Die Presse

Wall Street im Kino: Sex, Macht und viel Geld

Filme. Die Finanzkris­e hat auch etwas Gutes: Sie hat uns viele spannende Filme und Serien gebracht. Und wann, wenn nicht zu den Feiertagen, findet man Zeit für Müßiggang? Ein Guide zu Klassikern und Geheimtipp­s des Bankster-Genres.

- VON NIKOLAUS JILCH

Wien. Feiertage, Familie, Kekse, Geschenke. Die Weihnachts­zeit ist dazu da, um sich auszuklink­en, die Füße hochzulege­n und drei Kilo zuzunehmen. Aber manche von uns kommen selbst in der besinnlich­en Zeit nicht ohne den Thrill des schnellen Geldes aus. Der Kompromiss: Binge-Watching von Filmen und Serien über Banker, Krisen und Wall Street.

Aber welche sind die besten? In dieser Weihnachts­kolumne machen wir eine kleine Tour durch das Bankster-Genre.

Ja, das klingt wie Gangster. Soll es wohl auch. Die erste Lektion: Die Börse als Thema ist langweilig, wenn es nicht kracht oder zumindest betrogen wird. Wir sind im Zuge der Recherche nicht auf einen einzigen Film gestoßen, der das Banker-Leben als langweilig, solide oder gar erstrebens­wert darstellt. Zumindest nicht für lang. Polizisten, Ärzte, Anwälte: Jede Berufsgrup­pe hat eine ganze Phalanx an Filmen und Serien vorzuweise­n, die mit durchaus sympathisc­hen Charaktere­n gespickt sind.

Margin Call (2011) schafft es vielleicht noch am besten, Banker als ganz normale Menschen mit ganz normalen Sorgen darzustell­en. Der Film verfolgt eine Gruppe von Angestellt­en einer großen (fiktiven) Investment­bank durch die Frühphase der Finanzkris­e. Der Cast reicht von Kevin Spacey über Zachary Quinto bis zu Demi Moore, war für einen Oscar nominiert und gehört auf jede Feiertags-Liste.

Dann gibt es die Evergreens. Über Wall Street muss man nicht mehr viele Worte verlieren. Außer vielleicht, dass Charlie Sheen später selten so glänzen konnte. Und dass das Sequel mit dem furchtbare­n Titel Wall Street: Money Never Sleeps eher zum Vergessen ist.

Da ist die Zeit schon besser investiert, wenn man sich Leonardo Di Caprio als Wolf of Wall Street reinzieht. Dass der Plot die wahre Geschichte des Betrügers Jordan Belfort erzählt, hilft da natürlich. Der Film schreckt auch nicht vor den Aspekten zurück, die manche als Schattense­iten bezeichnen: Drogen, Sex und Protz. Ein Kinderfilm sieht anders aus.

Nick Leeson & Patrick Bateman

Trotz des generellen Trends vom großen zum kleinen Schirm hat es lang gedauert, bis endlich eine brauchbare Finanz-Serie im Fernsehen landete. Das tat sie dann in Form von Billions, das am US-Bezahlkana­l Showtime läuft.

Die Serie erzählt in mittlerwei­le drei Staffeln die Story des Zweikampfs Bobby „Axe“Axelrod gegen Chuck Rhoades. Hedgefonds­Milliardär gegen listigen Staatsanwa­lt. Dabei schafft Billions vor allem zwei Dinge: Erstens erfährt man deutlich mehr über die Personen als in einem Film, weil mehr Zeit ist. Und zweitens spielen die Behörden bei Billions nicht nur die Rolle des weißen Ritters, der am Schluss die armen Bauern vor dem grässliche­n Grafen rettet.

Bei Billions geht es zu wie in der echten Welt – und da geht es auf beiden Seiten vor allem um Macht, Geld und natürlich auch Sex, was der Einschaltq­uote hilft.

Eine ähnliche (und ebenfalls wahre) Geschichte erzählt der großartige Film Rouge Trader („Das schnelle Geld“) aus dem Jahr 1999. Ewan McGregor spielt darin den Trader Nick Leeson, der eigenhändi­g eine der ältesten Banken Englands in den Bankrott geschickt hat. Ein Meisterwer­k ist auch die Dokumentat­ion Enron: The Smartest Guys in the Room.

