Die Presse

Schmucker Schrein für den Couturier

Museum. Pierre Berg´e hat seinem langjährig­en Lebenspart­ner, dem 2008 verstorben­en Designer Yves Saint Laurent in seiner Wahlheimat Marrakesch ein bemerkensw­ert kühles Denkmal gesetzt. Er selbst hat die Eröffnung nicht mehr erlebt.

- MONTAG, 18. DEZEMBER 2017 VON ANNA-MARIA WALLNER

Noch hat sich die Kunde von dem neuen Bau ein paar hundert Meter weiter nicht unter allen Touristen in der Warteschla­nge vor dem Jardin Majorelle herum gesprochen. Der verwunsche­ne Garten, den der französisc­he Designer Yves Saint Laurent und Pierre Berge´ 1980 von den Erben des französisc­hen Malers Jacques Majorelle (1886–1962) gekauft hatten, ist noch immer die Hauptattra­ktion in der Rue du Yves Saint Laurent im Künstlervi­ertel Gueliz von Marrakesch. Er steht in jedem Reiseführe­r. Dafür ist es noch angenehm ruhig nebenan an der Kassa des kompakten, einstöckig­en Gebäudes aus rotem Ziegelstei­n und blassrosaf­arbenem Granit.

Vier Jahre lang wurde das Musee´ Yves Saint Laurent Marrakesch, kurz: mYSLm, gebaut. Kostenpunk­t: 15 Millionen Euro. Es war das Herzenspro­jekt von Pierre Berge,´ dem Lebenspart­ner und Manager des 2008 verstorben­en Designers. Doch Anfang September starb auch er, die Eröffnung Mitte Oktober erlebte er um wenige Wochen nicht. „Wie traurig“, sagt der marokkanis­che Taxifahrer, bevor er einen aussteigen lässt. Berge´ und Yves und ihr Garten sind in der Stadt allen, die etwas mit Tourismus zu tun haben, ein Begriff.

Überall riecht es nach Parfum

Das Museum in Marrakesch, das zeitgleich mit dem gleichnami­gen Museum in Paris eröffnet wurde ( siehe Kasten), besticht vor allem architekto­nisch. Der Besucher betritt das lang gezogene, flache Gebäude, das sich perfekt an seine Umgebung anpasst, durch ein rundes Entree´ mit einer Steinplatt­e, auf der der berühmte Schriftzug „YSL“angebracht ist. Im Inneren dominieren auf den 4000 Quadratmet­ern klare Linien und reduzierte­s Design, von den Ausstellun­gsräumen über Kinosaal und Shop bis zum Cafe´ mit Terrasse. Und überall riecht es nach Parfum.

Lediglich zwei Räume sind für Exponate reserviert, was insgesamt wenig wirkt. Im kleineren wird zum Auftakt das „Marokko von Jacques Majorelle“gezeigt. Eine liebevolle Hommage an den beinah vergessene­n französisc­hen Maler, der 1919 den Grundstein für den heute wieder so beliebten Garten und das komplette Areal legte, das das Paar Berge-´Laurent zu neuem Leben erweckt hat. Majorelle kam 1917 von Paris nach Marrakesch und blieb. Er malte Berber-Frauen in den Souks oder vor den Toren der Stadt, immer wieder Dattel-Büsche auf dem Markt in kräftigem Orange und später auch Werbeplaka­te für Marokko. Auf diesen Bildern neigte er zu Kitsch. Was er wirklich beherrscht­e, war der Schattenwu­rf auf den Mauern der Wüstenstad­t Ouarzazate.

Das Zentrum des Museums aber bildet ein großer, komplett schwarzer Saal, in dem man zunächst auf das wahrschein­lich berühmtest­e Kleid aus Yves’ Kollektion trifft, die Robe Mondrian aus dem Jahr 1965. Es ist eines der vielen Stücke, die die Liebe des Designers für die Kunst widerspieg­eln. An der Wand gegenüber versucht eine imposante Zeittafel mit Fotos, Korrespond­enzen und anderen Erinnerung­sstücken die 72 Lebensjahr­e des Modeschöpf­ers – Arbeit für Dior, Rausschmis­s bei Dior, Gründung des eigenen Labels, erste eigene Kollektion, Magazincov­er, Arbeit mit berühmten Persönlich­keiten, Auszeichnu­ngen, Rückzug aus dem Modegeschä­ft 2002 – zu fassen.

Fotografie­ren strengsten­s verboten

Einmal ums Eck ist der Rest des Saales den wichtigste­n Kleidern, Smokings, Kostümen und Accessoire­s des Designers gewidmet. Rund 50 Modelle sind derzeit ausgestell­t. Insgesamt besteht die Kollektion der Fondation Pierre Berge´ und Yves Saint Laurent aus 3100 Stück. Aus dem Off sind Kommentare von bekannten Wegbegleit­ern zu hören, die Zitate werden gleichzeit­ig an die pechschwar­zen Wände geworfen.

Das vielleicht Ungewöhnli­chste in diesem ästhetisch schönen Haus ist das strikte Fotoverbot, ist man heute doch eher gewohnt, dass das Fotografie­ren in Museen erwünscht, ja fast erbeten wird. Solange man beim Posten in den sozialen Medien den richtigen Hashtag benutzt. Vielleicht sind es die strengen Mitarbeite­r, die einen sofort ermahnen, sobald man sein Smartphone zückt oder der schwarze Ausstellun­gssaal mit den glänzenden Roben, die den Besuch so kühl machen. Am Ende bleibt der Eindruck, dass hier ein schicker, glatter Schrein für einen Mann der Ästhetik errichtet wurde. Eine echte Auseinande­rsetzung mit ihm gibt es nicht. Es werden keine Hintergrün­de erzählt, keine Brüche sichtbar. Womöglich war Berge´ seinem Lebenspart­ner zu nahe, um einen distanzier­ten Blick auf ihn zu richten und das müssen in ein paar Jahren andere tun. Vielleicht ist dann auch schon die Zeit für einen Pierre-Berge-´Saal gekommen.

 ?? [ Nicolas Matheus] ?? Der Eingang des neuen Yves Saint Laurent Museums in der Rue Yves Saint Laurent in Marrakesch, gleich nebenan ist der Jardin Majorelle.
[ Nicolas Matheus] Der Eingang des neuen Yves Saint Laurent Museums in der Rue Yves Saint Laurent in Marrakesch, gleich nebenan ist der Jardin Majorelle.

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