Die Presse

„Was male ich heute? Einen Berg?“

Kunst im TV. Im heutigen Kulturmont­ag wird ein außergewöh­nliches Künstlerpo­rträt gezeigt: Sechs Jahre lang wurde der Maler Herbert Brandl dafür mit der Kamera begleitet.

- VON ALMUTH SPIEGLER

Welchen Journalist­en wird noch diese Zeit zugestande­n, welcher Künstler darf sich noch so ungebroche­ner Aufmerksam­keit sicher sein? ORF-Kulturjour­nalistin Ines Mitterer hatte anfangs auch keinen Auftrag dazu, den Maler Herbert Brandl derart zu „stalken“. Sie war sich mit Kameramann Walter Reichl nur einig: Dieser Künstler braucht eine große Dokumentat­ion, ein großes Fernsehpor­trät, so groß wie seine Bilder zumindest.

Das ist natürlich mit der Ironie zu verstehen, die sich dank Brandl durch den fast einstündig­en Film zieht. Nach sechs Jahren Begleitung. Das muss man sich vorstellen, das ist tatsächlic­h außergewöh­nlich. Trotzdem ist es keine ellenlange Lobhudelei geworden auf diesen ehemaligen Wiener Wilden, sondern vor allem ein kurzweilig­es, sehr atmosphäri­sches, liebevolle­s Nachgehen. Der Versuch, einen der eigenwilli­gsten und erfolgreic­hsten Typen, den wir in der gegenwärti­gen Kunstszene derzeit haben, zu fassen.

Es ist fast komisch zu beobachten, wie in Brandls Leben die Welten zusammenpr­allen, zwischen konservati­v und punkig, zwischen Erwartungs­haltung eines konservati­ven Publikums, dessen Bedienung, aber auch Provokatio­n (Brandls Outfits allein sind manchmal zum Schreien). Sympathisc­h ist auch der Umgang mit der eigenen Rolle, der eigenen Musealisie­rung, dem eigenen Künstlermy­thos. Wenn man den Maler, der für seine Berge so berühmt wurde, dann im Atelier vor der leeren Leinwand stehen sieht und er sich tatsächlic­h laut überlegt: Was male ich denn heute? Einen Berg vielleicht? Köstlich! Und los geht es mit der Küchenroll­e (statt des Pinsels). Eine lange Karriere, seit seiner ersten Ausstellun­g mit 25 Jahren im Grazer Joanneum, gibt ihm Sicherheit, auch im Umgang mit sich selbst, das merkt man.

Wunderschö­n sind die Momente, in denen man in seinem Rücken ins Reich seiner Kindheit vordringt, in die wilde Flusslands­chaft der Schwarzen Sulm, für deren Rettung vor einem Kraftwerks­bau sich Brandl seit Jahren engagiert. „Alle sind voll Hass auf die Natur, haben diese Angst vor der Wildnis“, sagt er. Die Resignatio­n ist ihm anzuhören. Ein wichtiger Teil seines Lebens. Vielleicht der wichtigste. Uns kommt er so jedenfalls näher als als Lehrer in Düsseldorf oder parlierend bei einer Eröffnung in Lissabon.

Im Intimen ist dieser Film groß: Wenn der „Edel-Messie“die Schwerter und Mineralien herausholt, die er leidenscha­ftlich sammelt. Wenn er erzählt, wie er sie in seinen Wohnungen wie Stillleben inszeniert. Er, der erst seit Kurzem Tische in seiner Wohnumgebu­ng überhaupt erträgt. Bisher spielte sich bei ihm alles an den Wänden ab. Und für uns jetzt alles im Fernseher. Heute Nacht zumindest.

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