Dem Bildungsressort fehlt der Mut zum Loslassen
Gastkommentar. Auch für die Weiterentwicklung der Ausbildung von Pädagogen sollte gelten: Es kann nicht alles von oben geregelt werden.
Die Pädagogischen Hochschulen haben im Oktober ihr zehnjähriges Jubiläum gefeiert. Liest man im Motivenbericht des im Jahr 2005 in Kraft getretenen hierfür geschaffenen einfachen Bundesgesetzes – des Hochschulgesetzes 2005 – nach, wurden neben bildungspolitischen Zielen auch strukturelle, strategische Ziele verfolgt. Im Lichte der gesamteuropäischen Entwicklung der Bildung für unsere Pädagoginnen und Pädagogen waren nationale Reformen notwendig.
Die damals zuständige Ministerin Elisabeth Gehrer hat im Zeitraum von zehn Jahren mehrere Reformen für den tertiären Bildungsbereich umgesetzt: 1993 das Fachhochschulstudiengesetz; 1999 das Universitätsakkreditierungsgesetz (heute Privatuniversitätsgesetz); 2002 das Universitätsgesetz und 2005 das Hochschulgesetz.
In den folgenden Gesetzgebungsperioden wurde das Bil- dungsressort vom Wissenschaftsbereich getrennt, die Pädagogischen Hochschulen haben eigene Entwicklungspfade beschritten. Wenn bekannt ist, dass seit der Trennung der Ressorts „Spiegelminister“eingeführt wurden, wo alle Maßnahmen zwischen den „getrennten“Ressorts auf Ministerebene abzustimmen waren, so kann man erahnen, mit welcher Komplexität die Weiterentwicklungen im Hochschulbereich vor sich gegangen sind.
Geglückte Umsetzung
Hier kommt einem der aus dem Jahr 1948 von Leopold Figl formulierte prophetische Spruch in Erinnerung: „Was zusammengehört und getrennt wurde, früher oder später kommt es wieder zusammen. Künstliche Trennungslinien sind noch niemals von langer Dauer gewesen.“
Der Hintergrund dieser Aussage Figls war damals natürlich ein anderer. Wenn aber in diesen Wochen ein neues Bundesministe- riengesetz zur Diskussion steht, könnte Figls Spruch geeignet Berücksichtigung finden, indem wieder ein „Bundesministerium für Bildung, Forschung und Wissenschaft“gebildet würde. Dies wäre der erste notwendige strategische Schritt für den gesamten Bildungsbereich.
Aber zurück zu den Pädagogischen Hochschulen. Die Umsetzung des Hochschulgesetzes 2005 ist strukturell durchaus geglückt. Die Anzahl der damaligen Einrichtungen für die Bildung unserer Lehrerinnen und Lehrer wurde von über 50 Institutionen nach dem alten Akademiestudiengesetz (inklusive der pädagogischen und religionspädagogischen Institute) auf neun öffentliche pädagogische Hochschulen und die Anerkennung privater pädagogischer Hochschulen nach dem Hochschulgesetz reduziert.
Heute sind in Österreich insgesamt 14 pädagogische Hochschulen gesetzlich verankert. Sehen wir die Umstände aus heutiger
Sicht gesamthaft an, das heißt innerhalb des nationalen Bildungssystems, so sind die pädagogischen Hochschulen Teil des Gesamtsystems – also Teil von fast 70 österreichischen Einrichtungen im tertiären Bereich.
Für die neu geschaffenen pädagogischen Hochschulen musste vieles neu geschaffen werden – wie Satzung, Entwicklungsplan, Ressourcenplan und Curriculumentwicklung etc. Mit diesen Instrumenten wurden die pädagogischen Hochschulen – als nachgeordnete Dienststellen des Bildungsressorts – gelenkt. In den vergangenen zehn Jahren wurde von den Verantwortlichen in diesen Hochschulen vieles engagiert umgesetzt.
