Wall Street im Kino: Sex, Macht und viel Geld
Filme. Die Finanzkrise hat auch etwas Gutes: Sie hat uns viele spannende Filme und Serien gebracht. Und wann, wenn nicht zu den Feiertagen, findet man Zeit für Müßiggang? Ein Guide zu Klassikern und Geheimtipps des Bankster-Genres.
Wien. Feiertage, Familie, Kekse, Geschenke. Die Weihnachtszeit ist dazu da, um sich auszuklinken, die Füße hochzulegen und drei Kilo zuzunehmen. Aber manche von uns kommen selbst in der besinnlichen Zeit nicht ohne den Thrill des schnellen Geldes aus. Der Kompromiss: Binge-Watching von Filmen und Serien über Banker, Krisen und Wall Street.
Aber welche sind die besten? In dieser Weihnachtskolumne machen wir eine kleine Tour durch das Bankster-Genre.
Ja, das klingt wie Gangster. Soll es wohl auch. Die erste Lektion: Die Börse als Thema ist langweilig, wenn es nicht kracht oder zumindest betrogen wird. Wir sind im Zuge der Recherche nicht auf einen einzigen Film gestoßen, der das Banker-Leben als langweilig, solide oder gar erstrebenswert darstellt. Zumindest nicht für lang. Polizisten, Ärzte, Anwälte: Jede Berufsgruppe hat eine ganze Phalanx an Filmen und Serien vorzuweisen, die mit durchaus sympathischen Charakteren gespickt sind.
Margin Call (2011) schafft es vielleicht noch am besten, Banker als ganz normale Menschen mit ganz normalen Sorgen darzustellen. Der Film verfolgt eine Gruppe von Angestellten einer großen (fiktiven) Investmentbank durch die Frühphase der Finanzkrise. Der Cast reicht von Kevin Spacey über Zachary Quinto bis zu Demi Moore, war für einen Oscar nominiert und gehört auf jede Feiertags-Liste.
Dann gibt es die Evergreens. Über Wall Street muss man nicht mehr viele Worte verlieren. Außer vielleicht, dass Charlie Sheen später selten so glänzen konnte. Und dass das Sequel mit dem furchtbaren Titel Wall Street: Money Never Sleeps eher zum Vergessen ist.
Da ist die Zeit schon besser investiert, wenn man sich Leonardo Di Caprio als Wolf of Wall Street reinzieht. Dass der Plot die wahre Geschichte des Betrügers Jordan Belfort erzählt, hilft da natürlich. Der Film schreckt auch nicht vor den Aspekten zurück, die manche als Schattenseiten bezeichnen: Drogen, Sex und Protz. Ein Kinderfilm sieht anders aus.
Nick Leeson & Patrick Bateman
Trotz des generellen Trends vom großen zum kleinen Schirm hat es lang gedauert, bis endlich eine brauchbare Finanz-Serie im Fernsehen landete. Das tat sie dann in Form von Billions, das am US-Bezahlkanal Showtime läuft.
Die Serie erzählt in mittlerweile drei Staffeln die Story des Zweikampfs Bobby „Axe“Axelrod gegen Chuck Rhoades. HedgefondsMilliardär gegen listigen Staatsanwalt. Dabei schafft Billions vor allem zwei Dinge: Erstens erfährt man deutlich mehr über die Personen als in einem Film, weil mehr Zeit ist. Und zweitens spielen die Behörden bei Billions nicht nur die Rolle des weißen Ritters, der am Schluss die armen Bauern vor dem grässlichen Grafen rettet.
Bei Billions geht es zu wie in der echten Welt – und da geht es auf beiden Seiten vor allem um Macht, Geld und natürlich auch Sex, was der Einschaltquote hilft.
Eine ähnliche (und ebenfalls wahre) Geschichte erzählt der großartige Film Rouge Trader („Das schnelle Geld“) aus dem Jahr 1999. Ewan McGregor spielt darin den Trader Nick Leeson, der eigenhändig eine der ältesten Banken Englands in den Bankrott geschickt hat. Ein Meisterwerk ist auch die Dokumentation Enron: The Smartest Guys in the Room.
Gott sei Dank keine wahre Geschichte ist American Psycho über den Banker und Serienmörder Patrick Bateman. Kaum jemand hat die wahnsinnige Oberflächlichkeit der Wall Street je besser dargestellt, als es Christian Bale da gelungen ist. Der taucht auch in einem anderen Film zum Thema wieder auf, aber bei The Big Short geht es ganz anders zu. Der Streifen hat zurecht auch einen Oscar gewonnen. Denn die extrem komplizierten Gründe und Auslöser der Finanzkrise in einen unterhaltsamen Spielfilm zu verpacken, ist wahrlich eine Leistung.
Und der vor allem als Spaßvogel bekannte Steve Carell beweist, dass er auch ernst kann. The Big Short glänzt freilich auch dank des Buchs von Michael Lewis, auf dem der Film basiert. Ohne dieses Werk hätte die Welt vielleicht nie von jenen Männern erfahren, die jahre- lang gegen den Markt gewettet haben und am Ende recht behielten – in der schlimmsten Finanzkrise seit den 1930er-Jahren.
Dass diese Episode, die uns heute noch beschäftigt, auch eine Reihe von Filmen und Dokumentationen nach sich gezogen hat, sollte niemanden überraschen. Interessant ist aber, wie ernsthaft man sich mancherorts damit auseinandergesetzt hat.
Ein besonderes Kleinod ist der BBC-Film The Last Days of Lehman Brothers aus dem Jahr 2009. Der Titel ist Programm: Der Film schildert die dramatischen Stunden jenes Wochenendes, an dem die US-Regierung versucht hat, die Wall Street zu retten – und zwar ohne selbst einzuschreiten.
Big Mac statt Big Apple
Der Film ist heute sogar auf YouTube zu finden. Tragischer Held: Der US-Finanzminister Hank Paulson (gespielt von James Cromwell), der die mächtigsten Manager der Wall Street in den Räumen der Federal Reserve in New York zusammentrommelt und wortwörtlich versucht, „den Laden irgendwie zusammenzuhalten“.
Er sollte doppelt scheitern. Die Briten ziehen ein Übernahmeangebot in letzter Minute zurück, Lehman geht unter. Wenig später muss die US-Regierung nicht nur eine, sondern alle Banken mit Steuergeld retten.
Das ist dann der Stoff einer Reihe guter Dokumentationen, die die Folgen der Krise und der Bankenrettung aufarbeiten. Auf Platz eins: Inside Job, das mit einer Reihe hochrangiger Interviews aufwarten kann – von Christine Lagarde bis George Soros. Auch zu empfehlen: Money for Nothing. Der Film greift die oft übersehene Rolle der Notenbanken auf. Dank YouTube gibt es noch eine ganze Reihe hervorragender Dokus zum Thema. Geheimtipp: Overdose – The Next Financial Crisis.
Freilich: Wirtschaft spielt sich nicht nur am Börsenparkett ab. In dem wenig bekannten Film The Company Men mit Ben Affleck kann man die Schicksale dreier Männer verfolgen, deren berufliches und privates Leben im Zuge der Finanzkrise auf den Kopf gestellt wird.
Und wem die Zahlen, Anzüge und der Big Apple endgültig zum Hals raushängen, der kann in The Founder Michael Keaton dabei beobachten, wie er sich einer kleinen Burgerbude bemächtigt und daraus einen Weltkonzern namens McDonald’s macht.
In diesem Sinne: Gute Unterhaltung, frohe Weihnachten und einen guten Rutsch in ein hoffentlich krisenfreies Jahr!