Schmucker Schrein für den Couturier
Museum. Pierre Berg´e hat seinem langjährigen Lebenspartner, dem 2008 verstorbenen Designer Yves Saint Laurent in seiner Wahlheimat Marrakesch ein bemerkenswert kühles Denkmal gesetzt. Er selbst hat die Eröffnung nicht mehr erlebt.
Noch hat sich die Kunde von dem neuen Bau ein paar hundert Meter weiter nicht unter allen Touristen in der Warteschlange vor dem Jardin Majorelle herum gesprochen. Der verwunschene Garten, den der französische Designer Yves Saint Laurent und Pierre Berge´ 1980 von den Erben des französischen Malers Jacques Majorelle (1886–1962) gekauft hatten, ist noch immer die Hauptattraktion in der Rue du Yves Saint Laurent im Künstlerviertel Gueliz von Marrakesch. Er steht in jedem Reiseführer. Dafür ist es noch angenehm ruhig nebenan an der Kassa des kompakten, einstöckigen Gebäudes aus rotem Ziegelstein und blassrosafarbenem Granit.
Vier Jahre lang wurde das Musee´ Yves Saint Laurent Marrakesch, kurz: mYSLm, gebaut. Kostenpunkt: 15 Millionen Euro. Es war das Herzensprojekt von Pierre Berge,´ dem Lebenspartner und Manager des 2008 verstorbenen Designers. Doch Anfang September starb auch er, die Eröffnung Mitte Oktober erlebte er um wenige Wochen nicht. „Wie traurig“, sagt der marokkanische Taxifahrer, bevor er einen aussteigen lässt. Berge´ und Yves und ihr Garten sind in der Stadt allen, die etwas mit Tourismus zu tun haben, ein Begriff.
Überall riecht es nach Parfum
Das Museum in Marrakesch, das zeitgleich mit dem gleichnamigen Museum in Paris eröffnet wurde ( siehe Kasten), besticht vor allem architektonisch. Der Besucher betritt das lang gezogene, flache Gebäude, das sich perfekt an seine Umgebung anpasst, durch ein rundes Entree´ mit einer Steinplatte, auf der der berühmte Schriftzug „YSL“angebracht ist. Im Inneren dominieren auf den 4000 Quadratmetern klare Linien und reduziertes Design, von den Ausstellungsräumen über Kinosaal und Shop bis zum Cafe´ mit Terrasse. Und überall riecht es nach Parfum.
Lediglich zwei Räume sind für Exponate reserviert, was insgesamt wenig wirkt. Im kleineren wird zum Auftakt das „Marokko von Jacques Majorelle“gezeigt. Eine liebevolle Hommage an den beinah vergessenen französischen Maler, der 1919 den Grundstein für den heute wieder so beliebten Garten und das komplette Areal legte, das das Paar Berge-´Laurent zu neuem Leben erweckt hat. Majorelle kam 1917 von Paris nach Marrakesch und blieb. Er malte Berber-Frauen in den Souks oder vor den Toren der Stadt, immer wieder Dattel-Büsche auf dem Markt in kräftigem Orange und später auch Werbeplakate für Marokko. Auf diesen Bildern neigte er zu Kitsch. Was er wirklich beherrschte, war der Schattenwurf auf den Mauern der Wüstenstadt Ouarzazate.
Das Zentrum des Museums aber bildet ein großer, komplett schwarzer Saal, in dem man zunächst auf das wahrscheinlich berühmteste Kleid aus Yves’ Kollektion trifft, die Robe Mondrian aus dem Jahr 1965. Es ist eines der vielen Stücke, die die Liebe des Designers für die Kunst widerspiegeln. An der Wand gegenüber versucht eine imposante Zeittafel mit Fotos, Korrespondenzen und anderen Erinnerungsstücken die 72 Lebensjahre des Modeschöpfers – Arbeit für Dior, Rausschmiss bei Dior, Gründung des eigenen Labels, erste eigene Kollektion, Magazincover, Arbeit mit berühmten Persönlichkeiten, Auszeichnungen, Rückzug aus dem Modegeschäft 2002 – zu fassen.
Fotografieren strengstens verboten
Einmal ums Eck ist der Rest des Saales den wichtigsten Kleidern, Smokings, Kostümen und Accessoires des Designers gewidmet. Rund 50 Modelle sind derzeit ausgestellt. Insgesamt besteht die Kollektion der Fondation Pierre Berge´ und Yves Saint Laurent aus 3100 Stück. Aus dem Off sind Kommentare von bekannten Wegbegleitern zu hören, die Zitate werden gleichzeitig an die pechschwarzen Wände geworfen.
Das vielleicht Ungewöhnlichste in diesem ästhetisch schönen Haus ist das strikte Fotoverbot, ist man heute doch eher gewohnt, dass das Fotografieren in Museen erwünscht, ja fast erbeten wird. Solange man beim Posten in den sozialen Medien den richtigen Hashtag benutzt. Vielleicht sind es die strengen Mitarbeiter, die einen sofort ermahnen, sobald man sein Smartphone zückt oder der schwarze Ausstellungssaal mit den glänzenden Roben, die den Besuch so kühl machen. Am Ende bleibt der Eindruck, dass hier ein schicker, glatter Schrein für einen Mann der Ästhetik errichtet wurde. Eine echte Auseinandersetzung mit ihm gibt es nicht. Es werden keine Hintergründe erzählt, keine Brüche sichtbar. Womöglich war Berge´ seinem Lebenspartner zu nahe, um einen distanzierten Blick auf ihn zu richten und das müssen in ein paar Jahren andere tun. Vielleicht ist dann auch schon die Zeit für einen Pierre-Berge-´Saal gekommen.