So wurden die gewünschte neue Studienarchitektur nach der Bologna-Deklaration 1999 – internationale Vergleichbarkeit der Studien – erfolgreich eingeführt. Es wurden Bildungs- und Forschungskooperationen eingegangen und infrastrukturelle Erneuerungen an den Gebäuden und erforderliche Ausstattungen vorgenommen, wo sie notwendig waren.
Mehr Eigenverantwortung
Anlässlich des Festaktes im Oktober für das zehnjährige Jubiläum in der Österreichischen Nationalbibliothek wurden die zuständigen Bundesministerinnen der vergangenen zehn Jahre interviewt. Sie wurden dabei auch gebeten, Ihre Zeitspanne mit einem Satz für die „Pädagoginnenbildung neu“zu kommentieren. Ex-Ministerin Elisabeth Gehrer sprach von einem „schwierigen Anfang“; ihre Nachfolgerin Claudia Schmidt sagte: „Liebe auf den zweiten Blick“; ExMinisterin Gabriele Heinisch-Hosek schließlich führte aus: „ein dramatisches Finale“.
Die zuletzt amtierende Ministerin Sonja Hammerschmid will mehr Eigenverantwortung und denkt als ehemalige Rektorin aus dem Universitätsbereich auch bei den Pädagogischen Hochschulen an die Einrichtung von Autonomien zur Steigerung der Motivation. In welcher Form, blieb offen.
Im Zuge des Erfahrungsaustausches nach dem Festakt wurde in internen Diskussionen auch über „Hochschulverbünde“gesprochen. Diese sollen dem Vernehmen nach einzelne Hochschulen zu gemeinsamen Organisationen, womöglich an mehreren Standorten und mit neuen Organen, zusammenschließen. Diese Entwicklung ist aber abzulehnen und wäre fatal.
Das Neue als der Maßstab
Mit dem Hochschulgesetz wurden Pädagogische Hochschulen geschaffen. Gemäß dem Prinzip von Peter Drucker „structure follows
strategies“erfolgte der zehnjährige konsequente strukturelle Aufbau. Diese Entwicklungsarbeit kann sich sehen lassen.
Anstatt jetzt die Strategie anzupassen und wieder strukturell einzugreifen, wäre es zweckmäßiger und sparsamer, die bestehenden Hochschulen so zu belassen – Kooperationen mit Universitäten und anderen Hochschulen sind bereits gesetzlich geregelt – und stattdessen diesen Einrichtungen „Autonomie“über Budget und Personal zu geben.
Als Beobachter des Gesamtsystems festigt sich der Eindruck, dass dem Bildungsressort der Mut zum Loslassen fehlt. Anstelle von neuerlichen Strukturdiskussionen wäre es angebracht, Weiterentwicklungen im Sinne der Selbstverwaltung und der Studienarchitektur zuzulassen. Es kann nicht alles von oben geregelt werden.
Es sollte den Pädagogischen Hochschulen überlassen bleiben, Forschungs- und Lehrverbünde mit anderen anerkannten Einrichtungen einzugehen, um so eigene, von den pädagogischen Hochschulen heraus entwickelte Profilbildungen zu ermöglichen.
Die Besten für die Kinder
Beispielgebend sei hier der Verein „TU Austria“, als technisch-naturwissenschaftlicher Verbund zwischen den Technischen Universitäten in Wien, Graz und der Montanuniversität Leoben genannt.
Beim Europäischen Forum Alpbach – wo viele gesellschaftliche Entwicklungen interdisziplinär diskutiert werden – war öfters von namhaften Wissenschaftlern zu hören: „Für die Pädagoginnen und Pädagogen unserer Kinder brauchen wir die Besten von den Besten.“Dazu brauchen wir aber die Möglichkeiten und die Freiräume für die Entwicklung von Persönlichkeiten fernab der Gesetze und der Bürokratie. Wie aber einst schon Viktor Frankl festhielt: „Die Stimme der Vernunft ist leise“.