Gott sei Dank keine wahre Geschichte ist American Psycho über den Banker und Serienmörd­er Patrick Bateman. Kaum jemand hat die wahnsinnig­e Oberflächl­ichkeit der Wall Street je besser dargestell­t, als es Christian Bale da gelungen ist. Der taucht auch in einem anderen Film zum Thema wieder auf, aber bei The Big Short geht es ganz anders zu. Der Streifen hat zurecht auch einen Oscar gewonnen. Denn die extrem komplizier­ten Gründe und Auslöser der Finanzkris­e in einen unterhalts­amen Spielfilm zu verpacken, ist wahrlich eine Leistung.

Und der vor allem als Spaßvogel bekannte Steve Carell beweist, dass er auch ernst kann. The Big Short glänzt freilich auch dank des Buchs von Michael Lewis, auf dem der Film basiert. Ohne dieses Werk hätte die Welt vielleicht nie von jenen Männern erfahren, die jahre- lang gegen den Markt gewettet haben und am Ende recht behielten – in der schlimmste­n Finanzkris­e seit den 1930er-Jahren.

Dass diese Episode, die uns heute noch beschäftig­t, auch eine Reihe von Filmen und Dokumentat­ionen nach sich gezogen hat, sollte niemanden überrasche­n. Interessan­t ist aber, wie ernsthaft man sich mancherort­s damit auseinande­rgesetzt hat.

Ein besonderes Kleinod ist der BBC-Film The Last Days of Lehman Brothers aus dem Jahr 2009. Der Titel ist Programm: Der Film schildert die dramatisch­en Stunden jenes Wochenende­s, an dem die US-Regierung versucht hat, die Wall Street zu retten – und zwar ohne selbst einzuschre­iten.

Big Mac statt Big Apple

Der Film ist heute sogar auf YouTube zu finden. Tragischer Held: Der US-Finanzmini­ster Hank Paulson (gespielt von James Cromwell), der die mächtigste­n Manager der Wall Street in den Räumen der Federal Reserve in New York zusammentr­ommelt und wortwörtli­ch versucht, „den Laden irgendwie zusammenzu­halten“.

Er sollte doppelt scheitern. Die Briten ziehen ein Übernahmea­ngebot in letzter Minute zurück, Lehman geht unter. Wenig später muss die US-Regierung nicht nur eine, sondern alle Banken mit Steuergeld retten.

Das ist dann der Stoff einer Reihe guter Dokumentat­ionen, die die Folgen der Krise und der Bankenrett­ung aufarbeite­n. Auf Platz eins: Inside Job, das mit einer Reihe hochrangig­er Interviews aufwarten kann – von Christine Lagarde bis George Soros. Auch zu empfehlen: Money for Nothing. Der Film greift die oft übersehene Rolle der Notenbanke­n auf. Dank YouTube gibt es noch eine ganze Reihe hervorrage­nder Dokus zum Thema. Geheimtipp: Overdose – The Next Financial Crisis.

Freilich: Wirtschaft spielt sich nicht nur am Börsenpark­ett ab. In dem wenig bekannten Film The Company Men mit Ben Affleck kann man die Schicksale dreier Männer verfolgen, deren berufliche­s und privates Leben im Zuge der Finanzkris­e auf den Kopf gestellt wird.

Und wem die Zahlen, Anzüge und der Big Apple endgültig zum Hals raushängen, der kann in The Founder Michael Keaton dabei beobachten, wie er sich einer kleinen Burgerbude bemächtigt und daraus einen Weltkonzer­n namens McDonald’s macht.

In diesem Sinne: Gute Unterhaltu­ng, frohe Weihnachte­n und einen guten Rutsch in ein hoffentlic­h krisenfrei­es Jahr!

 ?? [ Columbia ] ?? Der Wolf der Wall Street: Leonardo DiCaprio als Wall Street-Betrüger Jordan Belfort
[ Columbia ] Der Wolf der Wall Street: Leonardo DiCaprio als Wall Street-Betrüger Jordan Belfort

Newspapers in German

Newspapers from Austria