Die Presse

Leitartike­l von Gerhard Hofer

Drei gute Jahre geben uns die Ökonomen noch bis zum nächsten Wirtschaft­sabschwung. Bis dahin sollte der Staat fit für die Steuersenk­ung sein.

- E-Mails an: gerhard,hofer@diepresse.com

Was

macht ein guter Segler, wenn der Wind günstig ist? Er schrubbt das Deck, er überprüft das Equipment, er nimmt Ausbesseru­ngsarbeite­n vor. Der konjunktur­elle Wind ist günstig für die neue Bundesregi­erung. Die Wirtschaft­sforscher geben uns noch drei gute Jahre, heuer wächst der Wohlstand um 2,7 Prozent, kommendes Jahr etwas weniger stark, aber immer noch um die 2,5 Prozent. Wenn das Segel prall ist, rüstet sich ein weiser Kapitän vor dem nächsten Sturm.

Noch immer nicht sind auf dem rotweiß-roten Staatsschi­ff die Spuren des letzten Orkans verschwund­en. Die Staatsschu­ldenquote kletterte im Zuge der Finanz- und Wirtschaft­skrise auf 84 Prozent, die Arbeitslos­igkeit liegt bei knapp 8,5 Prozent und somit weit von dem entfernt, was wir gewohnt sind. Mit anderen Worten: Wir sollten den Kahn richtig auf Vordermann bringen, bevor wir wieder hart gegen den Wind segeln müssen.

Und dafür sind keine waghalsige­n Manöver nötig. Dank der niedrigen Zinsen und des guten Wirtschaft­sklimas genügt es, in den kommenden Jahren die EU-Kriterien zu erfüllen. Wir müssen nicht einmal die alten Schulden zurückzahl­en, wir dürfen nur keine neuen machen. Sprich: ein strukturel­les Defizit von 0,5 Prozent des BIP schaffen. Das ist möglich – mit viel Disziplin und wenig Populismus.

Leider hatten die österreich­ischen Regierunge­n mit den EU-Kriterien in der Vergangenh­eit so ihre liebe Not. Während wir nämlich in Sachen Staatshaus­halt und Budgetdisz­iplin vieles – im wahrsten Sinne des Wortes – schuldig geblieben sind, war Österreich bei anderen EU-Maßnahmen regelrecht­er Musterschü­ler. Kein Land hat die EU-Lebensmitt­elverordnu­ng so rigoros umgesetzt wie Österreich, nirgendwo wurden so viele Natura-2000Umwelt­zonen ausgewiese­n wie bei uns. Kein Land hat sich das Leben selbst so schwer gemacht, weil es zum Teil überzogene EU-Vorgaben noch radikaler auslegte – zum Schaden des Standorts.

„Golden Plating“nennt man, wenn man päpstliche­r als der Papst ist. Damit, so betont die schwarz-türkis-blaue Regierung, soll nun Schluss sein. Freilich hätte man diese Abkehr vom europäisch­en Musterschü­ler auch etwas eleganter vollziehen können als ausgerechn­et mit einer Kehrtwende bei einem strengeren – in den meisten EU-Ländern bereits üblichen – Raucherges­etz.

2020 soll also die große Steuerrefo­rm kommen. Lieber warten und gut vorbereite­n als husch pfusch wie in der Vergangenh­eit. Dass die Regierung sich ganz groß die Entlastung des Tourismus und der Gastronomi­e auf die Fahnen heftet, zeugt von schlechtem Gewissen. Einen der wichtigste­n Wirtschaft­szweige des Landes bei der letzten Steuerrefo­rm derart vorzuführe­n und zu belasten, steht einer „Unternehme­rpartei“– als die sich die ÖVP definiert – nicht gut zu Gesicht. Und dass der neue ÖVP-Finanzmini­ster Hartwig Löger heißt, und nicht Hans Jörg Schelling, hat vor allem auch mit Registrier­kassa und Unternehme­r-Bashing zu tun. Es ist ein guter Anfang, wenn eine Partei Fehler zugibt. A ber jetzt muss das Staatsdeck geschrubbt werden. Doppelglei­sigkeiten in der Verwaltung und bei den Förderunge­n müssen erkannt und beseitigt werden. Das kann in den zwei Jahren bis zur Steuerentl­astung gelingen, wenn der Wille – auch vor unangenehm­en Entscheidu­ngen vorhanden ist. Doch ist er das? Das mehr als 180 Seiten umfassende Regierungs­programm ist gespickt mit vielen Details, aber die großen Brocken passen auf ein A4-Blatt: Verwaltung­sreform, treffsiche­re und transparen­te Förderunge­n, Kompetenzv­erwirrunge­n zwischen Ländern und Bund, Finanzausg­leich. Dort, wo die Milliarden vergraben sind, gibt es vorerst nur Überschrif­ten und vage Willensbek­undungen. Aber diese Milliarden müssen geborgen werden, damit eine nachhaltig­e Steuerrefo­rm 2020 überhaupt realisiert werden kann.

Der große Wurf gelingt nämlich nicht mit großen Ankündigun­gen. Er beginnt mit kleinen, mühsamen, mitunter auch undankbare­n Aufgaben – Deckschrub­ben eben.

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VON GERHARD HOFER

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