schuldenabbau oder für Wachstum? Wenn Altaktionäre wie die Unternehmensgründer im Zuge des IPO ihre Aktien verkaufen, zeugt das nicht unbedingt von großem Vertrauen in das eigene Unternehmen. Und dann ist da noch die Bewertung: Sind Analysten der Meinung, dass der Emissionspreis günstig ist, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass sich eine Zeichnung lohnt.
Einen Versuch ist es allemal wert, man muss ja nicht gleich Millionen riskieren. Denn „2018 verspricht sogar noch besser zu werden“, heißt es in der EY-Studie.