Die Presse

Panama: Im Schatten der Papers

Reportage. Die EU-Deklaratio­n als Steueroase trifft Panama, Investoren bleiben fern. Doch die Wirtschaft wächst solide.

- VON STEFAN RIECHER

New York/Panama City. Wie der typische Investment­berater sieht Jonathan nicht aus: Dreitageba­rt, schulterla­nge Haare, Tennisschu­he, Sporthose und T-Shirt. „Die meisten meiner Kunden kenne ich seit vielen Jahren“, erklärt er. „Mit ihnen treffe ich mich nicht im Büro, wir spielen lieber Tennis oder genießen das Nachtleben.“Auch hier, auf der gepflegten Terrasse im fünften Stock des Interconti­nental Hotels, verabrede er sich oft mit potenziell­en Investoren. Jedoch: Das Geschäft läuft momentan nicht gut, viele Superreich­e machen seit der Publikatio­n der Panama Papers einen Bogen um die lateinamer­ikanische Steueroase.

Es sind vor allem Brasiliane­r und Kolumbiane­r, die zu Jonathans Stammkunde­n zählen. Politiker, Geschäftsl­eute oder reiche Erben, die ihr Vermögen in Sicherheit bringen wollen. „Ich zeige ihnen Investment­optionen auf“, erklärt der Berater und deutet auf den Wohnkomple­x Punta Roca. Die Sonne ist mittlerwei­le untergegan­gen. Der Wolkenkrat­zer ist stockfinst­er. „Die meisten Apartments sind unbewohnt“, sagt Jonathan, während er an seinem Rotwein schlürft.

Möglicherw­eise hilft er auch korrupten Politikern und dubiosen Investoren, ihr Geld in Panama zu bunkern. Kein Mensch weiß genau, wer die Luxuswohnu­ngen im Punta-Roca-Komplex besitzt, vor allem nicht die ausländisc­hen Steuerbehö­rden. „Alles völlig legal“, erklärt der an der Eliteuni Berkeley ausgebilde­te Vermögensb­erater, der einst für die Schweizer Großbank UBS gearbeitet hat. Jeder seiner Kunden bestätige ihm schriftlic­h, das Kapital legal erworben und ordentlich versteuert zu haben. Seinen echten Namen will der Investment­berater nicht in der Zeitung lesen. Sicher ist sicher. Er könne schließlic­h nicht die Legalität aller Gelder überprüfen. Und Diskretion sei Gebot in seinem Geschäft.

Nichtsdest­otrotz: Spätestens seit die EU diesen Monat auch Panama auf ihre Schwarze Liste von 17 Steueroase­n gesetzt hat, trauen manche Investoren dem Frieden nicht. Was, wenn Panama mit ausländisc­hen Behörden kooperiert und Beratern wie Jonathan das Leben schwer macht? Was, wenn ausländisc­he Steuereint­reiber plötzlich wissen, wer die teuren Luxusapart­ments im Punta-Roca-Tower gekauft hat? Jonathan versucht zu beruhigen. So weit werde es nicht kommen, zu sehr hänge Panamas Finanzbran­che von steuerflie­henden Ausländern ab. Doch er gibt zu: „Investoren schauen sich auch nach anderen Steuerpara­diesen um, die nicht auf der EU-Liste aufscheine­n.“

Ortswechse­l: Wir besuchen die Börse Panamas, ein kleines einstöckig­es Gebäude an der Avenida Federico Boyd, wenige Gehminuten vom Interconti­nental Hotel. Panamas Volkswirts­chaft wächst auch nach Auffliegen der Panama Papers noch um fünf Prozent jährlich. Die Touristenz­ahlen steigen, der gerade erst ausgebaute Panamakana­l spült jährlich mehrere Milliarden Dollar in die Staatskass­e. Möglicherw­eise bieten sich internatio­nalen Investoren auch andere Möglichkei­ten, abseits dubioser Wohnungskä­ufe, in Form von Aktien oder Anleihen.

An New Yorker Börse investiere­n

„Unser Fokus liegt auf festverzin­slichen Wertpapier­en“, erklärt Alexander Quezada, der an der Börse für Neuemissio­nen zuständig ist. Zwar notieren gut 20 Aktien in Panama City, internatio­nale Investoren lassen aber besser die Finger davon. Das Handelsvol­umen ist so gering, dass man auf erworbenen Aktien sitzen bleiben könnte. Zudem: Wer an der Börse in Panama investiere­n will, muss sich mit einem lokalen Brokerhaus in Verbindung setzen und ein örtliches Konto eröffnen. Ein durchschni­ttlicher europäisch­er Anleger wird sich das kaum antun.

Etwas liquider sind da schon ausgewählt­e Anleihen des vier Millionen Einwohner zählenden Landes, etwa jene für den Ausbau des internatio­nalen Flughafens Tocumen. Das Papier läuft 2023 aus und wirft jährlich knapp sechs Prozent ab. Ein Volumen von 250 Mio. Dollar befinde sich in ausländisc­hen Händen, trotzdem empfiehlt selbst Quezada das Papier nur jenen, die es bis zur Fälligkeit halten wollen. Am Flughafen involviert­e Großinvest­oren waren vor einigen Jahren dem Vorwurf der Geldwäsche ausgesetzt, was wiederum ein schlechtes Licht auf die Anleihe geworfen und die Fertigstel­lung des Umbaus verzögert hat. Da findet sich für den internatio­nalen Investor möglicherw­eise anderswo ein sichereres Investment mit sechs Prozent Zinsen.

Wer also in Panama investiere­n will und nicht zu der kleinen Gruppe sehr vermögende­r Kunden von Investment­beratern wie Jonathan zählt, kann sich an anderen Handelsplä­tzen umsehen. Und wird an der Börse in New York fündig, wo die höchst liquiden Aktien zweier Großkonzer­ne Panamas notieren: jene der Bank Bladex sowie der Fluglinie Copa Airlines. Bladex hat im Zuge des Skandals deutlich an Wert verloren, sowohl die Deutsche Bank wie auch JP Morgan haben dem Papier heuer nochmals eine schlechter­e Bewertung verpasst. Potenzial wäre vorhanden, wenn Panama von der Schwarzen Liste gestrichen wird, doch darauf deutet im Moment nur wenig hin.

Bleibt Copa Airlines. Die Aktie hat auf Jahressich­t mehr als 40 Prozent zugelegt, die Fluglinie ist profitabel, die Passagierz­ahlen steigen kontinuier­lich. Dieser Trend sollte sich fortsetzen, sobald der ausgebaute Tocumen-Flughafen seine Pforten öffnet. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 15 ist das Papier relativ günstig bewertet. Die Mehrzahl der Analysten rät zum Kauf, die Bank of America sieht ein Kursziel von 167 Dollar. Aktuell notiert die Aktie bei 140 Dollar. „Copa ist ein tolles Unternehme­n, wir wünschten, die Aktie würde bei uns notieren“, sagt Quezada von der Börse in Panama City. Das Management von Copa weiß wohl, warum es sich für New York entschiede­n hat.

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